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KassenwettbewerbSchreckgespenst

Nichts fürchten die Kassen so sehr wie den Zusatzbeitrag. Seit die ersten Versicherer empfindliche Mit­gliederverluste hinnehmen mussten, ist ein bizarrer Wettbewerb ausgebrochen.

Zusatzbeiträge sind Anfang dieses Jahres im Freundeskreis des Ehepaares Jan und Ursula G. aus Worpswede ein Thema gewesen. Jan G. konnte als privat Versicherter wenig zum Gespräch beitragen — seine Frau dafür umso mehr: Sie ist bei der HKK versichert, einer kleinen Kasse mit Sitz in der Hansestadt Bremen und gut 237.000 Mitgliedern. Nachdem Ursula G. aus dem Krankenhaus kam, wo sie sich zuvor einer Kniegelenksoperation unterzogen hatte, flatterte wenig später ein Scheck der HKK ins Haus. 60 Euro Beitragsrückerstattung für 2009! Ohne große Ankündigung, einfach so.

Damit hatte Ursula G. nicht gerechnet. Das Beste ist: Die Kasse verspricht die Rückerstattung auch für dieses Jahr und sogar für 2011, allerdings steht die Höhe noch nicht fest. Die damalige Handelskrankenkasse fusionierte schon im Januar 2008 mit der IKK Weser-Ems zur neuen HKK. Mit ihrer Beitragsrückerstattung an die Mitglieder befindet sich die kleine regionale Kasse im Norden Deutschlands in einer komfortablen Situation. Die meisten Chefs der 166 gesetzlichen Krankenkassen (Stand 1. April 2010) können davon nur träumen. Sie treibt derzeit nur eine einzige Frage um: Muss ich einen Zusatzbeitrag erheben, ja oder nein — und wenn ja, wann?

Was Geld kostet, wird hintangestellt
Denn der Zusatzbeitrag steht für Mitgliederverluste, und das bedeutet für die Kassen wiederum geringere Einnahmen aus dem Gesundheitsfonds und dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA). Besonders empfindlich haben dies Anfang des Jahres die DAK, die Deutsche BKK und einige andere kleinere Kassen wie die City BKK oder etwa die BKK Heilberufe zu spüren bekommen. Aktuell sind es 16 Kassen, die einen Zusatzbeitrag erheben. Die DAK verlor mehr als eine viertel Million Versicherte — wenngleich der Trend zum Wechsel erst einmal gestoppt sein soll. Der Schock in der Kassenwelt sitzt tief. Sehr tief. Nur so erklären sich Verrenkungen wie jüngst bei der Barmer GEK. Nachdem die Vorstandsvorsitzende Birgit Fischer ihren Versicherten einen Zusatzbeitrag bis spätestens 2011 in Aussicht gestellt hatte, ruderte ein Sprecher der Kasse rasch zurück. Die Kassen befinden sich gerade in einem Zusatzbeitragsvermeidungswettbewerb, urteilen Experten unisono.

Durch die ausschließliche Fixierung der Kassenbosse auf den Zusatzbeitrag ist der Wettbewerb um eine intelligente Steuerung der Patienten und eine effiziente Versorgung nahezu zum Erliegen gekommen. Die Kassen konzentrieren sich zumeist aufs Brot-und-Butter-Geschäft. Alles, was Geld kostet, wird erst einmal hintangestellt "Die Lage ist prekär", urteilt Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner von der Universität Bielefeld. "Zurzeit interessiert die Kassen fast ausschließlich die Kostenvermeidung. Die Entwicklung innovativer Versorgungsformen liegt völlig brach. Stattdessen konzentrieren sie sich auf Versorgungsstrategien, die die Versorgung billiger machen. Das ist eine fatale Verkürzung. Warum sollen Versorgungsangebote nicht teurer werden, wenn sie mit einer höheren Qualität hinterlegt sind als die bisherige Versorgung aufweist?"

Den vollständigen Artikel zu den Zusatzbeiträgen der Krankenkassen und viele weitere spannende Geschichten lesen Sie in der Oktober-Ausgabe der kma. Viel Spaß beim Lesen!

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