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Kliniken unter DruckSorgt Green-IT für einen Interessenkonflikt?

Was wurde aus Ihrer Sicht im letzten Jahr im Bereich Green-IT erreicht?

Rania Abbas & Josefin Michaelis: Awareness!

Rania Abbas: Viele große Technologieunternehmen und auch Kliniken haben ihre Nachhaltigkeitsziele für die kommenden Jahre bekannt gegeben. Darunter auch konkrete Pläne für die Reduzierung ihres CO2-Fußabdrucks. Einige Unternehmen haben sich sogar ehrgeizige Ziele gesetzt, um bis 2030 oder sogar früher klimaneutral zu sein. Die Bundesärztekammer will bis 2030 das deutsche Gesundheitswesen klimaneutral werden lassen (Beschluss II-03, 2021). Die Bundesregierung beabsichtigt, bis spätestens 2050 das Gesundheitswesen klimaneutral und ökologisch nachhaltiger zu organisieren.

Einige Krankenhäuser haben Maßnahmen ergriffen, um den Energieverbrauch zu reduzieren, wie zum Beispiel die Virtualisierung von Servern und die Implementierung von energieeffizienten Hardwarekomponenten. Auch der Einsatz von Cloud-Computing und Shared Services hat dazu beigetragen, den Energiebedarf zu senken. Darüber hinaus haben einige Krankenhäuser ihre Prozesse und Verfahren angepasst, um den Einsatz von Papier und anderen Materialien zu reduzieren.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Implementierung und Nutzung digitaler Anwendungen auch Kosten verursachen kann.

Durch die Telemedizin können Patient*innen ohne lange Wege und Wartezeiten mit medizinischen Fachkräften kommunizieren und sich behandeln lassen. Darüber hinaus tragen digitale Anwendungen wie die elektronische Patientenakte oder die elektronische Terminvergabe dazu bei, die Verwaltung der Patientenakten und den Terminablauf zu optimieren. Dadurch werden Wartezeiten und Wege innerhalb des Krankenhauses reduziert. Durch den Einsatz digitaler Anwendungen können also Einsparungen in Krankenhäusern erzielt werden, indem Patientenwege reduziert und die Ezienz von Prozessen verbessert werden.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Implementierung und Nutzung digitaler Anwendungen auch Kosten verursachen kann, insbesondere im Zusammenhang mit der Schulung des Personals und der Anschaffung von Technologie.

Josefin Michaelis: Insgesamt gibt es also Fortschritte im Bereich Green-IT in der Krankenhauslandschaft, aber es bleibt noch viel zu tun, um eine nachhaltige Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Krankenhäuser können noch weitere Schritte unternehmen, um ihre Energie- und Ressourceneffizienz zu verbessern, beispielsweise durch die Nutzung erneuerbarer Energiequellen oder die Einführung von Prozessen zur Abfallreduzierung und -verwertung.

Wo sehen Sie die Herausforderungen für die kommenden Jahre? Wo vielleicht auch Chancen?

Josefin Michaelis: Die Einbeziehung aller relevanter Akteure und die Akzeptanz wird eine riesige Herausforderung. Ich habe selbst lange auf Normalstation sowie Intensivstation im Krankenhaus gearbeitet, kenne aber auch die Seite der IT-Hersteller und sehe hier einen riesigen Interessenkonflikt. Die IT-Abteilungen der Krankenhäuser müssen einen großen Spagat leisten. Sie sehen auf der einen Seite die Innovationen der IT-Hersteller, welche sie am liebsten morgen umsetzen würden, und auf der anderen Seite das überlastete Klinikpersonal, welches die Vorteile der Digitalisierung nicht versteht und auch nicht erklärt bekommt.

Es ist auch aus meiner Sicht nicht die Aufgabe einer IT-Abteilung, den Change Managementprozess komplett durchzuführen. Über viele Jahre wurde in den Krankenhäusern völlig vergessen, die Prozesse regelmäßig zu überdenken. Es muss große Kampagnen geben, die über die Klinikgrenzen hinausgehen, bei denen die Vorteile der Digitalisierung aufgezeigt werden und wie damit auch automatisch die Nachhaltigkeitsziele erreicht werden können. Wie überall ist das eine Herausforderung, aber auch eine Chance zugleich.

Gibt es wirklich Einsparpotenziale oder geht es „nur“ um eine Verlangsamung des stetig steigenden Verbrauchs?

Rania Abbas: Ja! Es ist allerdings ein langer Weg und setzt vor allem ein Aufbrechen der Silos voraus. Die Hersteller, Politik und die Krankenhäuser müssen bereit sein, erforderliche Maßnahmen umzusetzen, um diese Potenziale auszuschöpfen. Das umfasst auch entsprechende Investitionen im Vorfeld.

Die Hersteller, Politik und die Krankenhäuser müssen bereit sein, erforderliche Maßnahmen umzusetzen, um diese Potenziale auszuschöpfen.

Eine Studie des Bundesumweltamtes aus dem Jahr 2017 ergab beispielsweise, dass in deutschen Krankenhäusern durch gezieltes Energiemanagement und den Einsatz von energieeffizienten Technologien jährlich rund 215 Millionen Euro eingespart werden könnten. 2022 ergab eine weitere Studie des DKI zur Ermittlung der Einsparpotenziale im Klimaschutz deutscher Krankenhäuser verschiedene Potenziale. Rund 63 Prozent der Kliniken hätten Optimierungsmöglichkeiten zur Strom- und Energieversorgung – so die Studie.

Im Bereich des Abfallmanagements gäbe es für 43 Prozent der Krankenhäuser Optimierungspotenzial. Aufgrund hoher Treibhausgas-Emissionen sind inhalative Narkotika besonders klimaschädlich. Der Verzicht auf beziehungsweise eine umfassende Reduktion der Verwendung kann die Klimabelastung durch die Krankenhäuser erheblich senken. Als erstes Land weltweit verzichtet Schottland in Zukunft auf den Einsatz des Narkosegas Desfluran. Expert*innen schätzen das Gas als 2500 mal so klimaschädlich wie CO2 ein.

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