
Die Qualität der Pflege in deutschen Krankenhäusern zukünftig zu erhalten, wenn nicht sogar zu verbessern, scheint angesichts des prognostizierten Fachkräftemangels und des demografischen Wandels eine Herkulesaufgabe zu sein. Politische Manöver, das Schiff „Pflege“ noch in den richtigen Bahnen zu halten, sind z.B. mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz wahrscheinlich nur Tropfen auf dem heißen Stein. Ob Personal aus dem Ausland das Loch von angeforderten und ausreichend qualifizierten Pflegekräften stopfen kann, bleibt auch weiterhin fraglich.
Japan ist bereits im demografischen Wandel angelangt und kann als Beispiel dienen, wie neue Technologien gerade in der Pflege den Mangel an humanen Kräften abfangen könnten. Hier sind vor allem Pflegeroboter schon seit Jahren erfolgreich im Einsatz, Tendenz steigend. Deutschland steckt im Vergleich zu Japan bei Pflegerobotern noch in den Kinderschuhen. Vereinzelte Projekte (vor allem in Pflegeheimen) haben sich dem Thema gewidmet und testen nun robotische Systeme im Pflegealltag. Hier zeigen unterschiedliche Modelle, wie z.B. der Care-o-bot, die Robbe Paro und Pepper, bereits ihr Können.
Exoskelette und Roboterarme erweitern die Artenvielfalt. Evidenzbasierte Studien über Kosten und Nutzen der Pflegeroboter finden sich aber bisher leider kaum. Dafür sind die derzeitigen Projekte noch zu klein und von zu kurzer Dauer. Doch so langsam scheint die Forschung zur neuen Pflegetechnologie zu erwachen. Projekte wie z.B. WiMi-Care, SERoDi, oder ARiA treiben die Entwicklung von Pflegeroboter in Deutschland endlich voran. Erste Tendenzen zu Kosten und Nutzen sind Dank dieser, aber auch internationaler Projekte, bereits erkennbar.
Kosten
Roboter in der Pflege werden, wie auch bei Industrierobotern, vor allem hohe Investitions- bzw. Anschaffungskosten verursachen. Sollte die Produktionszahl in den nächsten Jahren steigen, könnte hier ein deutlicher Degressionseffekt entstehen (ähnlich wie bei der Computerbranche) und somit die Preise senken. Allerdings wird diese Entwicklung auch mit einer entsprechenden Nachfrage verbunden sein.Wird der Mensch als Vergleichsobjekt betrachtet, sind vor allem auf langfristige Sicht niedrigere Kosten zu erwarten.
Ein wesentlicher Vorteil: Der Roboter benötigt kein Gehalt. Aber auch in Punkto Personalzusatzkosten (Urlaub, Krankheit, Sozialabgaben) können Einsparungen generiert werden. Von der Kostenstruktur sind Wartungs- bzw. Instandhaltungskosten sowie erhöhte Energiekosten miteinzukalkulieren. Andere Bereiche, wie z.B. die Weiterbildung von Pflegepersonal zwecks Umgang mit der neuen Technologie oder eine verstärkte rechtliche Absicherung (Thema Datenschutz), sollten in der Kostenkalkulation ebenfalls dringend ihre Berücksichtigung finden.
Ein (Pflicht-)Versicherungsschutz für Roboter wird derzeit noch auf EU-Ebene geprüft und könnte schon bald Realität werden, was weitere Kosten verursachen würde. Die Idee von Microsoft Gründer Bill Gates, Roboter ähnlich zu besteuern wie Menschen, wurde zwar zeitweise diskutiert, ob diese aber tatsächlich ihre Umsetzung findet, bleibt eher zu bezweifeln. Wer jetzt schon eine Anschaffung in Erwägung ziehen sollte, kann sich teilweise auf Preise im sechsstelligen Bereich einstellen.
Nutzen
Das wesentliche Nutzenmerkmal, welches durch Pflegeroboter generiert werden kann, ist die Entlastung der Pflegekräfte. Durch die Übernahme von Routinetätigkeiten, wie z.B. für Hol- und Bringdienste, von Pflegeutensilien oder Medikamenten, können die robotischen Assistenzsysteme dafür sorgen, dass Pflegekräfte sich nun diese (lästigen) Arbeitsschritte ersparen und sich somit ihrer eigentlichen Tätigkeit zuwenden könne, der Pflege am Menschen.
Hier ist besonders zu erwarten, dass an der Schnittstelle von Pflege zu Hauswirtschaft, der Verkürzung von Wegzeiten und bei der Übernahme von körperlich belastbaren Tätigkeiten die größten Entlastungseffekte auftreten werden. Da die direkte Versorgung am Patienten mit den meisten aktuellen Modellen vorerst womöglich noch nicht denkbar ist (zumindest nicht ohne menschliches Zutun), sind direkt Nutzeneffekte für Patienten durch Pflegeroboter noch nicht konkret absehbar.
Allerdings haben sich Servicedienste am Patienten, wie die Bereitstellung von Essen und Getränken oder Unterhaltungsangebote bislang als durchaus wirkungsvoll gezeigt. Mit Voranschreiten der Forschung, kann zudem mit einer verstärkten Patientenautonomie gerechnet werden, was wiederum zu positiven psychologischen Effekten führen könnte. Bei älteren Menschen konnten mit der Kuschelrobbe Paro, welche primär für Interaktionszwecke am Menschen genutzt wird, bereits positive Ergebnisse bei der Linderung von Depression erzielt werden.
Natürlich sind Einsätze mit neuen Technologien auch immer mit öffentlicher Aufmerksamkeit verbunden, was Kliniken im Ansehen (Stichwort „modern“) steigern lässt und als Werbung genutzt werden kann. Leider lassen sich quantifizierbare Indikatoren zum Nutzen, wie z.B. die Verringerung der AU-Tage vom Pflegepersonal, noch nicht nachweisen. Hier wird auch die Wissenschaft gefordert sein, geeignete Verfahren zur Nutzenbewertung von Pflegerobotern zu konzipieren.
Finanzierungslage
Die Einführung der neuen Technik ohne entsprechende Gelder wird nahezu unmöglich sein. Aktuell werden die Kosten für Pflegeroboter aufgrund der fehlenden gesetzlichen Grundlage noch nicht von den Kranken- und Pflegekassen übernommen. Ein Vergleich zu in der Medizin bereits eingesetzten robotischen Systemen macht daher Sinn. Hier wird z.B. der OP-Roboter „Da-Vinci“ meist durch spezielle Fallpauschalen vergütet, die individuell zwischen Leistungserbringer und Kostenträger verhandelt wurden.
Diese Überlegung ließe sich natürlich auch auf Pflegeroboter übertragen, wenn Krankenhäuser und Kassen dabei an einen Strang ziehen und auch die noch anfänglich höheren Zusatzkosten (im Vergleich zur Standardbehandlung) entsprechend vergütet werden.EU, Bund- und Länder haben sich mittlerweile auch dem Thema angenähert und unterstützen finanziell Forschungsprojekte, an denen sich Kliniken beteiligen können. Ebenfalls besteht für Einrichtungen noch die Möglichkeit, Gelder aus Spendenaktionen für Pflegeroboter zu gewinnen.
Ausblick
Da bislang aussagekräftige Studien zu Pflegeroboter fehlen, lassen sich auch nur Schätzungen zu einem Kosten-Nutzen-Fazit abgeben. Im Vergleich zu menschlicher Pflegekraft sollten langfristig die Roboter niedrigere Kosten verursachen.
Interessant für Kostenträger, da die Gelder im Gesundheitsfonds gedeckelt sind. Direkte Nutzeneffekte werden vorwiegend auf Seiten der Pflegekräfte erzielt, die sich wiederum mehr der Pflege am Menschen widmen können. Somit sind indirekt auch Nutzeneffekte für Patienten zu erwarten. Kommende Studien sollten den Schwerpunkt darauf legen, den Nutzen auch quantitativ zu bewerten. Hierbei sollte auch der Outcome des Patienten unbedingt berücksichtigt werden. Ob letztendlich der Nutzen die Kosten übersteigt, bleibt aber noch abzuwarten.
Die Finanzierung für Forschungsprojekte im Bereich Roboter und Pflege muss auf Bund- und Länderebene stärkere Ausmaße annehmen. Eine Orientierung an Japan, das mit steigenden Subventionen Unternehmen und Einrichtungen im Bereich Pflegerobotik schon seit Jahren fördert, könnte da hilfreich sein. Besonders die fehlende gesetzliche Grundlage bezüglich der Vergütung sorgt auf Ebene der Leistungserbringer noch eher für zurückhaltendes Verhalten, wenn es um den Einsatz der neuen Pflegetechnologie geht.
Vielleicht könnte hier eine Reform des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) Abhilfe schaffen, indem man z.B. Vertreter aus Medizintechnik und IT-Branche mit ins Boot holen würde und somit das Gremium breiter besetzt. Dies würde den Digitalisierungsprozess im Gesundheitswesen einen deutlichen Schub verleihen.Am Ende werden Pflegeroboter die menschlichen Pflegekräfte nicht ersetzen können, jedoch einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, den Pflegenotstand mit geeigneten Mittel zu begegnen und eine qualitativ angemessene Pflege zu erhalten.





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