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DGIV-BundeskongressMehr Engagement für integrierte Versorgung

Der 14. Bundeskongress der Deutschen Gesellschaft für Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen e.V. (DGIV) hat am 7. Dezember 2017 stattgefunden – und viele kritische Stimmen zum Stand der integrierten Zusammenarbeit im Gesundheitswesen waren zu hören.

Fotolia / pressmaster

Am Kongresstag sorgte nach Prof. Dr. Stefan G. Spitzers Eröffnung Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks, Freie und Hansestadt Hamburg, für einen sehr gelungenen Auftakt der Veranstaltung, in dem sie auch mit kritischen Worten nicht sparte. Insbesondere regte sie an, nicht länger nur mit kleineren integrierten Versorgungsmodellen zwischen den Sektoren zu agieren, da dadurch nichts Grundlegendes an der sektoralen Trennung geändert werden könne. Sie schlug einen grundsätzlichen Neustart zur Überwindung der Sektorengrenzen vor.

Vorträge

Prof. Dr. Guido Noelle, gevko GmbH, setzte sich mit der Frage auseinander, wie man mit digitalen Gesundheitsanwendungen Wirksamkeit und medizinische Qualität sichern könne und betonte das zunehmende Potenzial digitaler Gesundheitsanwendungen in Bezug auf Service, Compliance, Nutzen / Qualität und Wirtschaftlichkeit von Prozessen, Diagnostik und Therapie. Ministerialdirektor Harald Kuhne, BMWi, widmete sich dem interessanten Thema, inwieweit die Digitalisierung die Herausforderungen in der Gesundheitswirtschaft lösen könne.

Er sprach sich u. a. für eine zentrale staatliche Stelle für Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft und die Schaffung einer gemeinsamen Plattform für eHealth-Strategie aus und bezeichnete die elektronische Patientenakte als einen zentralen Ankerpunkt. Dr. Eberhard Thombansen, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH, stellte ein gemeinsames Vernetzungsprojekt von AOK Nordost, SANA und VIVANTES und dessen vielfältige Vorteile für Patienten und Netzwerkpartner vor.

Ingo Kailuweit, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der KKH, sprach über Chancen und Risiken der Digitalisierung für den Datenschutz und stellte dabei kritisch fest, dass Datenschutz immer noch vor Patientenschutz stehe. Um den Nutzen für die Patienten stärker zu berücksichtigen, sollten (datenschutzrechtliche) Restriktionen dort, wo nötig, soweit wie möglich aufgelöst werden.Dr. Andreas Gassen, KBV, referierte über Perspektiven für Vertragsärzte in der sektorenübergreifenden Versorgung. „Dynamik in beide Richtungen” wünscht er sich beim Abbau von Sektorengrenzen.

Zeitnahe Weiterentwicklungen

„Es gibt mal geballte Kompetenz in den Kliniken, mal in den Praxen”, meinte Gassen. Notwendig sei der Abbau der Grenzen zwischen den Sektoren und in den Köpfen der beteiligten Leistungserbringer. Prof. Dr. Volker Ulrich, Universität Bayreuth, ging in seinem Vortrag auf den weltweiten Spitzenplatz des deutschen Gesundheitswesens ein, der aber auch durch die Probleme der Sektorentrennung und eine fehlende Vernetzung gekennzeichnet sei. Im Gesundheitswesen fehle es an notwendigen Prozessoptimierungen, auch bei der intersektoralen Leistungserbringung.

Hier müssten zeitnah Weiterentwicklungen erfolgen. Prof. Dr. Günter Neubauer, Institut für Gesundheitsökonomik München, stellte kritisch heraus, dass Deutschland stationär überversorgt und ambulant-tagesklinisch unterversorgt sei. Hier seien Einspareffekte in Milliardenhöhe erzielbar. Dafür sei eine entsprechende Veränderung des Entgeltsystems und eine Öffnung der stationären Versorgung erforderlich.

DGIV-Innovationspreis

Der DGIV-Innovationspreis 2017 wurde an Dr. Carolin Auschra für die Arbeit zum Thema „Sektoren- und professionsübergreifende (Nicht-)Integration von Gesundheitsversorgung – ein Beitrag zur Organisations- und Netzwerkforschung” sowie an Lisa Schlicht für ihre Arbeit „Notwendige politische Rahmenbedingungen für die elektronische Patientenakte in Deutschland” verliehen.

Workshops

Der Nachmittag der Veranstaltung begann mit zwei Parallelworkshops. Dr. Birga Maier, Berliner Herzinfarktregister e. V., sprach zur Notfallversorgung von Herzinfarktpatienten; Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, Universität Greifswald, setzte sich mit der künftigen Aufgabenverteilung von Pflegefachkräften und Hausärzten in der ambulanten Demenzversorgung auseinander.

Prof. Dr. Leonie Sundmacher, LMU München, sprach zum Thema Accountable Care in Deutschland durch Vernetzung und informierten Dialog und Alexander Fischer, Gesundheit für Billstedt/Horn UG, stellte die Implementierung eines integrierten Versorgungsmodells in einer großstädtischen Region vor.

Im Workshop II sprach RA Prof. Dr. Thomas Schlegel, Kanzlei für Medizinrecht Frankfurt, über die sektorenübergreifende Bedarfsplanung in den Ländern, nahm Prof. Dr. Erik Hahn, Hochschule Zittau / Görlitz, eine kritische Bestandsaufnahme zum Thema Telemedizin und Fernbehandlungsverbot vor und analysierte Mathias Fünfstück, KPG Expert PartG, die Pflegereform 2017 hinsichtlich bestehender Optionen für die Integrierte Versorgung.

DGIV e.V.

Die Deutsche Gesellschaft für Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen e.V. (DGIV) ist ein deutschlandweit agierender Verein mit der Zielsetzung, die Integrierte Versorgung in der medizi-nischen, pflegerischen und sozialen Betreuung als Regelfall durchzusetzen. Die DGIV wurde am 26. September 2003 in Berlin gegründet. Ziel der Gründungsmitglieder war es, die Integrierte Versorgung als alternative Versorgungsform zur damaligen Regelversorgung zu entwickeln und letztendlich durchzusetzen.