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PrivatisierungswelleNichts als Schall und Rauch

Vor rund zwölf Monaten prophezeiten die privaten Klinikketten für 2010 so viele Übernahmen wie nie zuvor. Das Gegenteil ist eingetroffen.

Im Jahr 2009 schien alles klar: Die Konjunktur brach ein, ebenso wie die Steuereinnahmen der öffentlichen Haushalte. Zwangsläufig würden leere Kassen und wachsende Defizite den Druck auf Kommunen erhöhen, Krankenhäuser zu veräußern. Für die privaten Betreiber galt es, möglichst schnell viel Geld einzusammeln. Ziel war es, an der erwarteten Privatisierungsquelle 2010 möglichst gut zu partizipieren und neue Marktanteile für sich selbst zu erobern und den Marktanteil der Privaten insgesamt - zuletzt lag er bei rund 28 Prozent - zu steigern. Dann kam aber das, womit niemand gerechnet hatte: Genauso schnell wie die Konjunktur Ende 2008 eingebrochen war, drehte sie 2010 wieder nach oben. Die Steuereinnahmen begannen wieder zu sprudeln, und kein Kämmerer dachte nur annähernd daran, die eigene Klinik zu verkaufen, was häufig zu gewaltigen lokalpolitischen Turbulenzen führte.

Anstatt der erwarteten Explosion des sogenannten M&A-Marktes ("Mergers & Acquisitions"/"Fusionen und Übernahmen") gab es nur ein kleines Puffen mit gerade einmal zehn nennenswerten aktuellen Transaktionen, wobei nur vier davon mit zusammen 1.974 Betten als echte Privatisierungen zu bezeichnen waren. Den größten Happen holten sich die Sana-Kliniken mit dem Erwerb der Regio-Kliniken im Januar 2010. Bei den übrigen waren es Fusionen von Betreibern gleicher Trägerschaft.

Prall gefüllte Kriegskassen

Die großen privaten Klinikbetreiber sitzen damit auf prall gefüllten Kriegskassen, die es galt und gilt, für Klinikakquisitionen auszugeben. So verfügte beispielsweise die Rhön-Klinikum AG nach der Kapitalerhöhung Mitte 2009 zum 30. September 2010 über einen Kassenbestand von 404 Millionen Euro. Bei einer Eigenkapitalquote von rund 49 Prozent könnte das Unternehmen für Akquisitionen ohne Weiteres über eine Milliarde Euro für eine Unternehmensexpansion durch Zukäufe ausgeben. Die Hamburger Asklepios-Kliniken, in Familienhand befindlich und drittgrößter privater Klinikkonzern in Deutschland, registrierten zum selben Zeitpunkt und nach der Herausgabe einer 150-Millionen-Euro-Anleihe einen Kassenbestand von 281 Millionen Euro. Bei einer Eigenkapitalquote von 29 Prozent (ohne Berücksichtigung des Nachrangkapitals) betitelt das Unternehmen seine Kriegskasse sogar mit 661 Millionen Euro.

Die Münchner Sana-Kliniken, getragen von den privaten Krankenversicherungen, verfügten Ende 2009 über einen Kassenbestand von 160 Millionen Euro. Bei einer Eigenkapitalquote von 26 Prozent ist das Akquisitionspotenzial in einem deutlichen dreistelligen Millionenbereich anzusiedeln. MediClin AG Offenburg, ebenfalls ein Tochterunternehmen von Versicherungen, wies nach der Kapitalerhöhung Ende 2008 per 30. September 2010 einen Kassenbestand von 54 Millionen Euro auf. Bei einer Eigenkapitalquote von 48 Prozent lässt sich ein Akquisitionspotenzial von über 200 Millionen Euro errechnen. Die Helios-Kliniken GmbH finanziert sich über ihren Mutterkonzern Fresenius. Deshalb erscheint hier das Errechnen von potenziellen Akquisitionsmitteln als wenig sinnvoll.

Die privaten Krankenhauskonzerne können damit nur hoffen, dass sich der M&A-Markt schnell und deutlich erholt. Dies gilt insbesondere für die börsennotierten Rhön-Klinikum und MediClin, da Aktienanleger für gewöhnlich in kürzeren Abständen denken und die Alternativen auf dem Aktienmarkt sehr attraktiv werden.

Viele Fragezeichen

Die Zukunft des M&A-Marktes ist kurzfristig mit vielen Fragezeichen zu versehen. Dies gilt umso mehr, als die wirtschaftliche Entwicklung auf dem Krankenhausmarkt 2009 und 2010 vergleichsweise gut verlief und die Geschäftsabschlüsse 2010 erst Mitte bis Ende 2011 vorliegen. Zweitens werden die Konjunkturperspektiven für 2011 in rosigen Bildern gezeichnet, mit entsprechenden Folgen für die Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte und der Sozialkassen - das Wort Privatisierung passt nicht in dieses idyllische Bild. Und drittens wird Deutschland als Konjunkturlokomotive im Euro-Raum gesehen, mit einer im Vergleich zu vielen Euro-Ländern ungleich besseren Haushaltslage.

Auf mittel- bis längerfristige Sicht ist allerdings davon auszugehen, dass sich der M&A-Markt im Kliniksektor deutlich beleben wird. Denn obwohl die Konjunktur derzeit brummt und die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand vorübergehend wieder deutlich steigen dürften, werden einige in der momentanen Euphorie ausgeblendete Grundsatzprobleme wieder stärker das Marktgeschehen beeinflussen. So ist zu konstatieren, dass die öffentlichen Haushalte in Deutschland weiter Schulden machen. Derzeit haben sich nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) 2.086 Milliarden Euro angehäuft, 2011 kommen weitere 180 Milliarden Euro hinzu, und die Konjunkturperspektiven dar­über hinaus sind angesichts der immensen Staatsverschuldungen weltweit sowie steigender Sozialausgaben mit vielen Fragezeichen zu versehen. Zweitens steht die Investitionsfinanzierungsproblematik immer noch ungeklärt im Raum, und die Kapitalkosten werden tendenziell steigen.

Dem Argument vieler Betreiber, angesichts geringer Kapitalkosten auch keine Kapitalrendite erwirtschaften zu müssen, wird damit zunehmend die Basis entzogen. Und nicht zuletzt werden steigende Kosten die Gesundheitsmärkte erheblich belasten. Im Jahre 2011 stehen beispielsweise im Krankenhausbereich Erlössteigerungen von 0,9 Prozent deutliche Erhöhungen der Aufwendungen vor allem im Personal- und Energiebereich gegenüber. Dies wird den ein oder anderen privaten Betreiber vor unlösbare Aufgaben stellen, ebenso wie in Verbindung mit Punkt 1 - Staatsverschuldung - viele öffentliche und teils auch kirchliche Träger. Dieses mittel- bis längerfristige Szenario ist unabhängig von der Farbe der Regierung zu sehen.

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