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ProzessVerantwortliche aus Kliniken in Oldenburg und Delmenhorst vor Gericht

Das Oldenburger Landgericht klärt in einem Prozess ab dem 17. Februar 2022, ob der Patient*innenmörder Niels Högel von anderen Mitarbeitenden hätte gestoppt werden können. Vor Gericht stehen Verantwortliche aus den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst.

Klinikflur
Upixa/stock.adobe.com
Symbolfoto

Verantwortliche aus den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst stehen vom 17. Februar 2022 an als Angeklagte vor dem Oldenburger Landgericht. Ärzte, leitende Pflegerinnen und Pfleger und ein Ex-Klinik-Geschäftsführer. Die Vorwürfe wiegen schwer: Tötung, versuchte Tötung oder Beihilfe zur Tötung jeweils durch Unterlassen. Ihnen allen war der Name Niels Högel mehr als geläufig. Der Ex-Pfleger wurde 2019 vom selben Gericht wegen 85 Morden verurteilt. Auf dessen Verbrechen gab es über Jahre immer wieder Hinweise. Wurden sie ignoriert, verdrängt oder bewusst vertuscht?

Acht Angeklagte an 42 Verhandlungstagen vor Gericht

Für Christian Marbach ist dieser Prozess persönlich wichtiger als der von 2019, in dem Högel zu einer lebenslangen Haft verurteilt wurde. Sein Großvater gehörte zu den Opfern Högels und Marbach hofft, dass die „Wand des Schweigens“ die seitens der Klinikverantwortlichen aufgebaut worden sei, diesmal fällt. Allerdings müssten aus seiner Sicht nicht acht, sondern 20 bis 30 Personen auf der Anklagebank sitzen. Auch hier seien die Ermittlungen jahrelang verzögert worden, kritisiert er. Vor Gericht geht es konkret um acht Fälle, für die Högel bereits verurteilt wurde: Drei Morde im Oldenburger Klinikum sowie drei Morde und zwei Mordversuche in Delmenhorst. Für sechs Morde wurde Högel 2019 verurteilt, für die beiden Mordversuche bereits 2006 und 2015.

Allerdings müssen diese Taten unabhängig von der Rechtskraft des Urteils gegen Högel vor Gericht wieder gesondert festgestellt werden. Es gilt die Unschuldsvermutung für die Angeklagten. Auch Högel wird als Zeuge geladen. Er soll am 3. Verhandlungstag am 1. März aussagen. Die acht Angeklagten werden vor Gericht von 20 Verteidigern vertreten. Als Gerichtssaal fungiert wie 2019 der sogenannte Große Festsaal der Weser-Ems-Halle. Damals bot der Saal für 200 Zuschauer Platz, diesmal werden es coronabedingt maximal 65 sein. Für das Verfahren sind bis November 42 Verhandlungstage angesetzt. Der Vorsitzende Richter heißt wie 2019 Sebastian Bührmann.

Zweifel am Unwissen der Angeklagten

Für viele Angehörige dürfte der neuerliche Prozess belastend sein. „Aber ich halte ihn dennoch für absolut wichtig und notwendig“, sagt Karsten Krogmann, Sprecher des Hilfsvereins für Kriminalitätsopfer Weißer Ring. „Wie war es möglich, dass ein Mörder fünf Jahre lang an verschiedenen Kliniken in verschiedenen Orten Patienten töten konnte, ohne dass ihn irgendjemand gestoppt hat? Das ist weiter die Kernfrage“, so Krogmann. „Kann es sei sein, dass nichts auffällt, dass er einfach immer weiter machen kann? Ich habe da meine Zweifel und wir wissen durch unsere Recherchen: Es gab viele Hinweise darauf, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.“ Dies aufzuklären, sei nun Aufgabe des Gerichtes.

Högel, der zunächst in der Klinik Oldenburg als Pfleger arbeitete und von der dortigen Klinikleitung mit einem guten Zeugnis weggelobt wurde, ging dann nach Delmenhorst. Dort mordete er weiter. Spätestens an diesem Punkt des Wechsels hätte es eine Wende geben können. „Wenn sich die Beteiligten in Oldenburg anders entschieden hätten, wären die Morde in Delmenhorst nicht geschehen“, ist sich Krogmann sicher. Dafür aber hätten die Hinweise aktiv an die Polizei oder Staatsanwaltschaft gegeben werden müssen.

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