Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

GewaltSechs Verletzte bei Angriff auf Krankenhauspersonal in Essen

Als eine Ärztin im Elisabeth-Krankenhaus in Essen Angehörigen eine Todesnachricht überbringt, greifen diese mehrere Mitarbeitende an. Eine 23-Jährige wird schwer verletzt, Möbel zerbrechen. Es geht um Clankriminalität, sagen die Ermittler.

Polizei
Mario Hoesel/stock.adobe.com
Symbolfoto

Mindestens sechs Mitarbeitende des Elisabeth-Krankenhauses Essen sind von Angehörigen eines Patienten angegriffen und verletzt worden, eine 23-Jährige schwer. Ein 41 Jahre alter Tatverdächtiger sei festgenommen worden, teilte eine Sprecherin der Polizei mit. Die 23-Jährige wird demnach noch im Krankenhaus behandelt, befindet sich jedoch nicht in Lebensgefahr.

Der Vorfall ereignete sich bereits am 20. September im Stadtteil Huttrop. Angegriffen wurden das Reanimationsteam und weitere Mitarbeitende. Der Tatverdächtige wurde laut Polizei noch am Abend wieder freigelassen. Gegen ihn wurde Anzeige erstattet wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und wegen der Beschädigung von Krankenhaus-Inventar.

Täter sollen bereits mehrfach aufgefallen sein

Mittlerweile bewerten die Ermittler den Fall als sogenannte Clankriminalität. Das dafür zuständige Fachkommissariat habe die Ermittlungen übernommen, teilte die Polizei am Montagnachmittag (23. September) mit. Die Familie sei bereits mehrfach mit Delikten aufgefallen, die diesem Bereich zuzuordnen seien, begründete ein Polizeisprecher. Auch bei der Auseinandersetzung am 20. September seien die Tatbeteiligten massiv als Gruppe aufgetreten und hätten denjenigen, die eigentlich helfen wollten, mit der „Macht der Familie“ gedroht.

Den bisherigen Ermittlungen zufolge hatten mehrere Familienmitglieder am 20. September nach dem Tod eines Angehörigen in einem Essener Krankenhaus medizinisches Personal mit Schlägen und Tritten angegriffen. Sie seien zudem in einen Behandlungsraum eingedrungen und hätten Möbel und Geräte beschädigt, berichtete die Polizei. Das betroffene Elisabeth-Krankenhaus hatte von einer nie dagewesenen Aggressivität und Gewalt gegenüber den eigenen Mitarbeitern gesprochen. 

Die Polizei sucht nach einem weiteren Krankenhausbesucher, der an der Auseinandersetzung beteiligt war und flüchtig ist. Zeugen sind aufgerufen, sich zu melden. Zur genauen Zahl der mutmaßlich Beteiligten – einige davon namentlich bekannt, andere noch nicht identifiziert – laufen die Ermittlungen noch. Auch der Ablauf sei noch Gegenstand der polizeilichen Untersuchung. Hauptverdächtig ist aktuell ein 41-Jähriger mit türkischer und libanesischer Staatsangehörigkeit.

Die Bezeichnung Clankriminalität ist umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund alleine aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert.

„Der vergangene Freitag, 20. September, ist eine Zäsur, denn hier hat eine bisher noch nie dagewesene Aggressivität und Gewalt gegenüber Mitarbeitenden unseres Hauses stattgefunden“, so Peter Berlin, Geschäftsführer des Elisabeth-Krankenhauses. „Dieses Ereignis ist für das gesamte Team Elli ein Schock. Als Team sind wir alle füreinander da und stehen insbesondere hinter denen, die angegriffen wurden.“

Aufgrund des Angriffs wurden noch am Freitag umgehend Sicherheitsmaßnahmen eingeführt, dazu gehört der kontrollierte Einlass am Haupteingang des Krankenhauses. 

Auch der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) äußerte sich am Wochenende zu den Ereignissen. „Auch der Verlust eines nahen Angehörigen entschuldigt oder rechtfertigt nicht ein solches Verhalten oder gar einen Angriff auf Krankenhauspersonal und ein Krankenhaus. Ich verurteile das aufs Schärfste und habe für ein solch asoziales Verhalten überhaupt kein Verständnis“, sagte er. Staatsanwaltschaft und Gerichte seien nun gefordert, darauf eine klare Antwort zu geben. 

Umfrage: Zunahme der Gewalt

Beschäftigte von Krankenhäusern sind nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) immer häufiger von gewalttätigen Übergriffen betroffen. Laut einer im Auftrag des Interessenverbandes im April durchgeführten repräsentativen Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts gaben 73 Prozent der Krankenhäuser an, dass die Zahl der Übergriffe in den Häusern in den vergangenen fünf Jahren mäßig (53 Prozent) oder deutlich (20 Prozent) gestiegen ist. Nur vier Prozent verzeichneten weniger Gewalt. 

Am stärksten betroffen ist demnach der Pflegedienst. Als eine der Hauptursachen für Gewalt nannten die Kliniken „einen allgemeinen Respektverlust“ gegenüber Krankenhauspersonal. Die Krankenhäuser versuchen der Umfrage zufolge den Übergriffen mit Deeskalationstrainings und baulichen Maßnahmen wie Zutrittsbeschränkungen und Videoüberwachung vorzubeugen. 28 Prozent der Kliniken setzen einen Sicherheitsdienst ein. Mehr als 90 Prozent der Krankenhäuser fordern angesichts der zunehmenden Gewalt eine Strafverschärfung.

Mehr zum Thema:

„Die Gewalt gegen Helfer und damit auch in Krankenhäusern hat in den vergangenen Jahren immer mehr zugenommen. Sehr häufig ist der Grund, dass Patienten die Reihenfolge, wie Notfälle behandelt werden, nicht verstehen“, sagte DKG-Sprecher Joachim Odenbach. In der persönlichen Notsituation werde zunehmend Gewalt angewendet, bei Gruppen sei dies besonders häufig der Fall. „Gewalt scheint immer mehr ein Mittel der Auseinandersetzung zu werden.“ Gesellschaftliche Schieflagen dürften aber nicht auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgewälzt werden.

Krankenhausgesellschaft sieht hohe Dunkelziffer

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in NRW, Michael Mertens, sagte: „Was in Essen geschehen ist, passt leider in die aktuelle Entwicklung. Es gibt eine Zunahme bei der Gewalt an Personen, die anderen Menschen helfen oder sie schützen. Dazu zählen Feuerwehrleute, Polizisten, Rettungsdienst und Krankenhausangestellte.“ Die Gewerkschaft fordert, die Sachverhalte in diesem Bereich schnell aufzuklären und hart zu bestrafen.

Eine Abfrage bei den Landeskriminalämtern zeigt: Die Zahl von Gewalttaten in deutschen Krankenhäusern steigt. Bundesweit ist die Zahl sogenannter Rohheitsdelikte in medizinischen Einrichtungen seit 2019 um etwa 18 Prozent auf mehr als 6190 Taten im Jahr 2022 gestiegen. Unter Rohheitsdelikte fallen Straftaten wie Raub oder Körperverletzung und Straftaten gegen die persönliche Freiheit. Im Jahr 2019 waren es noch etwa 5245 Delikte im Umfeld einer medizinischen Einrichtung. 

Die Zahlen gehen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik der Landeskriminalämter hervor. Die Länder Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind bei den Daten nicht inbegriffen, da sie Tatorte erst seit 2020 gesondert in ihrer Statistik erfassen. Die Daten lassen allerdings nicht erkennen, von wem die Gewalt verübt wurde. So kann sowohl das Opfer als auch der Tatverdächtige aus dem Bereich des ärztlichen oder pflegerischen Personals stammen.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft und das Deutsche Krankenhausinstitut gehen von einer erheblichen Dunkelziffer aus. Gerade kleinere Übergriffe würden vielfach nicht angezeigt, hieß es.

Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen