In Wahrheit ist es aber die PKV, die Hilfe braucht und bekommt ? denn die Branche genießt den Schutz der Berliner Koalition. Um knapp 50 Prozent je Versicherten sind die Kosten der privaten Krankenversicherung im Zeitraum 1997 bis 2008 gestiegen, die Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) jedoch nur um 31 Prozent. Dies sind Ergebnisse eines Gutachtens des Berliner Iges-Instituts für das Bundeswirtschaftsministerium. Die PKV werde daher mit dem demografisch bedingten Kostenanstieg in der Zukunft größere Probleme haben als die gesetzlichen Versicherer. Hinzu komme die Tatsache, dass die PKV-Tarife keineswegs ? wie oft gedacht wird ? unabhängig vom Nachwuchs sind. Ältere Versicherte profitierten davon, wenn es in ihrem Tarif viele junge und gesunde Neuzugänge gibt, denn das senke den „Grundkopfschaden und damit das Preisniveau in diesem Tarif”, so eine Begründung im Gutachten.
Rasches Neugeschäft
Daher war die Erhöhung der Wartezeit für gut verdienende GKV-Mitglieder beim Wechsel in die PKV von einem auf drei Jahre ein schwerer Schlag. Diese Maßnahme der großen Koalition 2007 im Rahmen der Gesundheitsreform soll jetzt zurückgenommen werden. Die schwarz-gelbe Koalition plant nun sogar so radikal, dass auch die GKV-Mitglieder, die mit ihrem Einkommen noch im laufenden Jahr die Versicherungspflichtgrenze überschreiten, schon zum Januar 2011 in die PKV wechseln können. Die gesetzlichen Kassen befürchten daher im Frühjahr eine Wechselwelle, die nach Berechnungen der Bundesregierung zu Mindereinnahmen der GKV in Höhe von 0,2 Milliarden Euro, nach Berechnungen der Techniker Krankenkasse sogar in Höhe von 0,5 Milliarden Euro führen wird.
Aber auch bei der Kostenentwicklung kommt man der PKV entgegen. So hat die Koalition Änderungsanträge zum Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz beschlossen, durch die die Systeme von GKV und PKV faktisch gleichgestellt werden: Die auf Basis einer Kosten-Nutzen-Bewertung vom GKV-Spitzenverband ausgehandelten Erstattungsbeträge für innovative Arzneimittel sollen künftig auch für PKV-Mitglieder und Beihilfeberechtigten gelten. Auch die gesetzlichen Abschläge auf die Arzneimittelpreise, demnächst in Höhe von 16 Prozent, die bisher nur der GKV zugutekamen, sollen nunmehr auf die PKV übertragen werden. Beide Schritte werden damit begründet, dass seit der letzten Gesundheitsreform Versicherungspflicht für alle bestehe und der Staat daher auch im Bereich der PKV für die Kostenentwicklung Verantwortung trage. Tatsächlich steht im Hintergrund die berechtigte Sorge, dass die Pharmaunternehmen auf die geplante Kostendämpfung in der GKV mit kompensatorischen Preissteigerungen für PKV-Versicherte reagiert hätten.
Einerseits ist positiv zu bewerten, dass damit einer weiteren Spaltung der Preise im Arzneimittelmarkt entgegengewirkt wird. Andererseits hilft sich der Staat in erster Linie selbst. Die vollversicherten Mitglieder der PKV sind rund zur Hälfte die Beamten und Pensionäre von Bund, Ländern und Gemeinden und deren Familienangehörige. Durch die Übertragung der Kostendämpfung auf die PKV schützt der Staat seine Beihilfekassen und bremst die Kostenbelastung seiner Bediensteten. Die PKV hat in dieser Richtung bereits weitere Wünsche angemeldet: Zum Beispiel bei der Reform der privatärztlichen Gebührenordnung (GOÄ) sollen auch für die PKV Verhandlungsmöglichkeiten eingeführt werden. Das sind zwar erfreuliche Perspektiven für die PKV-Versicherten, sie bedeuten aber einen fundamentalen Strategiewechsel für die private Krankenversicherung. Denn diese Maßnahmen bestätigen das Grundkonzept der gesetzlichen Kassen. Insoweit hat die Hilfe der Bundesregierung für die PKV einen hohen Preis: Die von der großen Koalition eingeleitete Weichenstellung für einen einheitlichen Krankenversicherungsmarkt wird zurückgenommen und der Doppelstandard von GKV und PKV wird noch einmal verfestigt.
Dieser Artikel ist in der kma-Ausgabe Oktober erschienen.


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