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Reha-Sektor im WandelWas der Vamed-Deal für Österreich bedeutet

Die geplante Teil-Veräußerung von Vamed durch Fresenius hat Folgen für zahlreiche Reha-Kliniken in Österreich. Die einen sehen Effizienzgewinne; andere warnen davor, dass finanzielle Interessen die Qualität der Versorgung beeinträchtigen könnten.

Holzwürfel die das Wort "Chance" und "Crisis" abbilden.
Dilok/stock.adobe.com
Symbolfoto

Die Vamed AG, führender österreichischer Gesundheitsdienstleister mit Sitz in Wien-Liesing, steht vor einer entscheidenden Transformation. Der deutsche Mutterkonzern Fresenius, ein Global Player im Gesundheitssektor mit einem Jahresumsatz von etwa 22,3 Milliarden Euro (2023), hat die strategische Entscheidung getroffen, die Wiener Tochtergesellschaft zu restrukturieren und teilweise zu veräußern.

Der geplante Verkauf von Vamed-Unternehmensanteilen offenbart die komplexen Herausforderungen des modernen Gesundheitssektors. Aktuelle Daten zeigen, dass Österreich bereits im Jahr 2023 laufende Gesundheitsausgaben von 52,28 Milliarden Euro oder 10,9 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) hatte. Der Gesundheitssektor steht vor einer bedeutenden Expansion, die durch den demografischen Wandel in Österreich vorangetrieben wird.

Prognosen zufolge werden bis 2030 mehr als 25 Prozent der Bevölkerung älter als 65 Jahre sein. Diese altersheterogene Entwicklung wird einen erheblichen Anstieg der Nachfrage nach medizinischen Versorgungsleistungen und Rehabilitationsangeboten verursachen. Die wachsende Zahl älterer Menschen erfordert eine strategische Anpassung des Gesundheitssystems, um eine qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten.

Inmitten dieser Umbrüche steht Vamed vor einer tiefgreifenden Umstrukturierung. Ein Konsortium aus den österreichischen Bauunternehmen Porr und Strabag soll ihre österreichischen Aktivitäten übernehmen, darunter die technische Betriebsführung des Allgemeinen Krankenhauses Wien (AKH Wien), das österreichische Projektgeschäft und Anteile an mehreren Thermen. Das Unternehmen ist tief in die nationale und internationale Versorgungsstruktur eingebunden. Insbesondere im Bereich der Rehabilitation gilt Vamed als unverzichtbar: Rund ein Drittel der Reha-Plätze in Österreich wird durch das Unternehmen gestellt.

Besonders brisant: Die Reha-Sparte, die in Österreich 67 Einrichtungen umfasst, soll zu 67 Prozent an den französischen Investmentfonds PAI Partners verkauft werden. Erst kürzlich wurde zudem das internationale Projektgeschäft an die deutsche Gruppe Worldwide Hospitals abgegeben. Die Umstrukturierung der österreichischen Reha-Sparte ist von diesem Verkauf jedoch nicht direkt betroffen.

Österreichs Reha-Sektor im Umbruch

Der Mutterkonzern Fresenius hat unter dem neuen Vorstandsvorsitzenden Michael Sen einen umfassenden Umbau eingeleitet. Vamed, mit einem Umsatz von 2,36 Milliarden Euro im Jahr 2023, schrieb zuletzt rote Zahlen mit einem operativen Verlust (EBIT) von 16 Millionen Euro. Von dem geplanten Verkauf der Vamed sind in Österreich rund 16 Reha-Einrichtungen betroffen. Das Gesamtvolumen der Transaktion beläuft sich auf 853 Millionen Euro. Dabei wirft die geplante Veräußerung grundsätzliche Fragen zur Kontrolle kritischer Infrastruktur auf. Österreichs Regierung könnte mit diesem Geschäft den direkten Einfluss auf einen bedeutenden Bereich der Gesundheitsvorsorge verlieren. Das Instrument der Investitionsprüfung steht zur Diskussion.

Die Gesundheitsversorgung scheint durch diesen geplanten Deal gefährdet.

Gewerkschaftsbund-Chefökonomin Helene Schuberth kritisiert: „Es liegt in der Verantwortung des Wirtschaftsministers, im Verdachtsfall Risken für die Krisen- und Daseinsvorsorge sowie für die Versorgungssicherheit zu prüfen. Die Gesundheitsversorgung scheint durch diesen geplanten Deal gefährdet.“

Wirtschaftsminister Martin Kocher (von der ÖVP nominiert) argumentierte hingegen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Investitionskontrollverfahren nicht gegeben seien, da PAI kein Drittstaatsinvestor sei. Kritiker halten dem entgegen, dass das österreichische Investitionskontrollgesetz auch den „mittelbaren Erwerb“ berücksichtigt und eine Prüfung der Hintergründe und Investoren des Deals ermöglichen würde. Letztendlich hat das Ministerium verlautbart, dass die Voraussetzungen für ein Investitionskontrollverfahren nicht vorliegen.

Vamed äußerte sich gegenüber kma dazu, dass PAI ein internationales Private-Equity-Unternehmen sei, das in Europa und Nordamerika in marktführende Unternehmen investiert und über eine umfangreiche Erfolgsbilanz bei Investitionen im Gesundheitsdienstleistungs-sektor verfügt.

Privates Kapital im Gesundheitswesen: ein kontroverses Thema

Österreichs Gesundheitssystem basiert traditionell auf einer Mischfinanzierung aus öffentlichen Mitteln, Sozialversicherungsgeldern und gemeinnützigen Trägern.

Im Jahr 2021 beliefen sich die laufenden Gesundheitsausgaben in Österreich auf 49,02 Milliarden Euro, was 12,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entsprach. Die Finanzierung setzte sich wie folgt zusammen:

  • Öffentliche Mittel (Bund, Länder, Gemeinden) und Sozialversicherung: 78,6 Prozent der Gesamtausgaben (38,54 Milliarden Euro).
  • Private Haushalte, freiwillige Krankenversicherungen, private Organisationen ohne Erwerbszweck und Unternehmen: 21,4 Prozent der Gesamtausgaben (10,48 Milliarden Euro)

Gewinn über Patientenwohl?

Bezüglich der Rolle privater Akteure im Gesundheitswesen zeigt sich, dass in Österreich der Marktanteil privater Krankenhäuser ohne Öffentlichkeitsrecht bei knapp über zehn Prozent liegt. Im Vergleich dazu ist dieser Anteil in anderen europäischen Ländern wie Deutschland und Italien (ca. 30 Prozent) sowie Frankreich (über 20 Prozent) deutlich höher. Viele Länder nutzen private Akteure in der Gesundheitswirtschaft, um die Qualität und Effizienz des gesamten nationalen Gesundheitswesens zu steigern, Innovationen zu fördern und die Wahlfreiheit sicherzustellen. Ein modernes, hocheffektives Gesundheitssystem erfordert demnach eine Vielfalt der Trägerschaft mit ausgewogenen Anteilsverhältnissen sowie Transparenz und Vergleichbarkeit der Leistungen und Finanzierungen aller Akteure.

Gegner hingegen warnen vor den Risiken und befürchten, dass die Versorgungssicherheit und die Qualität des Gesundheitssystems leiden könnten, wenn der Gewinn über das Patientenwohl gestellt wird.

Bislang ist die österreichische Reha-Landschaft stark öffentlich geprägt. Der Einstieg eines privaten Investors bei VAMED könnte jedoch einen Wendepunkt markieren. Erste Recherchen zeigen, dass die Befürchtungen einer drastischen Reduktion des Versorgungsangebots bislang unbegründet sind. Konkrete Pläne für Klinikschließungen oder Leistungskürzungen sind aktuell nicht bekannt. Dennoch hat der Betriebsrat des Anton-Proksch-Instituts, Harald Steer, bereits eine Verschlechterung der Behandlungsqualität unter der bisherigen Eigentümerschaft von Vamed festgestellt und befürchtet, dass sich diese Entwicklung unter PAI Partners fortsetzen wird.

Lohneinbußen nach Übernahme

Schon bei der Übernahme durch Vamed im Jahr 2012 wurden die Kollektivverträge angepasst, was zu Lohneinbußen für die Mitarbeiter führte. Den Mitarbeitern des Anton-Proksch-Instituts wurde bereits mitgeteilt, dass sie in vier bis sieben Jahren wieder verkauft werden würden.

Vom Betriebsrat wird erwartet, dass die Abläufe und Mitarbeiter profitabler und effizienter werden müssen, da sich andernfalls die Transaktion für PAI Partners nicht lohnen würde. Schon im Vorfeld des aktuell geplanten Verkaufs ersetzten zunehmend Hilfskräfte diplomierte psychiatrische Pflegekräfte. Der Betriebsrat vermutet, dass dies bewusst geschah, um für einen Verkauf attraktiver zu wirken. Oliver Picek, Chefvolkswirt und Gesundheitsexperte des Momentum Instituts, hat dazu eine klare Meinung: Der Verkauf könnte zu Qualitätseinbußen und einer gefährlichen Kommerzialisierung der Versorgung führen.

Man kann nicht am laufenden Band stetig höhere Gewinne machen.

Laut Picek stößt das Streben nach ständig höheren Gewinnen im Gesundheitssektor an seine Grenzen. Anders als in der Industrie, wo Maschinen effizienter arbeiten können, basiere die Gesundheitsversorgung auf menschlicher Arbeit, deren Qualität nicht beliebig optimiert werden könne, ohne dass dies Auswirkungen auf die Patienten habe. „Man kann nicht am laufenden Band stetig höhere Gewinne machen. Weniger Personal oder schlechtere Bezahlung führen zwangsläufig zu geringerer Qualität“, warnt der Experte.

Ein Blick ins Ausland zeigt laut Picek, wohin eine stärkere Privatisierung führen kann. In den meisten Fällen habe der Verkauf von Gesundheitseinrichtungen an profitorientierte Unternehmen nicht zu einem Ausbau der Versorgung geführt. Stattdessen stehen oft Kostensenkungen im Vordergrund, die wiederum negative Auswirkungen auf die Qualität der Leistungen haben.

USA sollen nicht zum Vorbild werden

Ein direkter Vergleich zwischen dem Rehabilitationszentrum Weißer Hof, das von der Auva betrieben wird, und den Vamed-Einrichtungen offenbart deutliche Unterschiede. Die Auva, die ausschließlich von Arbeitgeberbeiträgen finanziert wird, setzt auf hohe Qualitätsstandards – Standards, die Picek zufolge unter privatem Management kaum aufrechterhalten werden können. Er befürchtet, dass der Verkauf an den neuen Eigentümer, die Investmentgesellschaft PAI Partners, weitere Verschlechterungen mit sich bringen könnte. Picek zieht einen eindringlichen Vergleich zu den USA, wo die Gesundheitsversorgung oft stärker von Profitinteressen geprägt ist.

Als warnendes Beispiel nennt er den Fall von UnitedHealthcare, einem der größten privaten Krankenversicherer in den USA. Dort stand der kürzlich ermordete CEO Brian Thompson wegen rigoroser Kostenoptimierung und damit einhergehender Einschränkungen bei den Leistungen massiv in der Kritik. Solche „amerikanischen Verhältnisse" dürften laut Picek nicht zum Vorbild für Österreich werden. Und auch der em. Prof. für Wirtschafts- und Sozialpolitik der renommierten Wirtschaftsuniversität Wien und Präsident des Fiskalrates, Christoph Badelt, vertritt dazu den Standpunkt, dass in dem Augenblick, wo ein kommerzielles Unternehmen so tief in den Gesundheitssektor eintritt, man besonders auf die Qualität achten muss.

Private Anbieter sind im österreichischen Reha-Sektor nicht ungewöhnlich, bedürfen jedoch einer effektiven Regulierung und strengen Qualitätskontrolle.

Der Vamed-Fall verdeutlicht die komplexe Balance zwischen öffentlicher Verantwortung und privatwirtschaftlichen Interessen im österreichischen Rehabilitationssektor. Er markiert einen wichtigen Moment in der Entwicklung der österreichischen Reha-Landschaft, der grundlegende Fragen zur Qualitätssicherung und Verfügbarkeit von Rehabilitationsleistungen aufwirft. Univ.-Prof. Dr. Martin Halla betont, dass private Anbieter im österreichischen Reha-Sektor nicht ungewöhnlich sind, jedoch einer effektiven Regulierung und strengen Qualitätskontrolle bedürfen. Dies gilt besonders für Leistungen, die von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden. Das bestehende LKF-System zeigt bereits, wie transparente Abrechnungsmodelle zur Qualitätssicherung beitragen können.

Balance mittels regionaler Kontrolle

Die regionale Kontrolle bleibt dabei ein wichtiger Faktor, wie das Beispiel Oberösterreich zeigt: Das Land behält seine Minderheitsbeteiligung am Neurologischen Therapiezentrum Gmundnerberg und am Reha-Zentrum Enns, verbunden mit erweiterten Mitspracherechten und Vorkaufsoptionen. Auch die vorübergehende Beteiligung der Porr AG und die noch ausstehende Entscheidung über die Kinder- und Jugendreha St. Veit unterstreichen die Bedeutung regionaler Strukturen. Vamed selbst verweist auf die langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Einrichtungen im österreichischen Reha-Sektor. Die Vamed -Care-Einrichtungen operieren seit über zwei Jahrzehnten unter privater Mehrheitsbeteiligung – ein Modell, das die Vereinbarkeit von privatwirtschaftlichem Engagement und öffentlichem Versorgungsauftrag demonstriert.

Der Vamed-Fall steht sinnbildlich für tiefgreifende Veränderungen im österreichischen Reha-Markt und Gesundheitssystem insgesamt. Er markiert die wachsende Bedeutung privater Investoren in einem Bereich, der lange von öffentlichen Strukturen geprägt war. Die Herausforderung liegt dabei in der Balance zwischen ökonomischer Effizienz und den Prinzipien eines solidarischen Versorgungssystems. Private Anbieter können Innovationskraft und Modernisierung fördern, bergen jedoch die Gefahr, durch Kommerzialisierung soziale Gerechtigkeit und Versorgungsqualität zu gefährden. Der Reha-Markt, als wesentlicher Bestandteil des Gesundheitswesens, zeigt exemplarisch, wie ein integratives Modell entstehen könnte, das öffentliche und private Stärken strategisch verbindet.

Der Druck auf öffentliche Budgets fördert die Einbindung privater Akteure, doch bleibt es entscheidend, dass Patientenwohl und soziale Verantwortung nicht Marktmechanismen untergeordnet werden. Der Vamed -Fall könnte dabei als Wendepunkt wirken – entweder als Impulsgeber für Reformen oder als Warnsignal für Fehlentwicklungen. Für den österreichischen Reha-Markt gilt: Nur durch kluge Regulierung und einen kontinuierlichen Dialog kann ein System entstehen, das Innovation, Effizienz und Solidarität vereint. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob Österreich diese Balance findet.

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