
Der Ton ist rau geworden in Solingen. „Kannibalismus“ und „Plünderung“ beklagen die einen, die anderen kritisieren eine „Verdrehung der Tatsachen“. Die katholische Kplus Gruppe jedenfalls sieht sich von ihrem bisherigen Partner, dem Städtischen Klinikum Solingen, böse hintergangen. Grund des Grolls ist die lukrative Stroke Unit ihrer St. Lukas Klinik: Das Team um den Chefarzt der Neurologie sei vom Städtischen Klinikum nahezu komplett abgeworben worden, entsprechende Kündigungen lägen vor, sagt Kai Siekkötter, Sprecher der Geschäftsführung der Kplus Gruppe: „Natürlich ist das ein Schlag in die Magengrube.“
Sein arg gebeuteltes Unternehmen steckt mitten in der Sanierung und durchläuft seit Ende Juni 2023 ein Schutzschirmverfahren. Da ist der Wegfall der Neurologie doppelt bitter. Die Abteilung steht für einen Jahresumsatz von zwölf bis 14 Millionen Euro, der in der bisher verfolgten Sanierungsstrategie eine nicht unwesentliche Rolle spielte. Kplus wird die Lukas Klinik zum Ende des Jahres früher als geplant schließen und wollte mit der Neurologie samt der überregionalen Stroke Unit das Haus in Hilden stärken. Die Geriatrie der Lukas Klinik sollte das dritte von der Insolvenz betroffene Haus in Haan stützen.
Zurzeit keine Bestandsgarantie für Haan
Jetzt muss eine ganz neue Strategie her. „Wir arbeiten an alternativen Lösungen“, heißt es. Zum jetzigen Zeitpunkt allerdings werde auch für Haan keine Bestandsgarantie mehr gegeben. Welche Auswirkungen die Entwicklung zudem für die Investorensuche hat, ist derzeit noch nicht absehbar. Im Rahmen des gerichtlichen Sanierungsverfahrens laufen unter anderem Verhandlungen mit den Alexianern – und die, so ist zu hören, werden offenbar weiter fortgesetzt.
Es hat kein aktives Abwerben von Seiten der Geschäftsführung des Städtischen Klinikums gegeben.

Auch die Verantwortlichen im Städtischen Klinikum Solingen zeigen sich jetzt verstimmt. „Wir betonen mit Nachdruck: Es hat kein aktives Abwerben von Seiten der Geschäftsführung des Städtischen Klinikums gegeben“, sagt Prof. Dr. Martin Eversmeyer, der Vorsitzende der Geschäftsführung. Die Teams wollten zusammenbleiben und hätten sich daher geschlossen beim Klinikum beworben. „Uns wurde mehrfach verdeutlicht, dass Hilden ohne den geplanten Ausbau in absehbarer Zeit sowohl in apparativer Hinsicht als auch räumlich nicht in der Lage sein werde, eine Neurologie und die Schlaganfallversorgung abzubilden“, erklärt Eversmeyer.
Es sei deshalb nachvollziehbar, dass sich Kplus-Mitarbeitende nach einer adäquaten Beschäftigung umschauen: „Ihr bisheriger Arbeitgeber unterliegt einem Insolvenzverfahren, und die Arbeitsplätze in der Lukas Klinik fallen Ende dieses Jahres definitiv weg“, sagt Eversmeyer.
Aus Partnern wurden Gegner
Mit Blick auf die künftige neurologische Versorgung waren die Kplus-Verantwortlichen bislang von einer Kooperation mit dem Städtischen Klinikum ausgegangen, betonen sie. Das sei der Wunsch des Gesundheitsministeriums gewesen, und darüber seien auch Verhandlungen geführt worden. Das, was das Städtische Klinikum jetzt getan habe, zeige jedoch deutlich, „dass es nicht um die beste Lösung für die Menschen geht, sondern dass das Klinikum und sein Geschäftsführer ausschließlich eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen“, kritisiert Stefan Denkhaus von der Kanzlei BRL. Der Rechtsanwalt begleitet die Kplus Gruppe im Schutzschirmverfahren als Generalhandlungsbevollmächtigter. Eine Personalabwerbung in dieser Massivität habe er noch nicht erlebt, sagte Denkhaus dem WDR.
Das verträgt sich nicht mit unserem Verständnis von Anstand und Ehrlichkeit.

„Das Klinikum hat zu keiner Zeit ehrlich mit uns gesprochen, sondern im stillen Kämmerlein verhandelt“, ärgert sich Kai Siekkötter. Die Klinikleitung habe die aufgrund des Schutzschirmverfahrens aufgekommene Unsicherheit der Mitarbeitenden ausgenutzt. „Das kann man so machen, verträgt sich aber nicht mit unserem Verständnis von Anstand und Ehrlichkeit, die wir im Umgang mit unseren Partnern pflegen“, so Siekkötter.
Es gab eine gemeinsame Absichtserklärung
Martin Eversmeyer sieht das anders: „Am 24. August haben wir der Kplus Gruppe ein weiteres Kooperationsangebot bezüglich der Neurologie unterbreitet. Die Gespräche sind von Seiten der Kplus Gruppe ergebnislos abgebrochen worden.“ Eversmeyer beruft sich zudem auf eine im März 2023 unterschriebene Absichtserklärung. Damals hätten beide Klinikträger festgelegt, das Kplus-Haus in Hilden und das Städtische Klinikum auszubauen und an beiden Standorten eine unabhängige Hauptabteilung für Neurologie aufzubauen.
Durch das Insolvenzverfahren und die Entscheidung zur vorzeitigen Schließung der Lukas Klinik habe Kplus diese gemeinsame Absichtserklärung jedoch verlassen und alle Beteiligten unter einen enormen Zugzwang gesetzt, insbesondere was die Schlaganfallversorgung angehe, so Eversmeyer.
Ein solches Team entsteht nicht über Nacht.
Bislang hat Kplus den Auftrag für die neurologische Versorgung in Solingen und für den südlichen Kreis Mettmann, in dem auch das Hildener Haus liegt. Jetzt allerdings wurde der Antrag dafür ab dem Jahr 2024 zurückgenommen. Es wäre die Situation entstanden, „dass wir den Auftrag des Landes für die neurologische Versorgung hätten, das Städtische Klinikum aber unsere Mitarbeitenden“, sagt Siekkötter. Das Team der Neurologie in der St. Lukas Klinik bestehe aus mehr als 90 Personen, davon 26 Ärztinnen und Ärzte sowie mehr als 60 Pflegekräfte. „Ein solches Team entsteht nicht über Nacht.“
Beim derzeitigen Stand wird die Stroke Unit in der St. Lukas Klinik noch bis zum 31. Dezember 2023 fortgeführt, ab dem 1. Januar 2024 wechselt das Team dann zum Städtischen Klinikum Solingen. Der Maximalversorger mit 458 Betten hatte bereits Ende Juli damit begonnen, den Aufbau einer Neurologie vorzubereiten. Für Kplus-Aufsichtsratschef Thomas Marx steht allerdings schon jetzt fest: „Die Schlaganfallversorgung wird künftig im südlichen Kreis Mettmann deutlich schlechter als bisher.“
Wir haben bereits einen vorbereitenden Kooperationsvertrag mit dem Evangelischen Krankenhaus Mettmann abgeschlossen.
Bisher stehe im Kreis Mettmann keine Neurologie und keine Schlaganfallversorgung zur Verfügung, erklären dagegen die Verantwortlichen des Städtischen Klinikums. Im Rahmen der vorgezogenen Krankenhausplanung des Gesundheitsministeriums prüfe das Land Nordrhein-Westfalen für den Kreis Mettmann einen weiterer Standort. „In diesem Zusammenhang haben wir bereits einen vorbereitenden Kooperationsvertrag mit dem Evangelischen Krankenhaus Mettmann abgeschlossen“, sagt Eversmeyer. Wenn das Land es wünsche, „würden wir ab 1. Januar 2024 das Evangelische Krankenhaus in Mettmann unterstützen, dort zeitnah eine Stroke Unit aufzubauen“. Laut Ministerium solle es eine Entscheidung bezüglich der Krankenhausplanung in den nächsten vier Wochen geben.
Sanierungsverfahren soll Anfang 2024 beendet sein
Durch die Abwanderung der Neurologie verändere sich für die Kplus Gruppe deren Strategie, heißt es dort weiter. Während Hilden ein erweitertes stationäres Angebot erhalten werde, sollten in Haan die Bereiche der ambulanten Operationen, der therapeutischen und der pflegerischen Angebote ausgebaut werden. An den Konzepten wird nun gearbeitet. Das gerichtliche Sanierungsverfahren solle nach wie vor im ersten Quartal 2024 beendet werden – vorbehaltlich der abschließenden Umsetzung der Investorenvereinbarungen, so Siekkötter: „Wir lassen uns nicht unterbuttern.“





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