
Die Kasseler Richter verhandeln dabei die Klagen von Freiberuflern, Krankenhäusern und Pflegeheimen aus mehreren Bundesländern, die sich gegen Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung wehren.
"Honorarärzte werden häufig nebenberuflich oder für eine Vielzahl von Auftraggebern, zeitlich auf Tage oder wenige Wochen befristet auf Basis individuell vereinbarter Einsätze und Dienste tätig", erklärt Jutta Siefert, Sprecherin des Bundessozialgerichts (BSG). Oft würden sie über Agenturen an die Krankenhäuser vermittelt und arbeiteten für einen vorher festgelegten Stundensatz. Der liege üblicherweise deutlich über dem Lohn eines vergleichbaren angestellten Arztes.
"Es geht nicht um prekäre Arbeitsverhältnisse oder das Einsparen von Sozialabgaben", sagt auch Nicolai Schäfer, Vorsitzender des Bundesverbands der Honorarärzte. Vielmehr träfen ähnlich gelagerte Interessen aufeinander: Einige Mediziner wollten selbst bestimmen, wie viel sie arbeiteten. Gleichzeitig seien für Kliniken Ärzte wichtig, "die man zeitweise gewinnen kann, wenn Stellen vakant sind oder Abteilungen vor dem Kollaps stehen".
Jede zweite Klinik stockt mit Honorarkräften auf
Wie viele Honorarärzte es bundesweit gibt, ist unklar. Im Schnitt greife aber jede zweite Klinik auf sie zurück. Vor allem im Bereich Anästhesie (Betäubung), Innere Medizin und sprechende Medizin - das sind Arbeitsfelder, bei denen die Kommunikation zwischen Arzt und Patient besonders bedeutsam ist - seien Honorarärzte wichtig.
Bei Überprüfungen kam die Deutsche Rentenversicherung zu dem Schluss, dass die Honorarärzte oftmals nicht wie Freiberufler beschäftigt wurden, sondern wie abhängig Beschäftigte. Damit hätten die Arbeitgeber auch Sozialabgaben wie Arbeitslosen- und Rentenversicherung zahlen müssen. "So entstehen erhebliche Nachzahlungen", sagt Schäfer. Für die Ärzte gehe es um weniger Geld: Nur einen Teil könnten sich die Kliniken von den Medizinern zurückholen.
Kliniken und Mediziner wehrten sich, laut dem Bundessozialgericht aber meist vergeblich. Die Landessozialgerichte hätten überwiegend das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung bejaht, erklärt BSG-Sprecherin Siefert.
Bundessozialgericht soll Klarheit bringen
Denn laut dem Bundesverband der Honorarärzte ist bisher unklar, welche Kriterien - wie Unternehmerrisiko und Eingliederung in die Klinikorganisation - ausschlaggebend für eine Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses sind. Das Bundessozialgericht werde Klarheit bringen, so die Hoffnung: "Ich glaube, das Urteil wird dafür sorgen, dass wir mehr wissen, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit wir von echter Selbstständigkeit sprechen können", erklärte Schäfer.
Die Deutsche Rentenversicherung rechnet ebenso damit, dass "das Bundessozialgericht die bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit weiter ausdifferenzieren wird", wie ein Sprecher mitteilte. Als Verwaltung sei die Deutsche Rentenversicherung an Recht und Gesetz gebunden, und damit "die wahre rechtliche Natur der gelebten Verhältnisse" entscheidend. Der Wille des Betroffenen sei daher nicht ausschlaggebend, "sondern allenfalls ein Indiz".


Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!
Jetzt einloggen