Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

Deep Dive DigitalWarum das digitale Hallo die Behandlung verbessert

Laut Studien reduzieren telemedizinische Vorgespräche mit Patienten Ausfallraten und verhindern Doppeluntersuchungen vor Klinikaufenthalten. Für unsere Kolumnistin Daniela Aufermann sollte daher zukünftig bei der Versorgung der Grundsatz gelten: digital vor ambulant vor stationär.

Daniela Aufermann
Daniela Aufermann
Daniela Aufermann ist Chief Digital Officer (CDO) der Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln.

Das deutsche Gesundheitswesen steht an einem Wendepunkt. Steigende Fallkomplexität, Fachkräftemangel und ökonomischer Druck zwingen dazu, Prozesse neu zu denken. Fokus sollte nicht mehr die einzelne fachspezifische Behandlung, sondern die koordinierte Versorgung eines gesamten Falls sein – patientenzentriert, intersektoral und vor allem digital unterstützt.

Der Grundsatz „Digital vor ambulant vor stationär“ beschreibt diesen Wandel: digitale Kontaktformen sollen die erste Schleife übernehmen, um den ambulanten und gegebenenfalls folgenden stationären Aufenthalt gezielter und effizienter zu gestalten. In Österreich wurde dieser Grundsatz mit der „eHealth-Strategie“ bereits 2023 beschlossen, um die Qualität der medizinischen Versorgung weiterhin sicherzustellen – es werden dafür bis 2028 rund 14 Milliarden Euro investiert. In Deutschland findet dieses Prinzip zunehmend Eingang in die Diskussionen, wenngleich noch keine gezielte Gesetzgebung oder gar Investitionen hierfür existieren.

Streit um Vergütung

Internationale Studien bestätigen: Telemedizinische Vorgespräche reduzieren Ausfallraten, verhindern Doppeluntersuchungen und sparen Zeit sowohl auf Leistungserbringerseite als auch bei den Patienten und Patientinnen – ohne Qualitätsverlust gegenüber Präsenzterminen. Damit tragen sie direkt zur Wirtschaftlichkeit und Prozessqualität bei.

Viele Ärzte und Ärztinnen wollen gerne flächendeckender und häufiger Videosprechstunden anbieten bekommen diese aber nicht vergütet.

Doch warum nimmt das Thema in Deutschland keine Fahrt auf? Streitthema ist – neben der Angst vor dem Neuen – immer wieder die Finanzierung: Viele Ärzte und Ärztinnen wollen gerne flächendeckender und häufiger Videosprechstunden anbieten, bekommen diese aber nicht vergütet, sodass sie weiterhin auf Präsenztermine bestehen müssen. Immerhin hat das DigiG die Anpassung der Grenze ermöglicht – durch den Bewertungsausschuss wurde sie rückwirkend zu Januar 2025 von maximal 30 Prozent aller Behandlungsfälle auf 50 Prozent der Fälle (bekannter Patienten) angehoben.

Ein strukturierter, berufsgruppenübergreifend vorbereiteter stationärer Aufenthalt ist entscheidend für eine effiziente und patientenzentrierte Versorgung.

Doch der wahre Systemeffekt und echte Einsparungen entstehen erst, wenn diese digitalen Kontakte nicht isoliert, sondern als Teil einer ganzheitlichen Fallsteuerung verstanden werden. Das bedeutet: medizinische Informationen jeglicher Art müssen in die elektronische Patientenakte (ePA) einfließen und dort sektorenübergreifend verfügbar sein. Nur wenn alle Beteiligten – Patienten, Hausärzte, Fachärzte, Klinikteams, Pflege, Sozialdienst – denselben Informationsstand haben, kann der Behandlungsfall als Einheit und digital sinnvoll gesteuert werden. Wesentlich für den Erfolg ist zudem ein Umdenken weg von der „grauen Eminenz“ hin zur Mündigkeit der Patienten, die für ihre Gesundheit selbst verantwortlich sind – „DIY Gesundheit“ sozusagen.

kma DeepDiveDigital Digitalkolumne
Thieme

Ein strukturierter, berufsgruppenübergreifend vorbereiteter stationärer Aufenthalt ist entscheidend für eine effiziente und patientenzentrierte Versorgung. Erfahrungen aus aktueller Forschung zeigen, dass eine frühzeitige gemeinsame Auftragsklärung – idealerweise zwischen Zuweisenden, Patienten und Krankenhaus – die Basis für eine gezielte Behandlungsplanung bildet. Voraussetzung dafür ist, dass alle relevanten Unterlagen vorab (zum Beispiel in der ePA) einsehbar sind und vom Behandlungsteam genutzt werden, um ein prästationäres Videogespräch gezielt zu führen.

Positives Signal in Richtung Patienten

Diese Kombination aus ePA und Videokonferenz ermöglicht eine passgenaue Abstimmung des Behandlungsauftrags, erleichtert die Koordination durch das Casemanagement und reduziert Wartezeiten oder unnötige Liegezeiten – etwa durch frühzeitige Planung diagnostischer Abläufe. Zudem fühlen sich Patientinnen und Patienten so wahrgenommen und wertgeschätzt, was zu einer höheren Verantwortlichkeit der eigenen Gesundheit führen kann. So wird aus Digitalisierung konkrete Versorgungsqualität – mit der aktiven Einbindung der Patienten als zentralem Element eines abgestimmten Versorgungsprozesses.

2025. Thieme. All rights reserved.
Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen