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Neuaufnahmen auf IntensivstationenNeuer Orientierungswert für Pandemie-Bewertung nötig

Experten machen auf die angespannte Lage auf Intensivstation aufmerksam und die damit verbundene Notwendigkeit, die Intensivstation-Neuaufnahmen als Orientierungswert für die Pandemie-Bewertung zu berücksichtigen.

Intensivstation
Sudok1/stock.adobe.com
Symbolfoto

Zur Bewertung der Pandemie-Lage bringen Experten als Orientierungswert die Zahl der Intensivstation-Neuaufnahmen binnen sieben Tagen ins Spiel. Die Inzidenz, also die Zahl der Infektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche, korreliere bereits jetzt nicht gut mit der Lage, bekräftigte der Epidemiologe Gérard Krause am 20.4. in einer Video-Schalte des Science Media Center (SMC). Der Wert könne Risiken sowohl über- als auch unterschätzen.

Angespannte Lage auf den Intensivstationen

Die Lage auf den Intensivstationen in Deutschland ist nach Angaben von Medizinern nach wie vor besonders angespannt. Professor Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Uniklinikum Aachen, nannte dabei die Zahl von bundesweit beinahe 5000 Covid-19-Patienten. Es handele sich bei den neu Aufzunehmenden in den Krankenhäusern inzwischen oftmals um sehr junge Patienten in den 30er und in den 40er Lebensjahren im Unterschied zur ersten und zweiten Welle.

Mit der Uniklinik Düsseldorf gab am 20.4. ein weiteres großes medizinisches Zentrum die Auswirkungen der steigenden Corona-Zahlen auf den Klinikbetrieb bekannt. Mit ersten Einschränkungen bei planbaren Behandlungen soll das vorhandene Personal flexibler auch auf den Intensivstationen einsetzbar sein. Konkret werden deshalb fünf von 28 OP-Sälen vorerst nicht mehr genutzt. Zudem könnten weniger Betten belegt werden.

Neuaufnahmen auf Intensivstationen anstatt der Sieben-Tage-Inzidenz

Gebraucht würden mehrere Indikatoren, um die Lage sachgerecht abzubilden und gezielte Maßnahmen zu treffen, so Krause, Experte vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Das Robert Koch-Institut (RKI) liefere zwar eine Vielzahl an Daten, die aber leider nicht berücksichtigt würden bei der Entscheidungsfindung, so Krause. „Wenn man gezwungen ist, sich auf nur einen Messwert zu beschränken - und das scheint so zu sein -, dann wäre die Zahl der Neuaufnahmen auf Intensivstationen das, was der Situation am ehesten gerecht wird.

Einen Fokus auf schwer Erkrankte zu setzen, werde künftig noch wichtiger, da sich die Sieben-Tage-Inzidenz zunehmend von der eigentlichen gesundheitlichen Lage entkoppele, sagte Krause. Grund seien zwei an sich erwünschte Effekte: zunehmende Tests, etwa an Schulen, und Impfungen der Risikogruppen, die hoffentlich die gesundheitliche Belastung sinken ließen. Die Zahl der Ansteckungen werde allerdings nicht in demselben Maße abnehmen. Damit sei die Sieben-Tage-Inzidenz „kein guter Orientierungspunkt mehr“.

Christian Karagiannidis aus der wissenschaftlichen Leitung des DIVI-Intensivregisters sprach sich für eine gemeinsame Betrachtung dieser Zahl in Verbindung mit Prognosemodellen zur Belegung der Intensivbetten aus. Man dürfe nie auf nur einen Wert blicken.

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