
Am 16. Mai tagt der Rat der Stadt Köln über den „Gesundheitscampus Merheim“. So lautet der Titel des Ende Februar präsentierten Zukunftsmodells, welches die hoch defizitären Kliniken der Stadt Köln aus der Krise führen soll. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und der Aufsichtsrat haben den Daumen bereits gehoben – auch für Kosten von rund 800 Millionen Euro innerhalb der kommenden neun Jahre.
Vom Tisch ist damit der Beschluss aus dem Jahr 2019 für das so genannte „2+1“-Modell, das den Erhalt der Standorte Merheim und Riehl und die Errichtung eines Medizinischen Kompetenzzentrum Holweide vorsah. Im Interview dazu begrüßte kma Sylvia Langer und Prof. Dr. Axel Goßmann, beide Geschäftsführer der Kliniken Köln.
Frau Langer, Herr Prof. Dr. Goßmann, welche Veränderungen sind konkret geplant?
Sylvia Langer: Kern unseres Zukunftsmodells ist die Zusammenführung aller drei bisherigen Standorte – der Kinderklinik, Holweide und Merheim – am Standort Merheim. Alle somatischen Fachabteilungen werden in dem entstehenden Gesundheitscampus zusammengezogen. Dadurch verringern wir die bislang sehr hohen logistischen und medizinischen Vorhaltekosten beträchtlich. Der Betrieb an drei Standorten mit einer teilweise veralteten Bausubstanz ist teuer und auch mit den vorhandenen Personalressourcen auf die Dauer nicht aufrecht zu erhalten.
Prof. Dr. Axel Goßmann: Neben einer dramatischen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation wird durch die bauliche und organisatorische Verzahnung die medizinische Qualität profitieren. Wir zentralisieren das medizinische Leistungsangebot und erleichtern den interdisziplinären Austausch. Damit schaffen wir die Grundlagen für leistungsfähige und innovative Versorgungsangebote, die auch technisch den Anforderungen an die moderne Hochleistungsmedizin eines Maximalversorgers gerecht wird.
Sylvia Langer: Wir schaffen moderne, gut strukturierte Arbeitsplätze. Das ist extrem wichtig, um im Wettbewerb um medizinische Fachkräfte auf Dauer attraktiv zu bleiben. Die Altersstruktur in den Belegschaften spiegelt die Wirklichkeit einer alternden Gesellschaft wider. Es gehen mehr Mitarbeiter in Rente als Nachwuchs nachrückt. Dieser Realität müssen wir uns stellen und die Strukturen, in denen wir arbeiten, an diesen Erfordernissen ausrichten. Durch die Zusammenführung der Häuser schaffen wir kurze Wege, erleichtern die Abstimmung und wir steigern die Effizienz. Wir werden künftig mehr Betten anbieten können, als wir es in der aktuellen Situation mit dem vorhandenen Personal leisten können.
Umkämpfte Entscheidung
Eigentlich soll die Kölner Bürgerschaft am 16. Mai über das Zukunftskonzept entscheiden. Doch wieder einmal gibt es Widerstand. Die SPD will die Entscheidung auf den Herbst vertagen. Die Beschlussvorlage lasse zu viele Fragen offen, kritisiert der Fraktionsvorsitzende Christian Joisten. Außerdem will er warten, bis die Grundlagen für eine Förderung des teuren Vorhabens klarer sind.
Das Kölner Regierungsbündnis aus Grünen, CDU und Volt verweis hingegen auf die schwierige Finanzlage und pocht auf eine schnelle Entscheidung. Allerdings erhoffen sie sich in Anbetracht der jahrelangen und teilweise hoch emotionalen Debatten die Zukunft der Kliniken und ihrer einzelnen Standorte einen möglichst breiten Konsens. Zugestimmt haben hingegen bereits Aufsichtsrat und Betriebsrat.
In welchen Zeiträumen planen Sie?
Sylvia Langer: Das Modell umfasst eine Entwicklung von neun Jahren. Vorgesehen sind unter anderem Neubauten für die bisher in Holweide und Riehl angesiedelten Abteilungen. Stand heute wäre eine Umsetzung bis 2031 möglich.
Worin unterscheidet sich das neue Konzept von allen vorigen Überlegungen?
Sylvia Langer: Vor allem haben wir die Kinderklinik in das Konzept mit einbezogen.
Das Kinderkrankenhaus in der Amsterdamer Straße zählt zu den größten Kinderkrankenhäusern Deutschlands mit jährlich 11 000 stationären Aufnahmen und mehr als 5000 operativen Eingriffen. Erst im vergangenen Jahr sollte ein Anbau fertig gestellt werden für über 20 Millionen Euro. Was geschieht jetzt mit diesen hochmodernen neuen Räumlichkeiten?
Prof. Dr. Axel Goßmann: Der Gesundheitscampus Merheim sieht für die Kinderklinik einen Neubau vor. Bis dieser bezogen werden kann, wird die Kinderklinik in der Amsterdamer Straße in Betrieb bleiben. Nach der Modellplanung ist der Umzug für frühestens 2028 vorgesehen. Wir sind sehr froh, dass der Anbau am Kinderkrankenhaus – falls keine Verzögerungen bei der Fertigstellung auftreten – im kommenden Jahr in Betrieb genommen werden kann. An diesem Bau sieht man, wie heute eine moderne Station einer Kinderklinik aussehen kann: wir bieten dort künftig großzügige Eltern-Kind-Zimmer, eine zeitgemäße Pflegeumgebung sowie eine Verbesserung des Infektionsschutzes. Der neue Trakt wird die medizinisch-pflegerische Versorgung verbessern und eine optimale Unterbringung ermöglichen. Wir freuen uns sehr auf die Inbetriebnahme im kommenden Jahr.

Was geschieht mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Standort Holweide?
Prof. Dr. Axel Goßmann: Die Kinder- und Jugendpsychiatrie wurde in einem eigenen Gebäudekomplex im Park des Krankenhauses Holweide untergebracht. Der 2005 bezogene Komplex wurde 2015 durch den Neubau einer städtischen Schule für Kranke (Hilde-Domin-Schule) ergänzt. Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie ist die einzige psychiatrische Fachabteilung der Kliniken Köln, so dass es so gut wie keine Berührungspunkte mit anderen Abteilungen gibt. Daher würde ein Umzug an den Standort Merheim keine signifikanten Vorteile bieten. Die Klinik soll am bisherigen Standort verbleiben.
Der geplante Gesundheitscampus umfasst auch den gesamten Standort in Holweide mit 407 Akutbetten. Obwohl beide Standorte – Holweide und Merheim – nur etwas über einen Kilometer voneinander entfernt sind, war vor allem dieser Umzug in der aktuellen Debatte politisch heftig umstritten. Warum?
Prof. Dr. Axel Goßmann: Tatsächlich wurde ist die jahrelange Diskussion über den Umzug nie richtig befriedet. Das hat auch mit der Geschichte der Kliniken zu tun. Es handelt sich um drei historisch gewachsene Standorte, drei über lange Zeit autark agierende Krankenhäuser. Natürlich entstehen über die Jahrzehnte auch in der Bevölkerung emotionale Bindungen zum Krankenhaus um die Ecke. Und natürlich gibt es am Anfang Sorgen, ob sich Anfahrtswege verlängern, lieb gewonnene Strukturen verändern und die Erreichbarkeit schwieriger wird.
Natürlich gibt es am Anfang Sorgen, ob sich Anfahrtswege verlängern, lieb gewonnene Strukturen verändern und die Erreichbarkeit schwieriger wird.
Sylvia Langer: Tatsächlich verlängert sich die Fahrzeit mit dem Auto nach der Darstellung im GKV-Kliniksimulator um weniger als eine Minute. Die Krankenhausdichte in Köln und Umgebung ist hoch; alle Bürgerinnen und Bürger können in kurzer Zeit ein Krankenhaus erreichen.
Prof. Dr. Axel Goßmann: Die Kinderklinik in der Amsterdamer Straße wurde im Jahr 1963 eingeweiht. Seinerzeit war es ein hoch modernes Konzept mit allen dafür notwendigen baulichen Voraussetzungen. Heute haben sich die medizinischen, organisatorischen und architektonischen Anforderungen verändert und wir müssen diesen Veränderungen Rechnung tragen.
Gibt es ein Weiternutzungskonzept für den Standort Holweide?
Sylvia Langer: Wir sind ein medizinischer Maximalversorger. Stadtplanung und die Entwicklung von Nutzungskonzepten sind nicht unsere Aufgaben. Bei diesen Fragen wird es eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Stadt Köln geben. Wir sind dankbar, hier mit eingebunden zu sein.
In welcher Weise tragen die projektierten Veränderungen dazu bei, das laufende Defizit zu senken?
Sylvia Langer: Das Arbeiten am geplanten Gesundheitscampus Merheim kann das Jahresergebnis der Kliniken Köln nachhaltig und deutlich verbessern. Der Strategieplan umfasst die notwendigen Investitionen und berücksichtigt außerdem die aktuellen gesundheitspolitischen Entwicklungen, zum Beispiel den Krankenhausplan für das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) und die geplante Krankenhausreform der Bundesregierung, soweit deren Vorgaben bislang absehbar sind.
Wann werden die Effekte greifen?
Prof. Dr. Axel Goßmann: Die Zeiträume für den Umbau und den Beginn der Arbeit in den neuen Strukturen bemessen sich immer erst ab den jeweiligen politischen Beschlüssen der verantwortlichen Gremien. Je nach dem, wann die endgültige Entscheidung fällt, kann sich die Terminplanung natürlich nach hinten verschieben.
Der Rat der Stadt muss entscheiden, in welchem Umfang wir allen diesen Anforderungen künftig nachkommen sollen.
Sylvia Langer: Die von uns kalkulierten Kosteneffekte können sich erst nach dem geplanten Umzug im Jahr 2028 auswirken. Ab dann können wir schnell zu deutlich besseren Ergebnissen kommen. Unser Sanierungskonzept ist aber – wie eingangs geschildert – eben nicht wirtschaftlich getriggert. Aus der verbesserten interprofessionellen und interdisziplinären Zusammenarbeit, dem Wegfall überflüssiger Wege und Prozess-Schritte ergeben sich sowohl eine höhere Versorgungsqualität und Vorteile bei der Personalakquise als auch wirtschaftliches Handeln.
Prof. Dr. Axel Goßmann: Es geht auch um unseren Versorgungsauftrag als großes kommunales Krankenhaus und wichtiger Nahversorger. Der Rat der Stadt muss entscheiden, in welchem Umfang wir allen diesen Anforderungen künftig nachkommen sollen. Das bedeutet, er entscheidet auch über die Weiterführung unvermeidbarer Defizite im Rahmen dieses Versorgungsauftrags.

Wer übernimmt die notwendigen Investitionen?
Sylvia Langer: Die Stadt Köln als Trägerin ist im ersten Schritt für die Finanzierung verantwortlich. Unser Zukunftskonzept sieht Investitionen von 590 Millionen Euro vor; hinzu kommen laufende Defizite.
In welcher Höhe rechnen Sie mit öffentlicher Förderung?
Sylvia Langer: Der Auftrag an die Geschäftsführung ist ganz klar, alle Möglichkeiten für die Nutzung von Fördergeldern aufzuzeigen. Natürlich werden wir öffentliche Strukturfördermittel in Ansatz bringen. Das Land Nordrhein-Westphalen plant zurzeit einen weiteren Strukturfonds mit einem Volumen von 2,5 Milliarden Euro. Noch steht aber nicht fest, wie und wofür genau wir Fördermittel beantragen können.
Prof. Dr. Axel Goßmann: Vor dem Hintergrund der medizinischen und wirtschaftlichen Effekte durch die Zentralisierung gehe ich aber davon aus, dass unsere Hoffnung auf Förderung berechtigt ist.
Wie hoch veranschlagen Sie das Defizit für das laufende Jahr und darüber hinaus?
Sylvia Langer: Das laufende Defizit beträgt ca. 69 Millionen Euro. Insgesamt gehen wir für den Zeitraum von 2023 bis 2031 von einem Volumen von ca. 818 Millionen Euro aus, falls keine strukturellen Änderungen umgesetzt werden. Langfristig hat uns die Stadt Köln als Trägerin den Auftrag erteilt, das Defizit auf unter zehn Millionen Euro zu reduzieren (EBITDA ab 2031 < zehn Millionen Euro). Diesen Auftrag können wir ab 2031 auch erfüllen. Die sich mit dem Umzug ergebenden Rahmenbedingungen werden eine signifikante Verbesserung des Betriebsergebnisses ermöglichen. Ein Weitermachen wie bisher würde eine Weiterführung der desaströsen Betriebskosten ohne die in unserem Modell angestrebten strukturellen Verbesserungen bedeuten.
Der Aufsichtsrat hat seine Zustimmung mit verschiedenen Prüfaufträge an die Geschäftsführung verbunden, deren Ergebnisse sollen bis zum Sommer vorgelegt werden müssen. Um welche Themen geht es hier?
Sylvia Langer: Der Aufsichtsrat hatte zu einigen Details noch Nachfragen, die wir beantworten werden. Da die Diskussionen im Aufsichtsrat vertraulich sind, können wir keine Einzelheiten nennen. Die offenen Fragen standen aber einem klaren, positiven Votum für das Zukunftsmodell nicht im Wege.
Gibt es Signale von der Landesregierung, ob das neue Konzept die Bereitschaft erhöht, einer Fusion mit dem Universitätsklinikum zuzustimmen?
Sylvia Langer: Unsere Planungen laufen komplett losgelöst von den Entscheidungen um eine Fusion. Unser Auftrag als Geschäftsführung der Kliniken Köln war, ein Zukunftskonzept zu entwickeln. Die immer wieder diskutierten Fusionsgedanken haben nichts mit diesem Auftrag zu tun. Es gibt noch keinen Beschluss der Landesregierung über eine Fusion. Wir als Geschäftsführung der Städtischen Kliniken sind auch nicht in Gesprächen mit der Landesregierung zu diesem Thema. Es gibt auch keine weiteren Informations-Anfragen an uns. Die Universitätsklinik Köln hat dem Land ein Fusionskonzept vorgelegt, das wir nicht kennen.
Unsere Planungen laufen komplett losgelöst von den Entscheidungen um eine Fusion.
Prof. Dr. Axel Goßmann: Natürlich wäre ein zentralisiertes, wirtschaftlich und medizinisch gut aufgestelltes Haus auch ein guter Fusionspartner.
Die vergangenen eineinhalb Jahre waren auch für Krankenhäuser extrem schwierig mit hohen Kostensteigerungen, unter anderem bei Energie und Personal: wird das Defizit im laufenden Jahr noch einmal größer werden?
Sylvia Langer: In unseren Planungen haben wir Kostensteigerungen berücksichtigt, soweit wir sie absehen können. Wir steuern im Rahmen des genehmigten Wirtschaftsplans. Fakt ist, dass der Landes-Basisfallwert mit den aktuellen Kostensteigerungen nicht mithält. Bei den Energiekosten merken wir die Verteuerung aktuell noch nicht so sehr, weil wir uns auf lange laufende und gut verhandelte Verträge stützen können. Diese Verträge laufen aber im kommenden Jahr aus. Dann stehen wir womöglich vor einer anderen Situation. Wir starten bei einem negativen Ergebnis von 69 Millionen Euro. Mit aller gebotenen kaufmännischen Vorsicht kann ich sagen, dass wir uns in diesem Planungsansatz bewegen.






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