Fast 11 Milliarden US-Dollar spülte der Blutfettsenker dem Hersteller der Potenzpille Viagra im vergangenen Jahr in die Kassen. Doch damit ist jetzt Schluss: An diesem Mittwoch verliert Lipitor seinen exklusiven Patentschutz in den USA - dem weltweit größten Pharmamarkt. Nachahmer stehen schon bereit. Als Folge könnten nach Einschätzung von Analysten die Umsätze des Originals fast über Nacht um bis zu 80 Prozent fallen.
"Wir werden nach dem Patentverlust für Lipitor in den USA kein Ein-Produkt-Unternehmen werden", sagte Geno Germano am Mittwoch. Der Manager ist bei Pfizer unter anderem für das Onkologiegeschäft zuständig. Pfizer-Chef Ian Read hatte bei Vorlage der Zahlen für die ersten neun Monaten Anfang November versucht, die Anleger zu beruhigen: "Wir sind auf den Verlust der Exklusivrechte von Lipitor auf dem US-Markt gut vorbereitet." Nachahmerpillen zu Lipitor haben die beiden Generikahersteller Watson Pharmaceuticals und Ranbaxy bereits angekündigt.
Read ist seit Ende 2010 im Amt und arbeitet daran, Pfizer neu aufzustellen. Der Manager will sich auf das Geschäft mit Medikamenten konzentrieren und die Präsenz in den Schwellenländern erhöhen. Die Investoren versucht Read mit einem Aktienrückkaufprogramm bei der Stange zu halten. Es wurde von sieben auf neun Milliarden Dollar ausgeweitet. Zudem sollen Unternehmensteile wie das Geschäft mit der Tiergesundheit und die Sparte für Babynahrung abgestoßen werden. Rund acht Prozent des Umsatzes hatten die Sparten 2010 beigesteuert. Analysten trauen Pfizer zu, durch die Trennung bis zu 22 Milliarden Dollar einzunehmen.
Einen Wachstumsschub soll dem Konzern ein Konkurrenzprodukt zu Xarelto von Bayer mit dem Namen Eliquis bringen. Pfizer und der Entwicklungspartner Bristol-Myers Squibb (BMS) und haben bei der US-Arzneimittelbehörde FDA die Zulassung für Eliquis zur Verhinderung von Schlaganfällen bei Patienten mit Vorhofflimmern beantragt. Die Überprüfung soll bis Ende März 2012 abgeschlossen sein. Ein weiterer Zulassungsantrag läuft bereits bei den europäischen Behörden. Auch für das Arthritismittel Tofacitinib steht die Zulassung der FDA aus.
Pfizer hatte auf den lange erwarteten Patentablauf des Kassenschlagers mit einem umfangreichen Sparprogramm und Kürzungen beim Forschungsbudget reagiert. Bereits nach Übernahme des US-Konkurrenten Wyeth hatte Pfizer den Abbau von 15 Prozent der damaligen Belegschaft angekündigt. Ende 2010 hatte der Merck & Co-Konkurrent noch 110.000 Mitarbeiter beschäftigt. Der Umsatz war im vergangenen Jahr nur deshalb um 36 Prozent auf 67,8 Milliarden Dollar nach oben geschnellt, weil Pfizer Wyeth geschluckt hatte. Ohne diesen Zukauf wäre das Unternehmen auf der Stelle getreten. Wegen der Kosten für die Eingliederung war der Gewinn allerdings um 4 Prozent auf 8,3 Milliarden Dollar gesunken.
Fast zehn Milliarden Dollar hat Pfizer in den vergangenen Jahren jährlich in die Forschung gesteckt. Ohne erkennbaren Erfolg. Denn das Wachstum beruht schon seit Jahren praktisch ausschließlich auf Zukäufen. Pfizer hatte die 68-Milliarden-schwere Übernahme des Konkurrenten Wyeth im Oktober 2009 abgeschlossen.
Wegfallender Patentschutz für wichtige Arzneien ist eines der zentralen Probleme der Pharmabranche. Laut Branchendienst IMS Health verlieren bis 2013 Medikamente mit einem Umsatz von rund 135 Milliarden Dollar weltweit ihren lukrativen Patentschutz. Das ist mehr als je zuvor. Insgesamt hat der Weltpharmamarkt einen Umsatz von fast 900 Milliarden Dollar.


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