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InterviewDarauf kommt es bei der Krankenhaustechnik 4.0 an

Cord Brüning, Präsident der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Krankenhaustechnik e.V., erklärt im Gespräch, worauf es bei der Krankenhaustechnik 4.0 ankommt.

Krankenhaustechnik
AdobeStock/Theerapong
Krankenhaustechnik

Was verstehen Sie unter Krankenhaustechnik 4.0?

Die Digitalisierung der Krankenhaustechnik beschränkt sich bislang überwiegend auf einzelne Anwendungen wie beispielsweise die Steuerung der Technik. Auf diese „Krankenhaustechnik 3.0“ folgt mit der Version 4.0 die Vernetzung. Wir sollten die Krankenhaustechnik 4.0 aber nicht auf die Technologie reduzieren, auf die vielen Schnittstellen, Software-Lösungen oder Geräte, die wir in Zukunft benötigen. Viel wichtiger ist es, über neue Herangehensweisen zu diskutieren und nicht nur zu reden. Die Vernetzung eröffnet uns neue Möglichkeiten, Prozesse zu verändern. Wir müssen neu denken und das Bewährte hinterfragen: Was ist gut und was muss sich bei den Schnittstellen zu anderen Systemen verändern? Ein spannendes Thema, das mich schon seit geraumer Zeit interessiert, und zu dem es auch wenig verlässliche Empfehlungen gibt.

Wie ist der aktuelle Stand?

Es gibt zum Beispiel schon Anwendungen in der Praxis für die Verwendung von vernetzter Information zur Verbrauchssteuerung. Über den Zugriff auf Daten und Technik im Bereich Energieoptimierung wie beispielsweise Gebäudedaten, die Informationen weiterer Liegenschaften und die Wettervorhersage lassen sich mit komplexer Software und geringem materiellen Aufwand erhebliche Einsparungen erzielen. Und es gibt schon seit Jahren die Vernetzung der medizintechnischen Geräte. Immer mehr Geräte werden angebunden, aber meiner Meinung nach noch zu wenige. Schon heute könnten Daten dieser Geräte ausgelesen werden, um nicht nur technisch nützliche Schlussfolgerungen vorzubereiten. Diese Daten wären hilfreich für die Investitionsplanung, für Reparaturen oder für die vorbeugende Wartung. Aber an dieser Stelle sind wir noch nicht so weit. Außerdem warten wir im Krankenhaus immer auf Bewährtes, und davon gibt es naturgemäß bei Innovationen kaum etwas.

Worauf kommt es jetzt an?

Die Geschäftsführer erwarten von uns Technikern, dass wir das Krankenhaus betriebsbereit halten, und das möglichst wirtschaftlich. Angesichts von Investitionsstau und geringem Investitionsbudget sollten wir jetzt nicht auf Insellösungen setzen, von denen wir nicht wissen, ob sie sich bewähren, oder in ein paar Jahren zurückgebaut oder mit großem Aufwand instand gehalten werden müssen. Greifen wir lieber auf Bewährtes wie die Systemgebäudeleittechnik oder CAFM-Systeme (Anm.: Computer-Aided Facility Management) zurück, um schon jetzt die tief hängenden Früchte zu ernten. Die Fragen, die wir Techniker uns stellen sollten: Wo können wir durch Vernetzung mit möglichst geringen Investitionen oder sogar mit dem Vorhandenen schnell sichtbare Erfolge erzielen? Was lässt sich auf Basis von Transparenz sparen oder wenigstens reduzieren? Mit welchen Prozessen können wir die Arbeit in der Technik vereinfachen? In welchen Bereichen können wir mobiler werden, sprich Daten aus der Technik durch Vernetzung besser zusammenführen, um produktiver zu werden? Das Smartphone hat uns daran gewöhnt, dass bestimmte Daten in Sekundenschnelle zur Verfügung stehen. Wir stehen vor einer ähnlichen Herausforderung, wenn wir die vielen Datenquellen der Krankenhaustechnik vernetzen, um sie den Technikern und am Ende auch den Nutzern auf Station oder in den Funktionsbereichen zur Verfügung zu stellen. Ich bin der Auffassung, dass wir mit den vorhandenen Mitteln eine ganze Menge erreichen können.

Welche tief hängenden Früchte können Sie mit Krankenhaustechnik 4.0 ernten?

Da gibt es zwei Felder: einmal die Verbesserung der Prozesse der technischen Abteilung selbst, also der Instandhaltung, bei der sich durch „4.0“ immense Fortschritte erzielen und Potenziale freisetzen lassen. Gibt man aufgeschlossenen Mitarbeitern die Möglichkeiten die Kompetenzen zum Verändern, lassen sich tatsächlich Sicherheit und Wirtschaftlichkeit verbessern. Aber zusätzlich gebe ich Ihnen ein Beispiel für die Verknüpfung technischer und medizinischer Daten: Mobile Ultraschallgeräte lassen sich mittels WLAN oder RFID ständig lokalisieren. Krankenhaustechnik 4.0 bedeutet nicht nur, dass wir diese Geräte rund um die Uhr tracken können.

Durch Auslesen der physikalischen Parameter erfahren wir, ob ein Gerät bis an seine Belastungsgrenze oder eher im Stand-by genutzt wird. Außerdem könnten wir erfahren, welcher Arzt wann und wo welches Gerät nutzt, und können daraus Rückschlüsse auf die Nutzungscharakteristika vieler Ultraschallgeräte ziehen. Dabei stellt sich vielleicht heraus, dass ein Ultraschallgerät hauptsächlich von einem Arzt für seine zeitlich eng begrenzte Sprechstunde genutzt wird, während ein anderer Arzt auf demselben Flur zu anderen Zeiten ein vergleichbares Ultraschallgerät bevorzugt, und dass beide nur eher einfache Untersuchungen durchführen. Für die Investitionsplanung haben wir damit schnell belastbare Informationen zur Hand. Das kann bedeuten, dass diese Station in Zukunft nicht zwei Geräte, auch kein Highend-Gerät mehr benötigt, sondern nur eine einzige Basic-Version. Somit lässt sich nicht nur der Aufwand für den klinischen Betrieb reduzieren, sondern der Kapitalbedarf insgesamt senken.

Das hört sich alles einfach an.

Es handelt sich um größere und langfristige Vorhaben. Schon für den ersten Schritt benötigen wir dazu etwas mehr Sensorik am Gerät, Schnittstellen und eine Plattform, über die wir auf diese Daten zugreifen können. Letztendlich sollen der Arzt, der Medizincontroller, der Kaufmann für seine Investitionsplanung, der Techniker für die Prüfung und eventuell die Fremdfirma für die Reparatur oder Unterstützung bei Fehlern aus der Ferne auf die Daten zugreifen können.

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