Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

MDK-PrüfungenBundessozialgericht ist ein rotes Tuch für die Kliniken

Die Art und Weise der MDK-Prüfungen empfinden viele Kliniken als Willkür. Zündstoff liefern die Strukturprüfungen des MDK. Eine besondere Rolle spielt dabei das Bundessozialgericht unter dem Vorsitz von Ernst Hauck.

Überprüfung
pixabay
Symbolbild
kma_Titel_0918
kma
Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Titelgeschichte „Außer Kontrolle“ (kma 9/2018) über die MDK-Prüfungen in Krankenhäusern.

Strukturvorgaben existieren vor allem in den Prozedurencodes für die sogenannten Komplexbehandlungen. Die meisten davon sind relativ unstrittig, doch bei Abrechnungen aus der Intensivmedizin, beim Schlaganfall und in der Geriatrie knallt es regelmäßig. Kürzlich sorgte ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) drei Monate lang für regelrechten Aufruhr in der Klinikszene: Zu den für die Schlaganfallbehandlung notwendigen Voraussetzung zählt, dass entweder eine Neurochirurgie im Haus oder innerhalb von 30 Minuten erreichbar sein muss.

Das Gericht legte Ende Mai fest: „Dieser Zeitraum beginnt mit der Entscheidung, ein Transportmittel anzufordern, und endet mit der Übergabe des Patienten an die behandelnde Einheit des Kooperationspartners.“ Die bisher geltende Definition des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) sprach ausdrücklich von der Fahrzeit des Rettungswagens oder der Flugzeit des Rettungshubschraubers.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Titelgeschichte „Außer Kontrolle“ (kma 9/2018) über die MDK-Prüfungen in Krankenhäusern.

Die Folgen des Urteils bekamen viele Kliniken unmittelbar zu spüren, auch DKG-Präsident Gerald Gaß, der im Hauptberuf Geschäftsführer eines Landeskrankenhauses in Rheinland-Pfalz ist: „Wir haben drei Standorte mit Stroke Units. In allen dreien erbringen wir die komplexe Schlaganfallbehandlung. Nach dem BSG-Urteil wäre die Einhaltung der Strukturvorgabe fast unmöglich. Denn bei der Entscheidung ihn zu verlegen, liegt der Patient im CT. Er muss dann raus aus dem CT ins Rettungsmittel und dann in den Verkehr. Es ist bei dieser Auslegung nahezu unmöglich diese Behandlung in einer Klinik ohne neurochirurgische Abteilung im Haus vorzunehmen“, schimpft Gaß.

Im Fall seines Landeskrankenhauses forderte eine Kasse unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils allein für 2014 (aus diesem Jahr stammt die Klage) 2,2 Millionen Euro zurück. „Es gibt noch keine schriftliche Urteilsbegründung und trotzdem steht die Barmer schon bei uns auf der Matte. Das lässt den missionarischen Eifer mancher Kassen erkennen, durch den MDK eine Strukturbereinigung in der Kliniklandschaft zu erwirken“, wettert der DKG-Präsident. „Wenn die Politik derselben Meinung wäre, könnten wir ja damit leben. Aber das ist sie nicht. Die Landesregierung in Mainz wünscht ja, dass wir an unseren Standorten die komplexe Schlaganfallbehandlung anbieten.“ 

Kassen halten sich offenbar nicht an Präzisierung

Die DKG machte daraufhin mächtig Wirbel, bat das Bundesgesundheitsministerium um Stellungnahme und forderte das DIMDI auf, den OPS-Kode zu präzisieren. Mit Erfolg, denn das DIMDI stellte Anfang August in einer Präzisierung klar: "Die Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende ist die Zeit, die der Patient im Transportmittel verbringt."

Damit ist die BSG-Sicht vom Tisch. Doch laut Gaß „interessiert es die Kassen nicht, was das DIMDI festlegt. Sie berufen sich auf das Urteil des Bundesozialgerichtes und ignorieren das DIMDI“. Aufgrund der hohen Rückforderungen der Kassen klagen inzwischen erste Kliniken, andere drohen gar mit dem Ausstieg aus der Schlaganfallversorgung. Wenn im Oktober die nächste Version des OPS-Codes veröffentlicht werde, „erwarten wir, dass dies sachgerecht berücksichtigt wird“, so DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum.  

Stimmungstief: Klinik erstattet Strafanzeige gegen Sozialrichter

Der Streit schwelt weiter, etwa bei der geriatrischen Komplexbehandlung: Die Ende 2017 durch das BSG verlangte „Anwesenheit eines Psychologen bei jeder Teambesprechung“ (die so auch nicht im Code steht) wendet der MDK derzeit rückwirkend auf Zeiträume an, zu denen die Urteilsschrift noch gar nicht veröffentlicht war. Kein Wunder, dass die Klinikszene auf das Bundessozialgericht unter dem Vorsitz von Ernst Hauck nicht gut zu sprechen ist.

Dieses Gefühl gipfelte im Januar in einer Strafanzeige eins Berliner Krankenhauses gegen mehrere Richter des 1. Senats des BSG wegen des Verdachts fortgesetzter Rechtsbeugung. Das Krankenhaus wirft den Richtern die Missachtung von Gesetzen sowie Verfassungsverstöße vor. Es ist eine spektakuläre Aktion, die zeigt, wie tief die Stimmung mittlerweile gesunken ist.

Liste der Komplexbehandlungen

Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen