
Im Stuttgarter Klinikskandal hat das Landgericht jetzt in ersten Urteilen Haftstrafen gegen zwei Patientenbetreuer verhängt. Wegen Anstiftung zur Untreue erließ das Gericht am 4. März 2022 nach 45 Verhandlungstagen eine fünfjährige Freiheitsstrafe gegen einen 51-Jährigen. Ein 49-Jähriger erhielt eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten vorwiegend wegen Beihilfe.
Schaden in Millionenhöhe
Mit dem Wissen von Mitarbeitern des Klinikums sollen die beiden Männer überhöhte Abrechnungen bei der Behandlung von 370 libyschen Kriegsflüchtlingen zwischen 2013 und 2015 ausgestellt und auch nicht erbrachte Leistungen abgerechnet haben, um Provisionen einzustreichen – ohne Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarungen mit der libyschen Botschaft. Da diese nicht alle Rechnungen zahlte, entstand dem städtischen Krankenhaus ein Schaden in Millionenhöhe. Im Prozess war von 7,8 Millionen die Rede.
Als Haupttäter hat das Gericht einen führenden Mitarbeiter der inzwischen aufgelösten Auslandsabteilung des städtischen Krankenhauses ausgemacht. Diese habe unstrukturiert, hemdsärmelig und chaotisch gearbeitet, sagte der Vorsitzende Richter Hans-Jürgen Wenzler. Das Verfahren habe gezeigt, „wie ungeniert und dreist mit Geldern jongliert wurde“.
Im Kern seien unter anderem überhöhte Abrechnungen beispielsweise für Operationen ausgestellt, Dokumente rückdatiert und nicht erbrachte Leistungen wie zum Beispiel Einzelzimmer abgerechnet worden, die es gar nicht gab. Teilweise liefen die Geldtransfers dabei über private Konten. Und obwohl davon in dem Kooperationsvertrag keine Rede ist, wurden Taschengeld, Verpflegung und Hotelkosten in Millionenhöhe für die nordafrikanischen Patienten und Angehörige auf Rechnungen gesetzt.
Urteil erst der Auftakt für weitere Verfahren
Nachdem ein erstes Urteil gefällt wurde, werden laut des Landgerichts Stuttgart noch viele weitere Verfahren folgen. So seien die beiden Verurteilten nur Teil eines größeren Netzwerkes. Vor allem der ehemalige Leiter des Auslandsgeschäfts am Klinikum Stuttgart stünde laut Angaben des SWR im Mittelpunkt der Ermittlungen. Ob der ehemalige Klinikchef Ralf-Michael Schmitz und andere Klinikmitarbeiter involviert waren, werde geprüft.
Auch sei unklar, ob Ermittlungen gegen politisch Verantwortliche zu einer Anklageerhebung führen könnten. Dies beträfe laut SWR-Informationen vor allem den ehemaligen Stuttgarter Bürgermeister Werner Wölfle (Grüne) und seinen Amtsvorgänger Klaus-Peter Murawski (Grüne). Wölfle hatte das Ende seiner Amtszeit im Krankenstand verbracht. Zuvor habe es in seinem Büro und seiner Wohnung Razzien gegeben. Wann die Gerichtsverfahren gegen weitere Beschuldigte beginnen, ist aktuell noch offen.





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