"Unternehmen kommen nicht umhin, ihre Preispolitik stärker an den Einkommensverhältnissen in diesen Ländern zu orientieren", sagte Vir Lakshman, Leiter Pharma und Chemie bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, am Dienstag in Frankfurt. So müssten künftig viel größere Mengen an Medikamenten zu geringeren Preisen angeboten werden, wenn sich die Konzerne im Wettbewerb behaupten wollten.
Bis 2020 dürfte das Mengenwachstum deshalb wichtiger werden als das Streben nach Gewinnen. Um kostengünstiger produzieren zu können, könnten viele Konzerne zudem ihre Entwicklung verstärkt in Schwellenländern ansiedeln. Patienten und die Regierungsbehörden in den Wachstumsregionen würden in Zukunft nicht die Preise für Produkte zahlen wollen, wie momentan in den USA oder Europa.
Während etablierte Märkte wie Europa oder die USA in den kommenden Jahren nur noch mit drei bis sechs Prozent wachsen, erhofft die Branche einen Wachstumsschub mit zweistelligen Zuwachsraten in den sogenannten "Emerging Markets". Der KPMG-Experte geht davon aus, dass sich der Umsatz der Pharmabranche in den Schwellenländern von 154 Milliarden US-Dollar im Jahr 2010 bis 2020 auf fast 500 Milliarden Dollar mehr als verdreifachen wird. "Damit wächst der Umsatzanteil von Ländern wie Brasilien, China, Indien oder Russland im selben Zeitraum von 17 auf 37 Prozent", sagte Lakshman.
Die Pharmabranche, die 2010 einen Umsatz von rund 856 Milliarden Dollar erwirtschaftet hat, steht vor großen Herausforderungen wegen staatlicher Eingriffe zur Kostensenkung im Gesundheitswesen, Konkurrenz durch billigere Nachahmerpillen und wenigen Neuzulassungen trotz jährlich steigender Forschungsausgaben. Alleine zwischen 2011 und 2015 verlieren Medikamente mit einem Umsatz von 120 Milliarden Dollar ihren Patentschutz. Mit gravierenden Folgen: Denn nur wenige Monate nach dem Verlust der Exklusivität kann der Umsatz des Originalproduktes durch die Konkurrenz eines Nachahmermittels um 80 bis 90 Prozent einbrechen.
Insgesamt wird die Nachfrage aus den Wachstumsmärkten den Pharmaumsatz 2020 weltweit bis auf 1,3 Billionen US-Dollar in die Höhe schnellen lassen, erwartet KPMG. Die Verlagerung des Geschäfts mit der zunehmenden Bedeutung der Schwellenländer wird auf die lukrativen Margen im Pharmageschäft drücken. "Wir rechnen damit, dass die Umsatzrenditen der Unternehmen vor Forschungs- und Entwicklungskosten von rund 48 Prozent 2010 auf rund 43 Prozent im Jahr 2020 fallen", erklärte Lakshman.
Zwar seien die Aufwendungen für F&E neuer Medikamente in den vergangenen Jahren pro Jahr um rund zehn Prozent auf weltweit rund 50 Milliarden Dollar gestiegen, die Zahl der Neuanträge bei der wichtigen US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA liege aber seit rund einem Jahrzehnt bei um die 30 jährlich. 1990 habe die F&E-Produktivität - berechnet als Verhältnis der Neuzulassungen zu den Forschungsausgaben - noch bei 18 Prozent gelegen. Nun sei es gerade mal rund die Hälfte, gibt der Experte zu Bedenken.
Die Chancen darauf, einen neuen Wirkstoff von der Entdeckung bis in die Apotheke zu bringen, habe in den vergangenen Jahren gerade mal vier Prozent erreicht. Dies vor dem Hintergrund, dass die Entwicklung eines neuen Medikaments bis zu eine Milliarde Dollar verschlingen könne. Pharmakonzerne seien daher gefordert und müssten Investoren mehr Finanzdaten zu einzelnen Forschungsprojekten mit genauen Renditeerwartungen liefern.


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