
Andreas Haas sorgt für kleine Fluchten. Mit dem Boot über den Bodensee, zu Fuß über die grüne Wiese – per virtueller Realität (VR) entführt sein Start-up Anders VR Klinikpatienten und Menschen mit eingeschränkter Mobilität in die Natur. Die Technik des Spin-Offs der Universität Hohenheim in Stuttgart ermöglicht ihnen, das Krankenzimmer für eine gewisse Zeit zu vergessen, und verspricht so mehr Lebensqualität. Die selbstlernende App könne helfen, psychische Belastungen bei Patienten auszugleichen, den Medikamenten-Einsatz in Kranken- und Pflegehäusern zu senken und Patienten körperlich und geistig zu aktivieren, ist das Gründer-Team um Andreas Haas überzeugt.
So vielfältig wie die virtuellen Naturerlebnisse der Stuttgarter, die vom Bundeswirtschaftsministerium und dem Europäischen Sozialfonds gefördert werden, ist die gesamte Branche. Überall im Land wagen sich neue Healthcare-Start-ups auf den Markt, gefördert von diversen Acceleratoren, Incubatoren, Hubs und Investoren. Der Berliner Digital Health Accelerator etwa kümmert sich seit Herbst 2017 um digitale Lösungen für den Klinikalltag. Das Projekt der Charité und des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung (BIH) unterstützt u. a. ein Team um den Charité-Mediziner Dietmar Frey, das ein Simulationsprogramm zur individuellen Schlaganfallprognose entwickelt hat. Dabei werden klinische und persönliche Daten der Nutzer berücksichtigt. Zusätzlich soll die Wahl der individuell optimalen Behandlungsstrategie zur Schlaganfallprävention ermöglicht werden.
Bei gleich zwei anderen Anwendungen steht Künstliche Intelligenz im Mittelpunkt: Während ein Team um Marc Dewey mit ihrer Hilfe klinische Informationen und radiologische Bilddaten analysiert, um bei Patienten das individuelle Risiko für Herzerkrankungen vorherzusagen, wollen Alexander Meyer vom Deutschen Herzzentrum Berlin und seine Mitstreiter die Versorgung von Patienten auf Intensivstationen verbessern. Ihre Anwendung soll dazu beitragen, postoperative Vorfälle wie innere Blutungen oder Nierenversagen individuell vorherzusagen und proaktiv vermeiden zu können.
Test im Echtbetrieb
Als Brutkasten für Digital-Health-Produkte versteht sich auch der Berliner Flying Health Incubator (FHI), der jährlich drei bis fünf neue Start-ups aufnimmt und aktuell neun Firmen fördert. Dazu gehören zum Beispiel mySugr, das Diabetiker unterstützt, und die App M-Sense, die Auslöser von Migräneattacken analysiert und mobile Therapien zur Vermeidung von Attacken anbietet. „Wir bringen die Gründer gezielt mit Partnern aus der Industrie und der Gesundheitswirtschaft zusammen“, sagt FHI-Mitgründer und Geschäftsführer Markus Müschenich.
Die frischen Ideen faszinieren auch die Krankenkassen. Fünf von ihnen, die zusammen für gut drei Mio. Versicherte stehen, betreiben seit vergangenem Herbst den neuen Healthy Hub. Die Initiative will Start-ups helfen, sich im Markt der gesetzlichen Krankenversicherung zu etablieren. Dafür bietet sie den Gründern die Möglichkeit, ihre Lösungen ein Jahr lang im Echtbetrieb einer Krankenkasse zu testen. Gefragt sind digitale Ideen, die Nutzen für die Patienten versprechen und helfen, ein Versorgungsproblem zu lösen oder eine Behandlung zu verbessern. 15 der rund 80 Bewerber durften einer Jury ihre Konzepte präsentieren – maximal fünf von ihnen werden ausgewählt, mit einer der Kassen ein Pilotprojekt umzusetzen.







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