
„Die Förderpötte stehen bereit“, erklärt Dr. Pia Wieteck, Leiterin der Abteilung Forschung und Entwicklung bei RECOM. Die „Digitalisierung in der Pflegeprozessdokumentation“ – so der Titel – stellt eine wegweisende Weichenstellung für Kliniken dar. Einer der Gründe, sich besser heute als morgen zu transformieren, sind die im Krankenhauszukunftsgesetz ausgelobten Fördermittel. Und eine der zentralen Herausforderungen beim „Projekt Digitalisierung“: eine standardisierte, granulierte Terminologie zu definieren.
Die Pflegewissenschaftlerin stellt fest, dass sich Umfang und Qualität der Pflegeprozessdokumentation zwischen den Einrichtungen stark unterscheiden: manche Kliniken führen etwa eine Pflegediagnostik durch, andere nicht; teils werden die Pflegeziele gemeinsam mit den Patienten konzertiert, teils nicht. Außerdem identifiziert Wieteck eine unterschiedliche Granularität der Beschreibungen innerhalb der Prozessdokumentation. Die Bandbreite reicht hier von allgemeinen, globalen Beschreibungen („Ganzkörperwaschung“) bis zu ausdifferenzierten, detaillierten Beschreibungen („Basal stimulierende belebende Körperwaschung“). Zudem werden in der Pflegediagnose neben beispielsweise den Terminologien NANDA (Pflegediagnosen), ENP (Pflegediagnosen, -ziele und -maßnahmen in Form von Praxisleitlinien), ICNP (postkombinatorisches System zur Abbildung von Pflege), BAss (Anamnese-Terminologie) und anderen Klassifikationssystemen häufig eigene Formulierungen verwendet.
Mut zur Genauigkeit
Angesichts dessen plädiert Wieteck dafür, die verbreitete Scheu vor zu viel Bürokratie abzulegen und auf eine adäquate Dokumentation zu setzen: „Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass ein gehobenes Granularitätsniveau den Outcome beim Patienten steigert und die evidenzbasierte Handlungsfähigkeit des Personals erhöht. Dieses profitiert durch einen Transfer konkreter pflegewissenschaftlicher Inhalte in den beruflichen Alltag.“ Die Anforderung einer fundierten Pflegediagnostik, welche die Komponenten „Problem“, „Ätiologie“ und „Symptom“ umfasst, ergibt sich auch aus der 2020 reformierten Ausbildungs- und Prüfungsordnung für angehende Pflegerinnen und Pfleger, die den Kompetenzfaktor im pflegediagnostischen Prozess hervorhebt.
In der Prozessdokumentation eine einheitliche, präzise Sprache zu sprechen, vereinfacht und beschleunigt die alltägliche Arbeit mit dem Patienten und ermöglicht, den Pflegeprozess optimal evaluieren und steuern zu können. Andererseits handelt es sich um eine Voraussetzung dafür, dass zwischen verschiedenen Einrichtungen und – in die Zukunft geblickt – grenzüberschreitend Daten nahtlos transferiert und genutzt werden können. „Die Forschungsliteratur fordert hier eine syntaktische und semantische Interoperabilität, damit umständliche Interpretations- und Übersetzungsprozesse überflüssig werden“, sagt Wieteck. Zudem sind die im Krankenhauszukunftsgesetz beschriebenen Förderungen an eine syntaktische und semantische Interoperabilität geknüpft (Fördertatbestand 3). Zur Erklärung: Während die syntaktische Ebene einen Fit hinsichtlich der Erkennung von Informationen beschreibt, handelt es sich bei der semantischen Ebene um ein identisches Verständnis dieser Informationen.
Pflege sichtbar machen
Bei allen genannten Vorzügen darf der Effekt einer professionellen pflegerischen Prozessdokumentation auf Gesellschaft und Politik nicht vernachlässigt werden. „Durch fest verankerte Qualitätsindikatoren werden die Werte der Pflege klarer benennbar und sichtbar – was die Stellung der Pflege im Ganzen stärkt“, erklärt Wieteck. Zudem steigt die Attraktivität des Pflegeberufs durch die einhergehende Professionalisierung – so können aktuell tätige Fachkräfte besser gehalten und bereits ausgestiegene zurückgewonnen werden. Wieteck zitiert vor diesem Hintergrund eine Studie von Scharfenberg aus dem Jahr 2016, nach der die fehlende fachliche Anerkennung ein zentraler Grund ist, warum Pflegende nicht mehr in ihrem Beruf tätig sein wollen; etwa neben dem Zeitdruck und dem Personalmangel, die sich durch eine fundierte Prozessdokumentation ebenfalls besser identifizieren und zielgerichtet managen ließen.
Die Frage „Wo wollen wir gemeinsam hin?“ kann also mit dem roten Faden einer standardisierten Terminologie für die elektronische Prozessdokumentation beantwortet werden. Und mit der Bereitschaft, eigene Prozesse aktiv zu hinterfragen und anzupassen. RECOM unterstützt Kliniken und Pflegeeinrichtungen dabei, den anspruchsvollen Weg vom Hauskatalog hin zur validen, standardisierten Terminologie einzuschlagen. Etwa durch ein Mapping – inklusive kontinuierlicher Pflege – mit der Terminologie Snomed CT, die weltweit immer mehr Unterstützer gewinnt und auch von staatlicher Seite als Referenzterminologie favorisiert wird. Und mit Tools, die Daten intelligent miteinander verknüpfen und so den Alltag auf der Station smarter gestalten. Die Transformation kann jetzt starten.
