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Chief Digital OfficerMit neuen Datenstrukturen gegen Google

Im Interview spricht Dr. Peter Gocke, Chief Digital Officer (CDO) der Charité, über Versäumnisse der Branche, warum ein CDO sinnvoll ist und weshalb Kliniken neue Datenstrukturen brauchen.

Big Data
Foto: Pixabay
Peter Gocke, CDO Charité Berlin
Foto: privat
Peter Gocke, Chief Digital Officer der Charité - Universitätsmedizin Berlin

Herr Dr. Gocke, Sie waren bis Februar 2012 CIO am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und sind dann in die freie Wirtschaft zum Labordienstleister Amedes gewechselt. Nun kehren Sie wieder in den Krankenhausbereich zurück. Was hat Sie dazu bewogen?

Die Idee, die ich mit der freien Wirtschaft verbunden hatte, war ein Gedanke von Freiheit. Allerdings musste ich feststellen, dass der Freiheitsgrad dort deutlich geringer ist, als ich es aus meiner Zeit am UKE kannte. Letztlich waren gute Finanzdaten wichtiger als eine bessere Versorgung. Da finde ich mich als Arzt nicht wieder.

Ein Chief Digital Officer ist in der deutschen Krankenhauslandschaft bislang nahezu unbekannt. Worin unterscheidet sich Ihre Tätigkeit von der eines CIO?

Der CDO ist zwischen Vorstand und den Geschäftsbereichen angesiedelt. Als „Missing Link“ zwischen Geschäftsführung oder Vorstand und den klinischen Bereichen ist er der Motor der digitalen Transformation. Der CIO betreibt hingegen die IT und hat dafür natürlich auch eine IT-Teilstrategie zu entwickeln. In der Vergangenheit hat man geglaubt, dass ein CIO, wenn er über eine ausreichend große IT-Abteilung und eine entsprechend große IT-Infrastruktur verfügen kann, quasi nebenbei das Unternehmen digital transformiert. Das ist aber nicht passiert, eben weil den CIOs in der Regel die Nähe zum Vorstand fehlt.

Was bedeutet das für die Zusammenarbeit mit dem Charité-CIO? Sind Sie ihm gegenüber weisungsbefugt?

Nein, das ist nur der Vorstand. Das ist auch richtig so, denn diese Strukturen haben sich in der Vergangenheit durchaus bewährt. Der CDO muss in allen Bereichen wirken, aber er muss vor allem überzeugen und gemeinsam Dinge entwickeln. Die digitale Transformation können Sie niemandem im Krankenhaus aufzwingen.

Der Digitalisierungsprozess in deutschen Krankenhäusern kommt nur schleppend voran. Haben die Kliniken das strategische Thema bislang nicht erkannt?

Bislang wurde in Krankenhäusern häufig zuerst die IT gekauft und gehofft, dass nach Einführung der neuen IT die Prozesse im Krankenhaus von selber besser laufen würden. Das war ein Trugschluss. Zunächst einmal muss der Prozess definiert werden, um etwas digital transformieren zu können. Die IT folgt immer dem Prozess.

War der Vorstand des UKE der Zeit voraus oder hat die Charité die Digitalisierung bislang verschlafen?

Nein, das kann man so nicht sagen. Die Ausgangslage am UKE war einfach eine andere, außerdem lassen sich die beiden Krankenhäuser schwerlich vergleichen. Die Charité – Universitätsmedizin Berlin ist nicht nur deutlich größer, sondern hat auch vier Standorte. Sicherlich hat der damalige UKE-Vorstand schon die Chancen der Digitalisierung erkannt. Allerdings ist das UKE damals zum Großteil neu erbaut worden, was naturgemäß ein guter Zeitpunkt dafür ist, sich alle Prozesse genauer anzuschauen und zu prüfen, wie diese weiterentwickelt werden können.

Sie sollen eine Digitalstrategie entwickeln. Was sind Kernelemente dieser Strategie und wann wird diese vorliegen?

Da ich gerade erst die Arbeit aufgenommen habe, kann ich diese Frage noch nicht befriedigend beantworten. Außerdem entwickele ich eine solche Strategie nicht allein, sondern gemeinsam mit dem Vorstand und vielen weiteren Beteiligten im Haus. Es gibt auch keinen Zeitplan, denn eine Strategie für eine digitale Transformation wird nicht in Stein gemeißelt, sondern entwickelt sich fortlaufend. Aber natürlich werden gewisse Ziele definiert.

Und die wären?

Bislang wird die Nutzung von Daten in Krankenhäusern dadurch erschwert, dass wir diese in relativ starren und unflexiblen Systemen speichern und wir diese Daten nicht so nutzen können wie in anderen Industrien. Wenn wir in der Gesundheitswirtschaft verhindern wollen, dass die Patienten anfangen, diese Daten einfach mal Google zu geben, dann müssen wir neue Datenstrukturen schaffen, damit wir die Versorgung von Patienten auf anderen Wegen sicherstellen können. Zum Beispiel durch Online-Konsultation.

Sind konkrete Projekte in der Planung?

Auch wenn es kein neues Projekt ist: Bis Oktober müssen wir das elektronische Entlass-Management hinbekommen. Wir möchten niedergelassene Ärzte besser mit Informationen versorgen. Technisch haben wir ein System, aber dieses wird bislang von der niedergelassenen Seite nicht angenommen. Das müssen wir uns ansehen und verbessern. Außerdem wollen wir, dass Patienten Zugang zu ihren Daten bekommen und ihnen auch die Online-Terminvergabe möglichst bald ermöglichen.

Ziel am UKE war das papierlose Krankenhaus. Streben Siean der Charité nun die Stufe 7 des Himss Emran Awards an?

Nicht ich strebe das an, die Charité strebt es an. Schließlich ist der Award das einzige unabhängige Audit für das papierlose Krankenhaus.

Sie sprachen zu Beginn von der Freiheit, möglichst viele Ideen umsetzen zu können in ihrer Arbeit. Glauben Sie, an der Charité diese Freiheit zu bekommen?

Gute Frage. Noch bin ich ja in der Honeymoon-Phase. Das wird sich im ersten Konfliktfall zeigen. Ich persönlich verstehe mich aber nicht als Freigeist, sondern für mich steht der Teamgedanke im Vordergrund. Zu Ihrer Frage: Nun, 1:1 sicherlich nicht, das wird moduliert werden. Aber wie heißt es so schön: Politik ist die Kunst des Machbaren. Ohnehin ist das Abwägen der Frage, wofür die Charité ihr Geld ausgeben wird, eine Entscheidung des Vorstands.

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