Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

Prozess gegen Charité-ArztDie schweren Vorwürfe der mutigen Whistleblowerin

Es waren ihre Hinweise über Vertrauensanwälte, mit denen eine Krankenpflegerin  für ein Verfahren gegen einen Herzmediziner der Charité gesorgt hat. Es geht um den Tod zweier Patienten. Jetzt sagte die Whistleblowerin im Prozess aus.

Justizia
helmutvogler/stock.adobe.com
Symbolfoto

Im Prozess gegen einen Herzmediziner der Berliner Charité hat die wichtigste Zeugin frühere Aussagen wiederholt. Vor dem Landgericht der Hauptstadt hat am 7. November die Befragung der 28-jährigen Krankenpflegerin begonnen, die als Hauptbelastungszeugin gilt. Sie habe zunächst für sich Notizen über Vorfälle an ihrem Arbeitsplatz gemacht und sich später an Vertrauensanwälte der Charité gewandt, sagte die Whistleblowerin im Zeugenstand.

Der 56-jährige Facharzt für Innere Medizin soll in den Jahren 2021 und 2022 auf einer kardiologischen Intensivstation einen Patienten und eine Patientin (beide 73) mit überdosierten Medikamenten getötet haben. Mitangeklagt wegen Beihilfe in einem Fall ist eine 39-jährige Krankenpflegerin. Der Mediziner und die Krankenpflegerin hatten zu Prozessbeginn zunächst zu den Vorwürfen geschwiegen.

Zwei Dosen Propofol gespritzt

Die Zeugin sagte, sie sei bei beiden Vorfällen anwesend gewesen. Im ersten Fall sei der Patient in einen kritischen Zustand geraten. Mehrere Pflegekräfte hätten mit einer Reanimation begonnen. Bis der angeklagte Oberarzt erklärt habe, dass die Maßnahme keinen Sinn mehr habe. Er habe die mitangeklagte Krankenpflegerin angewiesen, 25 Milliliter des Sedierungsmittels Propofol zu injizieren.

Die 39-Jährige habe „irritiert“ gewirkt, „fragend und stockend“, so die Zeugin. Der Arzt habe seine Anweisung wiederholt. Da habe die Kollegin gespritzt. Im Nachhinein sei auch sie irritiert gewesen – „wegen der Menge“, schilderte die 28-Jährige. Sie und die Kollegin hätten sich nach dem Tod des 73-Jährigen kurz unterhalten. Sinngemäß sei besprochen worden, „dass man das, was passiert ist, nicht noch einmal machen würde“. Im zweiten Fall habe der Arzt bei einer bewusstlosen und beatmeten Patientin zwei Dosen des Sedierungsmittels gespritzt.

Mehr zum Thema:

Der Hinweis der Krankenpflegerin war Angaben zufolge im Rahmen einer Art Whistleblower-System mit Vertrauensanwälten eingegangen. Dorthin können sich Beschäftigte der Klinik vertraulich wenden, die etwa Ungereimtheiten bemerken. Die Hauptbelastungszeugin sei eine Whistleblowerin und sehr mutig, sagte Staatsanwalt Martin Knispel am Rande. „Wäre die Hinweisgeberin nicht tätig geworden, wäre das Verfahren nicht eingeleitet worden.“

Staatsanwaltschaft ging von zweifachem Mord aus

Der Arzt befindet sich seit Mai 2023 in Untersuchungshaft. Von der Charité war er bereits im August 2022 freigestellt worden. Die Staatsanwaltschaft war bei ihrer Anklage von zweifachem Mord ausgegangen. Der Mediziner habe gehandelt, „um seine Vorstellungen zum Sterben und Zeitpunkt des Lebensendes der Patienten zu verwirklichen“, heißt es in der Anklage. Er habe sich „als Herr über Leben und Tod“ aufgeführt und dabei das Vertrauen der jeweils schwerst kranken Patienten und der Angehöriger missbraucht.

Das Landgericht bewertete den Fall jedoch bei der Eröffnung des Verfahrens anders und wies darauf hin, dass jeweils lediglich ein hinreichender Tatverdacht wegen Totschlags bestehe, Mordmerkmale wie niedrige Beweggründe und Heimtücke seien nicht erkennbar. Der Prozess wird am 10. November mit der weiteren Befragung der Hinweisgeberin fortgesetzt.

Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen