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kma im InterviewLivedatenplattform ermöglicht Bettenaufbereitung per Echtzeitanalyse

Digitale Innovationen können eine große Arbeitserleichterung für das Pflege- und Servicepersonal sein. Die Livedatenplattform für Prozess- und Ressourcenoptimierung von simplinic ist ein gutes Beispiel dafür, denn sie ermöglicht Steuerung und Lokalisierung in Echtzeit. Im Gespräch mit kma erklärt Steffen Geyer, Gründer und Geschäftsführer des Berliner Unternehmens, wie das funktioniert.

Steffen Geyer
simplinic
Steffen Geyer ist der Gründer und Geschäftsführer des Berliner Start­ups simplinic GmbH, das sich der Echtzeitlokalisation im Kranken­haussektor verschrieben hat.

Wie kommt man darauf, Spezialist in Sachen Echtzeitlokalisierung zu werden und eine Livedaten-Plattform für die Prozess- und Ressourcenoptimierung im Kliniksektor zu entwickeln?

Wir sind nicht ganz unbefleckt. Vor simplinic haben wir viel im Bereich Logistik, etwa die innerstädtische Flottenoptimierung für Lieferservices gemacht. Da ging es darum, bedarfsorientiert zwischen vielen Abhol- und Lieferpunkten bestmöglich zu koordinieren. Wenn man einem solchen logistischen Chaos Herr werden will, benötigt man Livedaten. Im Krankenhaus ist das sehr ähnlich, weil wir auch hier ein sich ständig veränderndes Umfeld haben und Planung schnell zur Makulatur wird. Wenn Sie dort effizient Prozesse steuern, kontrollieren und auslösen wollen, benötigen Sie ebenfalls Livedaten.

Im Kern war das für uns ein sehr interessanter Ansatz – zumal im Krankenhaus, im Gegensatz zu anderen Industrien, ein erheblicher Nachholbedarf im Bezug auf technologische Möglichkeiten besteht. Kombinieren Sie jetzt die bestehenden Herausforderungen der steigenden Arbeitsverdichtung bei gleichzeitigem Ressourcen­mangel mit dem Verbesserungspotenzial durch Technologie, dann ist der Gesundheitssektor ein hochspannendes Umfeld. Das Schönste jedoch ist, dass man das Rad nicht komplett neu erfinden muss. Die Transferleistungen aus anderen Industrien sowie gezielte Anpassungen erprobter Konzepte an den Klinikalltag machen den Unterschied.

Wie funktioniert Ihre Plattform?

Wir setzen auf ein umfängliches Livedatenkonzept. In diesem Kontext ist es wichtig zu verstehen, was genau Live­daten sind. Wir reden hier nicht von langweiligen Datenbankauswertungen, sondern von Informationen, die mir an Ort und Stelle unterstützend zur Verfügung gestellt werden. Entscheidend ist, dass erst die Kombination von Lokalisierungs- und Statusdaten eine wirklich relevante Information für eine Prozessunterstützung ist. Car-Sharing Services in den Großstädten zeigen Ihnen ja auch nicht nur den Standort der Autos an, sondern vermitteln Ihnen zusätzlich Informationen über die aktuelle Verfügbarkeit wie z. B. Tankfüllstand oder ob das Auto überhaupt frei ist.

Für die Lokalisierung setzen wir auf Bluetooth Low Energy Technologie, die es uns zusätzlich ermöglicht, bi­direktional Daten auszutauschen. Unsere speziell für Krankenhäuser entwickelte Infrastruktur ist daher in der Lage, mit jedem bluetoothfähigem Gerät zu kommunizieren und es zu lokalisieren. Das funktioniert ähnlich wie ein GPS. Geräte, die über kein internes Bluetooth Modul verfügen, werden mit kleinen Sendern versehen. Diese sind lange genug haltbar, so dass sie einfach bei der normalen medizintechnischen Wartung ausgetauscht werden. Diese Technik ist mittlerweile so ausgereift, dass das Infrastrukturnetz bzw. die Lokalisierung kein Problem mehr ist.

Da wir als Softwareanbieter nicht vom Hardwareverkauf abhängig sind, können wir diese auch sehr günstig anbieten. Auf der Lokalisierung aufbauend, nutzen wir die generierten Informationen in unterschiedlichen logistischen Prozessen. So informieren wir z. B. das Reinigungsteam über den genauen Aufenthaltsort von unreinen Betten oder steuern die Medizintechnik raumgenau zu den prüfungsfälligen Geräten.

Man kann damit also nicht nur Geräte lokalisieren, sondern auch Prozesse optimieren und effizienter gestalten. Können Sie das etwas genauer erklären?

Bleiben wir beim Thema Bettenmanagement. Wenn Sie etwa den Entlass­reinigungsprozess unterstützen wollen, benötigen Sie Echtzeitinformationen der zu entlassenden Patienten und Betten. Der Aufenthaltsort der Betten sowie die Information, ob diese rein, unrein, belegt, infektiös oder sogar kaputt sind, ist hier relevant. Zudem wollen Sie wissen, wie lange die einzelnen Stationen schon auf die Reinigung warten. Wir generieren und verarbeiten all diese Informationen in Entscheidungsalgorithmen, um der Reinigung die perfekte Route vorzugeben.

Ist ein Bett gereinigt, markiert die Reinigung dies mit einem Klick auf dem Mobil­telefon. Diese Information wird dann Live in die Systeme bzw. an alle Prozessbeteiligten gespielt. Alles ist transparent und kann sofort nachvollzogen werden. Bisher mussten Reinigungskräfte auf der Suche nach unreinen Betten entweder rumtelefonieren oder in Runden durch das Haus laufen. Dass dies hochgradig ineffizient ist, liegt auf der Hand. Im Ergebnis haben wir mit der Optimierung der Routen die durchschnittliche Servicezeit um bis zu 40 Prozent reduziert. Durch die schnellere Aufbereitung schaffen die Teams mehr Betten, reduzieren dadurch die Eigenreinigung der Pflege und minimieren vor allem die Wartezeiten für die Patienten.

Das heißt, die komplette Kommunikation verläuft über Smartphones?

Nein, wir bedienen alle gängigen Bildschirme wie Desktops, Tablets oder Smartphones. Wenn Sie jedoch mit Livedaten arbeiten, müssen Sie diese auch an Ort und Stelle verfügbar machen, denn alles andere wäre inkonsequent. Sie laufen ja heute auch nicht mehr in Ihr Arbeitszimmer und drucken die Karte aus Google Maps aus. Da viele Krankenhausmitarbeiter nicht fest am Schreibtisch sitzen, ist das Smartphone oft die beste Alternative.

Was genau machen Sie mit den gewonnen Daten?

Wir dokumentieren jede einzelne Aktivität oder Bewegung mit Zeit und Ortsstempel. Die nachträgliche Analyse ermöglicht einen detaillierten Blick auf Prozessabläufe und mögliches Verbesserungspotenzial,  z. B. durch die Anpassung der Schichtpläne an den tatsächlichen Bedarf. Auch die oft mühsame Dokumentation wird automatisiert abgenommen. So dokumentieren wir z. B. wie viele Betten im Schnitt wann, wo und wie oft belegt oder gereinigt worden sind.

Da wir keine individuellen, sondern nur berufsgruppenspezifischen Accounts haben, ist das komplette System datenschutzkonform. Alle Informationen stehen dann den Krankenhäusern zum Download bereit. Laufzettel oder dergleichen gibt es bei uns nicht mehr. Zusätzlich fahren wir Analysen zur Geräteauslastung, denn durch die Echtzeitlokalisierung fallen Suchzeiten weg und es werden weniger Geräte benötigt. Wir konnten bereits nachweisen, dass der mobile Gerätepark im Krankenhaus um 5 bis 10 Prozent abgebaut werden kann.

Einzelne Häuser von Sana und Agaple­sion nutzen Ihr System schon. Wo sehen Sie simplinic in den nächsten Jahren?

Gerade mit den Sanakliniken befinden wir uns in einer sehr engen und guten Entwicklungspartnerschaft. Um die Produktentwicklung weiter voran­zutreiben, werden wir in den nächsten Monaten alle Sana-NRW-Kliniken ausstatten. Zudem haben wir auch die Universitätsmedizin Essen überzeugen können, mit uns an zwei Standorten das Thema „Smart Hospital“ weiter voranzubringen. Unter anderem stehen hier Entwicklung des Patientrackings und eines Belegungsmanagements auf dem Programm.

In den nächsten Jahren hoffen wir, dass mehr und mehr Partner und Kunden den großen Wert von Livedaten erkennen. Da unsere Bluetooth-Infrastruktur auch von Drittanbietern genutzt werden kann, suchen wir auch hier nach interessanten Kooperationsmodellen mit Sensorik- und Medizintechnikherstellern.

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