
Dr. Peter Gocke warnt das deutsche Gesundheitswesen vor dem Verlust ihrer Datensouveränität. Es brauche eine europäische Lösung, um Gesundheitsdaten vor US-Tech-Riesen wie Google, Amazon und Apple zu schützen, schreibt der Verantwortliche für die Digitalisierung einer der größten Universitätskliniken Europas in einem Gastkommentar für Wohlfahrt Intern.
In der Medizin eröffne die konsequente Nutzung von Daten völlig neue Dimensionen. Den Gesundheitssystemen stehe deshalb ein tiefgreifender Umbau bevor, so Dr. Gocke. Doch Deutschland hinke technisch hinterher bei der Fähigkeit, große Mengen hochwertiger klinischer Daten zu generieren und zu verarbeiten. Auch die Frage nach dem Schutz der Patientendaten sei bisher ungelöst.
Konzerne zeigten kaum Transparenz bei der Datennutzung. Gocke verweist in seinem Beitrag auf das teils fragwürdige Geschäftsgebaren der US-Konzerne. „Soziale Netzwerke wie Facebook, aber auch Konzerne wie Google, Amazon und Apple verwenden die Daten ihrer Nutzer nicht nur zu deren Vorteil“, schreibt Gocke. Ein Beispiel seien Eingriffe in die Privatsphäre durch Audio-Assistenten. Es sei völlig intransparent, was die Konzerne erfassten, wann sie es täten und wo sie die Daten verarbeiteten.
Erst kürzlich sei Google bei einem Deal mit Ascension auffällig geworden. Der Tech-Konzern stellt dabei dem US-Krankenversorger sein Cloud-Dienste bereit, um medizinische Daten zu speichern. Im Gegenzug erhalte Google beim Projekt Nightingale Zugang zu Millionen von Patientendaten, um neue medizinische Services und Dienstleistungen zu entwickeln. Das Problem: Der Konzern habe die Ascension-Patienten nicht um eine Einwilligung gebeten.
Trotz allen Unbehagens solle das deutsche Gesundheitswesen Patientinnen und Patienten die Vorteile einer digitalen Medizin nicht vorenthalten. Das wäre nicht nur aus ärztlicher Sicht unethisch. „Es wäre auch grob fahrlässig, wenn Menschen bei irgendwo auf der Welt tätigen Anbietern auf Datenschutz und -sicherheit verzichten müssten, nur um die medizinischen Services zu nutzen, die es im heimischen Gesundheitswesen nicht gibt“, schreibt der Experte für Digitalisierung.
Eine Lösung böte etwa ein gemeinsamer europäischer Datenraum, der einen adäquaten Datenschutz nach den Vorgaben der Europäischen Datenschutzgrundverordnung durchsetzen könnte und es möglich machen würde, Algorithmen angemessen zu regulieren. Die Kommission für Datenethik der Bundesregierung für eine Europäische Verordnung für Algorithmische Systeme habe hierzu konkrete Empfehlungen abgegeben. Algorithmen könnten demnach je nach ihrem Risikopotenzial in fünf Stufen eingeteilt werden.
Weiter plädiert Gocke für eine zentrale Koordinationsstelle in der EU, die technische Bemühungen der Mitgliedsstaaten zusammenführt und gemeinsam koordiniert. Deutschlands EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 sei die passende Gelegenheit, diese Themen anzugehen.





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