
IT-Lösungen für digitales Entlassmanagement werden heutzutage auf einem eigenständigen Markt angeboten, der sich vom Produktmarkt für das digitale Aufnahme- und Behandlungsmanagement unterscheidet. Es handelt sich daher jeweils um ein eigenständiges Fachlos im Sinne von Paragraf 97 Abs. 4 GWB. Das hat die Vergabekammer Nordbayern entschieden (bestandskräftiger Beschluss vom 23.03.2023 – RMF-SG21-3194-8-6).
Der Fall
Eine Klinik plante die Einrichtung eines klinikweiten Patientenportals. Hierzu schrieb sie einen Vertrag für die Lieferung und Bereitstellung eines IT-Systems aus, welches ein digitales Aufnahme- und Behandlungsmanagement, sowie ein Entlassmanagement umfassen sollte. Im Vergabevermerk hielt die Klinik fest, dass die Leistung nicht teilbar sei, da kein eigener Markt mit spezialisierten Fachunternehmen für einzelne Leistungsteile bestehe. Eine nähere Markterkundung dokumentierte die Klinik nicht. Ein Anbieter für digitales Entlass- und Übernahmemanagement lässt nach erfolgloser Rüge von der Vergabekammer überprüfen, ob diese Gestaltung der Ausschreibung rechtmäßig ist.
Die Entscheidung
Die Nachprüfung ist erfolgreich. Die Vergabekammer kommt zu dem Ergebnis, dass es einen eigenständigen Markt für das Entlassmanagement gibt. Aufgrund der gesetzlichen Änderungen in den letzten Jahren habe sich im Bereich Entlassmanagement eine Art „Start-Up-Szene“ gebildet. Während beim Aufnahme- und beim Behandlungsmanagement als Nutzer die Mitarbeiter des Krankenhauses und die Patienten im Fokus stehen, richte sich das Entlassmanagement an die Klinikmitarbeiter. Zudem konnte die Kammer in den zehn bereits eingereichten Teilnahmeanträgen kein Unternehmen finden, das die Patientenportalsoftware eindeutig „aus einer Hand“ geliefert hätte, also ohne Nachunternehmer für das Entlassmanagement. Die Entscheidung der Klinik gegen die Ausschreibung in verschiedenen Fachlosen ist daher von unzutreffenden Erwägungen getragen und schon deshalb rechtswidrig, so die Kammer.
Die Folgerungen
Kliniken sollten IT-Lösungen für das Entlassmanagement vergaberechtlich künftig als Fachlos betrachten. Mehrere Fachlose dürfen nur dann zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern (Paragraf 97 Abs. 4 GWB; Paragraf 22 Abs. 1 UVgO). Für die Vergabekammer gab es aufgrund der Vermerklage bei der Klinik keinen Anlass, derartige Gründe in der hier besprochenen Entscheidung näher zu untersuchen.
Ergänzung der Redaktion:
Die rechtliche Überprüfung der Vergabepraxis hatte das Software-as-a-Service-Unternehmen Recare beantragt. Geschäftsführer Maximilian Greschke zeigt sich zufrieden mit der Entscheidung und glaubt an eine Signalwirkung für den Markt. Die Erfahrungen des letzten Jahres hätten gezeigt, „dass diese spezialisierte Lösung mit besserer Qualität, schnellerer Implementierung und zum Schluss auch kostengünstiger für Kliniken ohne große Gesamtausschreibung angeboten werden kann“, heißt es in einer Presseerklärung des Unternehmens.





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