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KündigungBielefelder Klinik-Zoff – Der „Hilferuf“ des Ärztlichen Direktors

Am Klinikum Bielefeld kündigt der Ärztliche Direktor und sorgt damit für Aufsehen. Prof. Holger Sudhoff beklagt diverse Missstände, auch im Führungsstil. Die Klinikleitung reagiert mit seiner sofortigen Freistellung.

Holger Sudhoff
Klinikum Bielefeld
Prof. Dr. Dr. Holger Sudhoff hat mit seiner Kündigung ein kleines Klinik-Drama in Gang gesetzt.

Es brodelt ordentlich am Klinikum Bielefeld. Seit der Ärztliche Direktor, Universitätsprofessor Dr. Dr. Holger Sudhoff, seine Kündigung eingereicht hat, macht der kommunale Maximalversorger ungewollt Schlagzeilen. Sudhoff hatte Anfang August seinen Abgang zum 31. März 2024 erklärt. Er sieht die Patientenversorgung in Gefahr, kritisiert Geschäftsführer Michael Ackermann wegen seines Führungsstils und beklagt einen zu rigiden Sparkurs.

Die Vorwürfe beschäftigten seitdem nicht nur den Aufsichtsrat des Klinikums, sondern auch den nordrhein-westfälischen Landtag. Begriffe wie „Krise“, „Krach“ und „Eskalation“ bestimmen die Schlagzeilen der regionalen Medien. Die jüngste Eskalationsstufe: Am 4. September stellte die Betriebsleitung Sudhoff mit sofortiger Wirkung unter Beibehaltung seiner Bezüge frei.

Aufsichtsrat bestätigt Freistellung

Dem Ärztlichen Direktor und Direktor der Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie wird vorgeworfen, Dienstgeheimnisse an Dritte weitergegeben zu haben, sagt er selber. Vom Klinikum ist auf Anfrage keine weitere Aussage dazu zu erhalten. Inzwischen hat der Aufsichtsrat die Entscheidung der Betriebsleitung bestätigt und Sudhoff in Folge der Freistellung des Amtes als Ärztlicher Direktor enthoben. Offenbar geht es bei dem Vorwurf um eine Überlastungsanzeige einer Intensivstation, die er an den Aufsichtsrat weitergeleitet habe, erklärt Sudhoff im Gespräch mit kma. Für den 56-Jährigen hat sich der Fall damit komplett anders entwickelt als er nach eigener Aussage beabsichtigt hatte.

Ich hatte das Gefühl, Patienten und Mitarbeitenden nicht mehr gerecht werden zu können.

Seine Kündigung sei ein letzter Hilferuf gewesen, sagt Sudhoff zu kma, denn er habe sich in seiner Position ohnmächtig gefühlt. Ihm gehe es vor allem um die Patienten und den Ruf der Klinik. Unter anderem seien wegen der Personalsituation Hunderte Operationen verschoben worden, insbesondere auch bei vielen Tumorpatienten. Zudem fehlt Sudhoff die Wertschätzung für das Personal. Viele hätten innerlich gekündigt. Auch hätten zahlreiche hochqualifizierte Kollegen das Haus mittlerweile verlassen, in den vergangenen zwölf Monaten allein insgesamt 14 mit Leitungsfunktionen. Er wünsche sich einen anderen Führungsstil des Geschäftsführers, sagt Sudhoff.

Auf die Situation habe er immer wieder hingewiesen, Michael Ackermann sei jedoch nicht zu Gesprächen bereit gewesen. Unter diesen Umständen habe er das Gefühl gehabt, Patienten und Mitarbeitenden nicht mehr gerecht werden zu können, erklärt Sudhoff, und das könne er so nicht mehr mittragen.

Klinikum Bielefeld Mitte
Klinikum Bielefeld
Am Klinikum Bielefeld – hier der Standort Mitte – ist die Stimmung derzeit vergiftet.

Ziel der Kündigung sei gewesen, doch noch über die Lage zu sprechen und Verbesserungen herbeizuführen, betont Sudhoff in einem Brief an den Geschäftsführer, den Bielefelder Oberbürgermeister und den Aufsichtsratsvorsitzenden, der kma vorliegt. Darin schlägt der jetzt ehemalige Chefarzt unter anderem eine extern begleitete Mitarbeiter-Befragung, „ein Coaching über Umgangsformen und Führungsstil in unserem Haus“ und Workshops dazu vor, wie Patienten optimaler aufgenommen und versorgt werden könnten. Zudem verweist er auf ein Mediationsangebot von Oberbürgermeister Pit Clausen, das Ackermann abgelehnt habe. Eine Reaktion auf den vor etwa drei Wochen geschriebenen Brief habe er nicht erhalten, dafür nun die Freistellung.

„Ich habe Verständnis für die Position von Herrn Ackermann“, betont Sudhoff. Von seiner Seite führe er keine persönliche Fehde. Ihm sei bewusst, dass das System Krankenhaus überall unter extrem hohem Druck stehe – nur müsse dann eben gemeinsam über ein angemessenes Vorgehen beraten werden.

Klinikleitung antwortet mit Faktenblatt

Die Klinikleitung um Michael Ackermann, der seit neun Jahren an der Spitze des Maximalversorgers steht, mag Sudhoffs Vorwürfe nicht so im Raum stehen lassen und hat dafür ein mehrseitiges Faktenblatt vorgelegt. Unter anderem heißt es darin, das Haus habe sich erfolgreich konsolidiert. Die Jahresergebnisse lägen seit 2018 im positiven Bereich, zuletzt auch im Jahr 2022. Grundsätzlich, so ist auch zu lesen, gehe es im Alltag um „ein ständiges Abwägen zwischen Wünschenswertem und Bezahlbarem im kollegialen Austausch mit den Beteiligten“.

Die letzten Sparprogramme endeten demnach im Jahr 2018, und jetzt investiere das Klinikum in neue Behandlungsmethoden und Gebäude. Weitere Einsparungen bei Behandlungen und in der Pflege fänden seit fünf Jahren nicht mehr statt. Auch die Personalsituation sei stabil. Seit 2018 sei die Zahl der Vollkräfte von 1705 auf 1918 gesteigert worden, und für 2023 zeichne sich ein weiterer Zuwachs ab. Einsparungen beim Personal seien nur für den Schreibdienst geplant, wo Künstliche Intelligenz stärker zum Einsatz komme.

Sudhoff soll schon mehrmals gekündigt haben

Sudhoffs Begründungen für seine Kündigung betrachte die Geschäftsführung als eine Meinungsäußerung, nicht aber als Feststellung sachlich überprüfbarer Tatsachen, heißt in dem Faktenblatt weiter. Tatsache sei, dass Sudhoff schon vorher mehrmals gekündigt habe, „dies jeweils in Verbindung mit Forderungen an die Geschäftsführung“.

Man respektiere die jüngste Kündigung „als reflektierte Entscheidung und damit endgültig“. Der Weiterbestand und laufende Betrieb der von ihm geleiteten Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie sei durch die Personalie nicht gefährdet.

Gleichzeitiges Aus an der Universität

Sudhoff war seit 2007 Chefarzt am Klinikum, im Dezember 2022 wurde er zum Ärztlichen Direktor gewählt. Sein Frust hat sich offenbar seit Jahren aufgestaut. Schon seit 2014 sei die Situation zunehmend problematisch und teilweise grenzwertig gewesen, erinnert sich der 56-Jährige. Mit seiner Kündigung und der Freistellung durch das Klinikum ist jetzt auch sein Engagement für die Universität Bielefeld beendet. Die Verträge sind gekoppelt. Sudhoff war seit Januar 2021 W3-Professor am Universitätsklinikum OWL der Universität Bielefeld. Er besetzte den Lehrstuhl des Faches HNO und war Mitglied des Fakultätsrates.

Die Klinikum Bielefeld gGmbH betreibt mit ihren Tochtergesellschaften die drei Krankenhäuser Klinikum Bielefeld Mitte, Klinikum Bielefeld Rosenhöhe und Klinikum Halle (Westf.). Zusammen zählen sie rund 1100 Betten und behandeln im Jahr durchschnittlich 140 000 stationäre und ambulante Patienten. Gesellschafterinnen sind die Stadt Bielefeld (89 Prozent) und die Stadt Halle/Westf. (elf Prozent).

Das Klinikum danke „Prof. Sudhoff für seine langjährige und engagierte Arbeit und wünscht ihm für die Zukunft alles Gute“, heißt es in der knappen Erklärung zur Sudhoff-Freistellung. Die kommissarische Leitung der Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie werde in Kürze bekanntgegeben. Auch dann jedoch scheint die Situation in Bielefeld längst noch nicht aufgearbeitet zu sein.

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