
Der demografische Wandel wird schon sehr bald drastische Folgen haben: Der große „Rentenansturm“ ist im Laufe der 2020er-Jahre zu erwarten und damit auch eine wachsende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen. Gleichzeitig droht auf dem Arbeitsmarkt eine weitere Verknappung an Gesundheitsfachkräften und infolgedessen auch der Leistungen für Patienten. Zentrale Aufgabe wird es daher sein, mit weniger Fachkräften mehr hilfsbedürftige Menschen zu versorgen, ohne dass die Arbeitsbelastung dieser Fachkräfte so sehr steigt, dass sie am Ende das Interesse am Gesundheitswesen verlieren und in anderen Branchen attraktivere Tätigkeiten suchen. Der Fokus muss daher unbedingt auf arbeitssparendem technischen Fortschritt liegen.
Dabei ist die unternehmerische Gestaltungsfreiheit ein zentrales Element, um medizinischen und besonders technologischen Innovationen Zugang zum Gesundheitswesen zu ermöglichen. Die anstehenden gewaltigen Herausforderungen im Gesundheitswesen werden nämlich nicht allein dadurch gemeistert werden können, dass die Ablauf- und Aufbauorganisation der einzelnen Leistungserbringer immer weiter optimiert werden. Vielmehr werden dazu auch völlig neue, effizienzsteigernde Innovationen nötig sein, beispielsweise die Digitalisierung der Medizin, Telemedizin, künstliche Intelligenz oder auch Robotik. Da sie Zeit bis zur Marktreife brauchen, gilt es, die Digitalisierung im Gesundheitswesen frühzeitig voranzutreiben.
Deutschland braucht eine Digitalisierungsstrategie
Auch in Deutschland braucht es für das Gesundheitswesen eine breit angelegte Digitalisierungsstrategie. Im Bereich der Krankenhausversorgung ist dafür ausreichend Investitionskapital erforderlich, das jedoch aufgrund der bestehenden Investitionsförderlücke nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung steht. Zum Teil schließen die Krankenhäuser die jährliche Investitionslücke aus eigener Kraft und versuchen, Investitionen im Bereich der Digitalisierung selbst zu finanzieren. Jedoch gelingt es den Kliniken nicht, die Förderlücke gänzlich zu schließen, sodass es zu einem schleichenden Substanzabbau und zu einem zu geringen Engagement bei der Digitalisierung kommt.
Vor diesem Hintergrund hat das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit ein Gutachten zu „Stand und Weiterentwicklung der Investitionsförderung im Krankenhausbereich“ erstellt, das Ende 2017 veröffentlicht wurde. Es enthält verschiedene Vorschläge, wie die Förderlücke behoben werden kann. Dabei erfolgte auch ein internationaler Vergleich zur Investitionsfinanzierung von Krankenhäusern. Ein Fokus wurde auf die Möglichkeiten der Finanzierung des digitalen Wandels der deutschen Krankenhäuser gelegt.
Die Autoren schlagen einen „Digital Boost“ vor. Dieser sieht vor, Investitionen in die Digitalisierung gezielt durch ein zeitlich befristetes Investitionsprogramm von acht Jahren zu fördern. Ziel dessen ist, eine zeitgemäße IT-Infrastruktur und elektronische Vernetzung der Krankenhäuser zu erreichen, wie sie in manch anderen Ländern bereits existiert. Vorbild ist dabei unter anderem Dänemark, das vorsieht, dass 20 Prozent der Investitionen in neue Krankenhausstrukturen für IT und Logistik zur Verfügung gestellt werden. Bezogen auf den jährlichen Investitionsbedarf von 5,4 Milliarden Euro für Deutschland wären dies etwa 1,1 Milliarden Euro pro Jahr.
8,6 Milliarden Euro an zusätzlichen Fördermitteln
Dem Vorschlag des „Digital Boost“ folgend, würde der Bund 720 Millionen jährlich beitragen, ergänzt um eine Ko-Finanzierung der Länder von 50 Prozent auf die Bundesmittel, das heißt 360 Millionen Euro. Die Mittel sollten nur für den Ausbau der digitalen Infrastruktur der Plankrankenhäuser bereitgestellt werden. Dabei ist Voraussetzung, dass die Länder ihr bisheriges Fördermittelvolumen nicht absenken. Bei einem Förderzeitraum von beispielsweise acht Jahren ergäben sich insgesamt 8,6 Milliarden Euro zusätzliche Fördermittel. Von Seiten der Krankenhäuser in Deutschland wurde das notwendige Fördervolumen für IT-Investitionen auf rund 11 Milliarden Euro über den Zeitraum der nächsten sieben Jahre geschätzt.
In den Krankenhäusern ist ein schleichender Substanzabbau und zu geringes Engagement bei der Digitalisierung zu beobachten.
Das vorgeschlagene Förderprogramm zielt speziell auf Digitalisierungsmaßnahmen ab, die einen externen Nutzen generieren, der vom Krankenhaus nicht oder nicht vollständig internalisiert werden kann. Dagegen sollten Maßnahmen, die rein dazu dienen, die internen Betriebsprozesse durch Digitalisierung zu verbessern, nicht durch zusätzliche Investitionsmittel gefördert werden. Eine Förderung von solchen Investitionsmaßnahmen mit einem rein betrieblichen Nutzen würde zu Wettbewerbsverzerrungen führen, weil sie diejenigen Krankenhäuser benachteiligt, die in der Vergangenheit aus Eigenmitteln solche Investitionen bereits durchgeführt haben. Unter die zu fördernde digitale Infrastruktur für betriebsübergeordnete Aufgaben sollten beispielweise die Ausstattung für telemedizinische Maßnahmen, die Schaffung von Interoperabilität bei elektronischem Datenaustausch oder die digitale Interaktion mit Patienten fallen. Zusätzlich könnten auch neuartige Risikoprojekte gefördert werden, deren interner Nutzen nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit realisiert werden kann. Zur Abgrenzung der förderfähigen von nicht-förderfähigen Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung ist ein bundesweit einheitlicher Kriterienkatalog zu erarbeiten.
Zuteilung von Fördermitteln an Ziele knüpfen
Denkbar wäre jedoch auch, die von den Krankenhäusern abzurufenden Fördermittel an gewisse Bedingungen, wie etwa das Erreichen eines einheitlichen Digitalisierungs-Scores, zu knüpfen. Dies könnte beispielswiese durch den von der Healthcare Information and Management Systems Society (HIMSS) entwickelten „EMRAM-Score“ (Electronic Medical Record Adoption Model) in dem Sinn erfolgen, dass das Erreichen eines gewissen Score-Wertes als Grundlage für die Verteilung der Mittel dient. 50 Prozent der anvisierten Fördermittel könnten zu Beginn zugeteilt werden und die restlichen 50 Prozent nur bei Zielerreichung. Andere Klassifikationen als der EMRAM-Score wären natürlich auch möglich; wichtig ist eine einheitliche Definition von Digitalisierungsstufen. Da kaum ein Krankenhaus zum derzeitigen Stand den höchsten Score haben dürfte, entstünde keine Wettbewerbsverzerrung, weil jedes Krankenhaus, egal auf welchem Niveau es startet, Verbesserungspotenzial hätte und somit Mittel beantragen könnte.
Digital Boost allein reicht nicht
Sicherlich kann der „Digital Boost“ aber die gesamte Förderlücke bei Krankenhausinvestitionen nicht schließen. Er entlastet nur bei Investitionen im Bereich der IT und Digitalisierung mit positiven externen Effekten. Die Indikationsqualität kann möglicherweise durch verbesserte telemedizinische Anbindung erhöht werden, ebenso die intersektorale Zusammenarbeit, wenn sich die Interoperabilität erhöht. Negative Effekte sind nicht zu erwarten, außer wenn Innovatoren zwar innovative, aber möglicherweise nicht förderfähige Ideen im Bereich der Digitalisierung nicht umsetzen, weil sie stattdessen lieber auf förderfähige Projekte setzen. Die rechtliche Umsetzbarkeit des zeitlich befristeten Investitionsprogramms für den Auf- und Ausbau moderner Technologien in Krankenhäuser, wie beispielsweise die IT-Infrastruktur, die Robotik, die digitale Interaktion mit Patienten usw., ist grundsätzlich leichter als in anderen Bereichen. So sieht Artikel 91c des Grundgesetzes vor, dass der Bund und die Länder bei Planung, Errichtung und Betrieb der für ihre Aufgabenerfüllung benötigten informationstechnischen Systeme zusammenwirken. Die Norm soll eine verfassungsrechtliche Grundlage für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Informationstechnik schaffen.
Allerdings hängt die Beurteilung der rechtlichen Umsetzbarkeit stets davon ab, ob bereits vorrangige Regelungen bestehen. So bestehen für den Bereich der Telematik bereits die Sonderzuweisungen nach Paragraf 291 a Absatz 7 Sozialgesetzbuch V, Paragraf 2 Nr. 2 Krankenhausgesetz (KHG). Hier wäre also bei der Konkretisierung der Fördermaßnahmen darauf zu achten, welche Informationstechnologien dies betreffen soll.







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