
Was haben Ihnen die aktuellen Entwicklungen in der anhaltenden Corona-Pandemie aufgezeigt?
Dr. Spinner: Die Pandemie hat die Schwächen der Kliniken in der Organisation von Prozessen und der Dezentralisierung aufgezeigt. Eine Digitalisierung konnte nicht ad hoc gelingen, auch weil Interoperabilitätsgrundlagen vielerorts fehlen. Als wir unsere Impf-Softwarelösung entwickelt haben, wussten wir zum Beispiel noch gar nicht wie die Schnittstellen-Spezifikation zur Übermittlung der Impfdaten an den Bund aussieht. Daher kamen klassische und agile Methoden zum Einsatz. Wir haben auf etablierte Funktionen unserer offenen Softwarelösung zurückgegriffen und sie neu aufbereitet, um die Patient Journey „Impfungen“ abzubilden. Unser Fazit: Die Akteure im Gesundheitswesen müssen in agile Lösungen und Entwicklungskomponenten investieren!
Inwieweit wird Ihrer Meinung nach die Digitalisierung die Impfstrategie beeinflussen?
Dr. Spinner: Es gibt bereits eine Initiative in Bayern, die den ersten Block-Chain gesicherten digitalen Impfpass zeitnah bereitstellt und auch andere Länder denken über einen digitalen Impfpass nach. Der e-Impfpass in Deutschland ist kurz vor dem Ziel – jetzt wäre die richtige Gelegenheit ihn zu priorisieren. Ich bin sicher, wenn die Reisefreiheit zukünftig von der Impfung abhängt, wird die Bereitschaft für eine SARS-CoV-2-Impfung steigen. Diese Art von Regulierung wird übrigens gar nicht unbedingt innerhalb von Deutschland entstehen, sondern von außen mit vorgegeben.
Wie hat sich die digitale Transformation für die IT während der Pandemie am MRI entwickelt?
Henkel: Wir sind seit 2019 im digitalen Umbauprozess – auch unserer derzeitigen „elektronischen“ Patientenakte. Dabei unterstützen wir intern die einzelnen MRI-Kliniken individuell mit IT-Verfahren und Digitalisierungswerkzeugen, bei gleichzeitigem Bemühen um die Standardisierung. Erst langsam lässt sich eine durchgängige Digitalisierungsstrategie nachhaltig einführen. Denn Umsetzung bedeutet: Die eigenen Prozesse zu hinterfragen und sich als Nutzer von Werkzeugen miteinzubringen und sie mitzugestalten. Die IT allein kann diese Prozesse nicht umsetzen. Es ist entscheidend, dass wir interdisziplinär mit allen Berufsgruppen (Matrix orientiert) an den digitalen Prozessveränderungen arbeiten.
Was waren weitere Learnings aus der Pandemie?
Dr. Spinner: Die Pandemie hat uns auch an dieser Stelle gezeigt: Während fast alle Häuser eine individuelle Notfallplanung bei unvorhergesehenen Busunfällen etc. als Katastrophenpläne haben, hatten nur wenige Häuser aktualisierte Pandemiepläne. Dieses Szenario wurde als so unwahrscheinlich eingestuft, dass man sich darüber nur nachrangig Risikogedanken gemacht hat. Umso wichtiger ist es – gerade mit Blick in die Zukunft – IT-Gefährdungspotenziale nicht zu unterschätzen und sie in Katastrophenpläne aufzunehmen. Hier sind viele – wie auch wir – noch in frühen explorativen Stadien und suchen nach geeigneten Wegen und Strategien.
Was sind weitere Stationen der Transformationsreise des MRIs?
Dr. Spinner: Wir entwickeln uns im Medizinbereich hin zu cloudbasierten Plattformstrategien, so dass die Mitarbeiter – wie ich selbst – auch von zuhause arbeiten können. Gleichzeitig können Patienten ihre Behandlung online beginnen und mit Telemedizinunterstützung fortführen. Damit stellen wir eine einheitliche Betreuung über Plattformen hinweg bereit. Für uns intern steckt dahinter die Entwicklung zu einem Clinical Data Warehouse mit einem möglichst interoperablem Datenspeicher, in dem wir dann mit Kostenträger und Patienten interagieren können. Zukünftig werden wir eine unzählige Anzahl an Applikationen und Mehrwertfunktionsdiensten bereitstellen müssen. Hierbei liegt die Kernherausforderung darin, auch die Nutzerfreundlichkeit zu erhalten.
Was zeichnet Ihr Tandem als Führungsspitze IT (CIO) und Medizin (CMIO) aus?
Henkel: Wir lernen gegenseitig viel über die interne Fachsprache des anderen Bereichs und übersetzen uns die Denkweisen. Ich übersetze medizinische Anforderungen in die IT hinein und umgekehrt verstehen wir besser, wo wir für die Ärzte und Pflege nachbessern müssen. Für den Anwender bedeutet es, dass eine ideale Oberfläche einen durchgängigen Datenfluss gewährleistet, so dass alle – Fachbereiche und Patienten – mit den Patientendaten digital interagieren können.
Dr. Spinner: Eine IT-Strategie ist nicht zwangsläufig mit der Unternehmensstrategie deckungsgleich. Wir sorgen für die Wahrnehmung, dass unsere IT-Abteilung nicht nur aus einem Rechenzentrum besteht, sondern eine wesentliche Entwicklungskompetenz für das Unternehmen darstellt und informationstechnologische Möglichkeiten medizinische Prozesse mitbestimmen. Dazu brauchen wir die enge Verknüpfung und den fachsprachlichen Austausch untereinander.
Neben der stärker forcierten Digitalisierung, was sind Ihrer Meinung nach essentielle Parameter für Kliniken, um 2021 erfolgreich zu sein?
Henkel: Wir setzen in der IT-Strategie auf Interoperabilität. Mit Entwicklungen wie dem Termin-Self-Service schaffen wir digitale Strukturen und zeigen, wie wir bereits bestehende Prozesse integrieren. So setzen wir Leitplanken dafür, wie wir mit den Vorgaben des KHZG umgehen. Das KHZG adressiert und unterstützt hierbei die IT: Durch die Förderung konkreter Digitalisierungsziele können wir Instrumente besser und zielgerichteter einsetzen.
Die medizinischen Einrichtungen müssen mehr Hoheit über eigene Daten erlangen, indem die Daten nicht in Informationsmodellen von Anbieterlösungen gefangen sind, sondern mehr Gestaltungsmöglichkeit bei der Benutzeroberfläche bekommen, sodass gemeinsame Entwicklungen mit Softwareanbietern wieder zugelassen werden. Das ist für uns Experten nur möglich, wenn wir mit mehreren Lösungen, die Querschnittsfunktionen abdecken, hinter einer Plattform auf die Themen Interoperabilität und Integration der vorhandenen Lösungen setzen. Hierbei geht es nicht darum viele IT-Verfahren zu kombinieren, sondern die richtigen mit ihren Stärken zu kombinieren.





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