
Den Worten unseres Bundesgesundheitsministers Jens Spahn zufolge sind die Erwartungen an das neue Krankenhauszukunftsgesetz ziemlich hoch. Aus seiner Sicht sende die Bundesregierung mit den im Gesetz verankerten Förderungen ein klares Signal: Deutschlands Krankenhäuser sollten stark bleiben! Weiter sagt er: „Wir investieren in ihre [die Krankenhäuser] digitale Zukunft – weil wir gerade in der Pandemie erfahren haben, wie wichtig gut ausgerüstete und funktionierende Krankenhäuser sind.“
Dann lassen Sie uns doch einmal schauen, wie die digitale Zukunft eines beliebigen Krankenhauses mit den heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aussehen könnte:
Da wäre zunächst die Aufnahme, die man sich in einem voll digitalisierten Haus wie den Check-in am Flughafen vorstellen muss. Patienten, die bereits zu Hause digital alle nötigen Unterlagen eingereicht sowie die entsprechenden Formulare ausgefüllt und unterschrieben haben, kommen direkt auf einer „Fast Lane“ auf ihr Zimmer. Vielleicht gibt es noch eine kurze Nachfrage, die bei der Anmeldung geklärt werden muss. Aber im Grunde sind bereits alle wichtigen Informationen zum Patienten, zu seiner bisherigen Krankengeschichte, zu seiner Medikation, zum Eingriff – wenn denn einer geplant ist – und selbst zur Verpflegung während des Aufenthalts geklärt. Über Schnittstellen wurden sämtliche Informationen in das Krankenhausinformationssystem, kurz KIS, übertragen und stehen damit Ärzten und medizinischem Personal zur Verfügung. Das Zimmer konnte entsprechend vorbereitet werden und der Patient fühlt sich vom ersten Moment an optimal versorgt und in guten Händen. Wenn wir ehrlich sind, würden wir es uns genauso wünschen, oder?
Win-Win-Win für Patienten, Personal und Klinik
Eine solch umfassende digitale Patientenaufnahme hat natürlich weitreichende Folgen für die gesamte Krankenhausadministration, die Versorgung sowie die Genesung der Patienten. Denn schon mit den so gewonnenen Daten lassen sich Personal-, OP- und Einkauf ganz anders steuern. Die gesamten Abläufe werden optimiert und insbesondere das Klinikpersonal kann seinen Arbeitsalltag wesentlich effizienter steuern – dann nämlich, wenn sämtliche Patientendaten beispielsweise über ein Tablet jederzeit von überall abgerufen werden können und natürlich immer aktuell sind.
Fragen der Patienten, wann die nächste Visite geplant oder Voruntersuchungen stattfinden, können unmittelbar beantwortet werden. Der Patient muss nicht alles seine Daten immer und immer weder eingeben beziehungsweise Formulare ausfüllen. Ein klassischer Win-Win-Win – für Patienten, Personal und Klinik. Die strukturierten Daten erlauben uns zudem, künstliche Intelligenz und auch Algorithmen ganz anders in die Klinikprozesse zu integrieren. Ärzten und Pflegekräften stehen damit Systeme zur Verfügung, mit deren Hilfe sie noch fundiertere Entscheidungen treffen können. Und selbst ein interdisziplinärer Austausch zwischen Kollegen ist jederzeit in einem gesonderten Chat möglich. Kurz: Der Patient steht im Mittelpunkt und die Fachkräfte können sich ganz gezielt auf seine Behandlung konzentrieren.
Notfallversorgung und Videosprechstunde
So weit, so gut. Allerdings haben wir bisher nur über die geplanten Aufnahmen und Eingriffe gesprochen. Was aber ist mit den Notfällen, die im regulären Klinikbetrieb einen nicht unerheblichen Anteil haben? Auch in diesem wichtigen Bereich bieten die hier und heute zur Verfügung stehenden Technologien ein immenses Potenzial. So können Notarzt und Rettungswagen bereits digital mit der Klinik verbunden werden, in die der Notfall eingeliefert werden soll. Vitaldaten, Blutgruppe und Diagnose werden so in Echtzeit übertragen, sodass bereits während des Transports des Patienten alle wichtigen Schritte für die weitere Behandlung vorbereitet werden können. Außerdem fließen die aus dem RTW übertragen Daten natürlich auch in die Ressourcen-Planung der Klinik mit ein. Ein OP-Plan kann damit entsprechend aktualisiert werden und daraus resultierende Verschiebungen geplanter OPs sind in Echtzeit für alle Beteiligten ersichtlich.
Ein nicht zu unterschätzendes Asset im Zusammenhang mit der Notfallversorgung ist übrigens auch die Videosprechstunde. Spezialisten können darüber direkt in den RTW zugeschaltet werden und den dortigen Kollegen, die in der Regel Generalisten sind, bereits während des Transports zur Seite stehen. Damit werden unter Umständen wertvolle Minuten gewonnen, die gerade in diesem Bereich der Medizin über den Ausgang der Behandlung entscheiden können.
Entlassmanagement und Nachsorge
Die Digitalisierung der Krankenhäuser hört aber natürlich längst nicht bei der Behandlung auf. Vielmehr eröffnet sie gerade im Bereich des Entlassmanagements und der Nachsorge ein immenses Potenzial – beispielsweise, wenn es um einen anschließenden Reha- oder Pflegeaufenthalt geht. Digital vernetzt kann die behandelnde Klinik dem Patienten über ihr Portal eine Auswahl möglicher Einrichtungen auf sein Handy zukommen lassen. Hat sich dieser für eine Einrichtung entschieden, kann die Klinik alle relevanten Daten direkt übertragen, sodass ein lückenloser Austausch einen reibungslosen Behandlungsverlauf garantiert. Genauso ist der Datenaustausch natürlich auch zwischen Klinik und Hausarzt, Klinik und Apotheker, Klinik und Physiotherapeut, Klinik und Logopäde, und, und, und… möglich. Ich denke, der Punkt wird deutlich.
Und wieder kommen wir zurück auf die Videosprechstunde – ein wichtiges Tool mit einem deutlich breiterem Einsatzspektrum als allgemein vermutet. Denn Nachsorge kann natürlich auch bedeuten, dass Patienten im Anschluss an ihren Krankenhausaufenthalt engmaschig überwacht werden müssen. Da helfen zunächst natürlich digitale Tools wie individuell gestaltete Fragebögen oder Tagebücher, über die Patienten auch zu Hause im engen Austausch mit ihren behandelnden Ärzten stehen. Für Follow-up-Termine bietet sich dann die Videosprechstunde an, um den Patienten einen zu weiten Weg in die Klinik zu ersparen. Das ist natürlich nicht immer möglich, eine physische Vorstellung kann zwingend erforderlich sein. In vielen Fällen aber sorgt die Videosprechstunde in der Patientennachsorge für eine erhebliche Entlastung für alle Beteiligten und trägt damit zu einer höheren Effizienz bei.
Medikation und Datenbasis
Wer glaubt, das war’s schon, den muss ich enttäuschen. Denn bisher haben wir das wichtige Feld der Medikation noch gar nicht gestreift. Komplett digital organisiert, eine kleine Wunderwaffe als Entlastung im Klinikalltag und ein immenser Zugewinn in Sachen Patientensicherheit und Medikamentenadhärenz! Ärzte können sich bei Neuverschreibungen beispielsweise auf eine automatische Prüfung von Wechselwirkungen verlassen. Und auch in der Nachsorge spielt die digitale Medikationsplanung eine wichtige Rolle. Patienten können über ihr Smartphone beispielsweise Erinnerungen einstellen und die regelmäßige Einnahme dokumentieren.
Zu guter Letzt möchte ich an dieser Stelle noch über die Daten sprechen, die über all diese verschiedenen Digitalisierungsschritte gesammelt und idealerweise genutzt werden sollten. Eine Möglichkeit ist natürlich, den laufenden Betrieb anhand der Daten zu optimieren. Größere Einrichtungen könnten aber auch zu einem regionalen Hub, zu einer Art Anlaufstelle für kleinere Kliniken, MVZ oder Arztpraxen werden, indem sie ihre Datenbasis dazu nutzen, Entscheidungshilfe in schwierigeren Fällen oder digitale Konsultationen zu ermöglichen. Das würde meiner Meinung nach die Versorgungsqualität in vielen Regionen deutlich erhöhen und auch für eine gleichmäßigere Verteilung der Patienten sorgen. Dann nämlich, wenn man auch in kleinere Kliniken auf das Know-how vertrauen und im Zweifel Experten aus anderen Häusern in die Behandlung involviert werden könnten.
Status Quo in deutschen Kliniken
Soviel zum Einblick in einige der heute schon zur Verfügung stehenden technisch Möglichkeiten. Doch wie sieht der Status Quo aus. Meines Wissens nach gibt es in Deutschland zwar einige Häuser, die bei der Digitalisierung ihres Betriebs schon sehr weit sind. Dass aber wirklich alle Möglichkeiten auch schon voll ausgeschöpft werden, wäre mir neu.
Damit will ich vor allem jenen Einrichtungen Mut machen, die bisher nur wenige – oder vielleicht auch keine – der oben genannten Möglichkeiten nutzen. Wichtig ist, den Anfang zu machen! Nur weil etwas möglich ist, muss nicht gleich alles auf einmal umgesetzt werden. Gerade im laufenden Betrieb sind Digitalisierungsvorhaben ein Großprojekt. Die gute Nachricht ist jedoch: Alles ist skalierbar und kann auf den individuellen Bedarf angepasst werden. Wie Herr Spahn richtig sagt, das KHZG ist ein wichtiges Signal. Trauen Sie sich also, mit der Förderung den ersten Schritt zu machen – wie groß dieser ist, entscheiden schließlich alleine Sie.





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