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kma im InterviewDas sollten Kliniken bei Corporate Influencern beachten

Auch für Martin Camphausen ist klar: Menschen vertrauen Menschen – dieses Credo sollte seiner Meinung nach in der Kommunikation künftig noch mehr Beachtung finden. Corporate Influencer ermöglichen einen authentischen Zugang zu den Themen und Gebieten einer Klinik.

Martin Camphausen
JP|KOM/Falco Peters
Martin Camphausen

Dafür ist aber auch eine gute und den Mitarbeitern bekannte Unternehmenskultur wichtig sowie ein abteilungsübergreifendes Set-up.

Stirbt die klassische Stellenanzeige aus? Welche Wege kann ich noch beschreiten?

Ich würde nicht sagen, dass die klassische Stellenanzeige ausstirbt, auch nicht in den nächsten Jahren. Aber sie ist die unkreativste Rekrutierungsmaßnahme und sehr unpersönlich. Zumal sich Ausschreibungen von Krankenhäusern häufig auf Zahlenfeuerwerke in Form von Betten- und Fallzahlen fokussieren oder gerne auch Bilder von Klinikgebäuden aus der Vogelperspektive verwenden. Aber mal ehrlich: Wer außer Controllern und Bauingenieuren begeistert sich dafür?

Viel wichtiger ist es, den Arbeitsalltag und die – hoffentlich gute – Stimmung, den Zusammenhalt und die Besonderheiten eines Arbeitgebers glaubhaft und die Identität der Organisation greifbar zu machen. Und wer kann das besser als die eigenen Mitarbeiter? Es gibt zwei Ansätze wie das geschehen kann: Markenbotschafter und Corporate Influencer.

Interessanter Ansatz: Mitarbeiter, die dem Unternehmen ein Gesicht verleihen. Aber wie kann man sich als Klinik dem Thema Corporate Influencer nähern?

Wichtig ist zunächst, dass Krankenhäuser von ihrem allzu hohen Perfektionsanspruch wegkommen. Denn die Krankenhauslandschaft ist aus der medizinischen Logik heraus seit jeher davon geprägt, keine Fehler machen zu dürfen.Beim Thema Corporate Influencer geht es aber nicht um Perfektion, sondern um Natürlichkeit und Glaubwürdigkeit. Und die erzielt man nur bedingt durch glattgeschliffene PR-Formulierungen. Corporate Influencer sind Personen, die sich selbst zur Marke machen oder gemacht haben.

Über Social Media begründen sie Glaubwürdigkeit und Authentizität in ihrer Community aus sich selbst heraus. Kooperieren Krankenhäuser mit ihren Mitarbeitern, die als Influencer fungieren, entstehen Corporate Influencer. Unternehmenskommunikation und Marketing haben die Aufgabe, ihre Organisation so gut wie möglich dastehen zu lassen und greifen auf ein vordefiniertes und abgestimmtes Paket an Botschaften zurück.

Corporate Influencer sind genauso ihrer Community verpflichtet wie ihrem Arbeitgeber. Und sie können Unternehmenssprech oftmals leichtgängiger gegenüber bestimmten Zielgruppen vertreten. Das macht sie glaubwürdiger.

Was muss ein Mitarbeiter mitbringen, um Corporate Influencer zu werden und was macht ihn erfolgreich?

Zum einen eine extrem hohe Social Media-Begeisterung und den absoluten Willen, sich selbst als Marke, also als „Personal Brand“, aufbauen zu wollen. Zum anderen muss man bereit sein, den Aufwand zu akzeptieren, der bei erfolgreichen Profilen bis zu sieben Tage die Woche zusätzliche Arbeit zum normalen Job bedeuten kann. Schließlich ist es mit dem Posten von Bildern und Videos nicht getan.

In Sachen Content Creation muss man sehr einfallsreich sein, denn der Innovationsdruck ist groß und die Konkurrenz schläft nicht. Unternehmensseitig betrachtet macht einen Corporate Influencer erfolgreich, dass er nicht zu oft Arbeitgeber-Content in seinen privaten Netzwerken veröffentlicht, denn schnell steht der Vorwurf der Instrumentalisierung im Raum – und dann ist alles futsch.

Warum sollten Corporate Influencer ein Thema für Krankenhäuser sein und wie profitieren Kliniken von ihnen?

Man muss sich als Krankenhaus sehr genau überlegen, welche Kommunikationsstrategie man verfolgen möchte und ob der Corporate Influencer-Ansatz dort hineinpasst. Wie schon gesagt, wollen Krankenhäuser noch allzu oft Kommunikation bis ins letzte Detail planen, steuern und Perfektion vermarkten. Mit diesem Anspruch kann jeder Botschafter-Ansatz nur in die Hose gehen. Wenn man ernsthaft bereit ist, das Zepter und die Steuerung zu einem beträchtlichen Teil aus der Hand zu geben, dann kann man über Corporate Influencer nachdenken. Nur weil das Thema gerade „in“ ist, ist es nicht automatisch für jeden Arbeitgeber gut oder geeignet.

Mit Corporate Influencern kann die Klinik ihre Inhalte sehr viel persönlicher anbieten. Denn die Influencer übersetzen den Arbeitgeber-Content häufig in ihre eigene Sprache bzw. in die ihrer Community. Gut aufgesetzt können Corporate Influencer-Programme also ein Turbo-Booster in Sachen Bekanntheitsgrad und Attraktivität sein.

Dann bewerben sich Kandidaten sogar initiativ bei einem Krankenhaus und Rekrutierungsmaßnahmen wie Stellenanzeigen können abgespeckt werden. Außerdem steigen Bekanntheitsgrad und Reputation durch die Reichweite. Misslingt etwas, kann aber genau das natürlich auch einen Nachteil bedeuten.

Beim schon lange bekannten „Employer Branding“ übernehmen die Mitarbeiter auch die Funktion als Botschafter des Unternehmens. Inwiefern ist der Ansatz mit Corporate Influencern überhaupt etwas anderes?

Im Grunde ist die Trennung simpel. Corporate Influencer sind in der Regel bereits eine Marke und würden auch ohne die Verbindung zu ihrem Unternehmen erfolgreich sein. Sie bespielen ihre Themen aus eigenem Antrieb heraus und sind dadurch glaubwürdig. Fans folgen ihnen genau aus dem Grund und nicht, weil sie bei bestimmten Arbeitgebern beschäftigt sind. Markenbotschafter sind nicht selbst eine Marke, sollen daher umso mehr für das Unternehmen stehen, für das sie arbeiten. Deshalb sind sie häufig per se dem Vorwurf ausgesetzt, im Zweifel alles idealer darzustellen als es ist.

Was sollte ein Corporate-Influencer mitbringen und was „springt für ihn raus“?

Mittlerweile gibt es auch im Gesundheitswesen zahlreiche Medizinstudenten-, Arzt- und Pflegeprofile, die durchaus beachtliche Reichweiten erzielen. Und es gibt immer mehr Profile von Betroffenen chronischer oder schwerwiegender Indikationen. Je nachdem sollte man von seiner Materie wirklich Ahnung und natürlich etwas zu sagen haben, sprich: ein guter Geschichtenerzähler sein.

Wer aus finanziellen Gesichtspunkten Influencer werden möchte, sollte sich das gut überlegen. Bis man davon leben kann, ist es ein weiter Weg. Und der Weg ist steinig und geprägt von viel harter Arbeit, Druck zur guten und dauerhaften Content-Produktion usw. Und das neben dem normalen Job. Die Puste haben nicht viele.

Storytelling schön und gut, aber nicht jeder kann es. Müssen Kliniken jetzt auch in diesen Bereichen weiterbilden?

Auf keinen Fall. Corporate Influencer werden sowieso nicht „geschult“, sondern machen ihr Ding möglichst unabhängig. Selbstverständlich sollte es seitens des Unternehmens Guidelines geben, die den Rahmen abstecken und an dem sich die Corporate Influencer orientieren können. Markenbotschafter wiederum sind schon eher diejenigen, auf man gezielt zugeht, weil sie für meine Marke sprechen könnten. Wenn überhaupt, sagt man ihnen aber eher, wie Kanäle funktionieren und erläutert die Storyline, die sie aber nicht wie einen Sprachtext ablesen, sondern sinngemäß wiedergeben.

Viel wichtiger ist aber: Jeder Mitarbeiter ist automatisch ein Markenbotschafter, nur eben auch im Negativen. Eine offene und vertauensvolle Unternehmenskultur und einen interessanten Arbeitsplatz mit guten Bedingungen zu schaffen, ist im Krankenhaus elementar, damit Mitarbeiter gerne dort arbeiten. Viel zu selten denkt das Krankenhausmanagement an eine dezidierte, mitarbeiterorientierte Personalpolitik. Dabei ist genau das der Knackpunkt für den Erfolg als Arbeitgeber.

Wie passe ich auf, dass die Corporate Influencer keine „falschen“ Inhalte in die Öffentlichkeit bringen? Wo sind Fallstricke und was sind die Voraussetzungen, die die Klinik vorher geschaffen haben sollte?

Es gibt automatisch Interessenskonflikte beim Thema Corporate Influencer. Einerseits sind kommunikative Freiheiten das A und O, andererseits spricht da ein Mitarbeiter über mich als Arbeitgeber und ich hätte gerne Mitspracherechte. Und welches Management mag schon Kontrollverlust – ob gefühlt oder real.Die Kategorien „richtig“ und „falsch“ sollte man in Sachen Corporate Influencer jedoch vermeiden. Klar haben Unternehmen Bedenken, dass ein Shitstorm über sie hereinbrechen könnte. Aber in welchem kommunikativen Bereich einer hoch transparenten Welt gibt es kein mindestens latentes Risiko?

Und Diskurs und Interaktion sind ja gerade das Ziel von guter Social Media-Kommunikation. Dass darin nicht alle einer Meinung sind, führt ja nicht automatisch zu einer schlechten Stimmung. Und falls doch, sollten Krankenhäuser, die qua Auftrag kommunikativ immer Risiken ausgesetzt sind, ohnehin ein gutes Krisenkommunikationsportfolio haben.

Was ist, wenn die Influencer die Klinik wechseln? Haben wir dann irgendwann nur noch austauschbare Content-Söldner?

Wenn Corporate Influencer gehen, dann ziehen sie mit ihren Followern und ihrer medialen Reichweite weiter, klar. Je enger Arbeitgeber und Influencer aber miteinander verwoben sind, umso mehr hat auch der Influencer damit zu kämpfen, sich in der digitalen Welt vom ehemaligen Arbeitgeber zu lösen. Das Internet vergisst so schnell nicht, also sind die Fußstapfen und Verknüpfungen samt Google Ranking nicht von heute auf morgen gänzlich weg. Insofern hat man Zeit, andere Standbeine aufzubauen. Markenbotschafter sind aber sicher leichter aufzubauen als Corporate Influencer zu finden, die aus eigenem Antrieb posten.

Welche Kanäle sind für Krankenhäuser eigentlich interessant und wie muss ich mir das in der Praxis vorstellen?

Das kommt ganz darauf an, wie Krankenhäuser bereits aufgestellt sind und welche Berührungspunkte es mit ihnen als Arbeitgebermarke gibt. Meine Erfahrung zeigt: Da sind die meisten Krankenhäuser blank. Überhaupt ist den meisten Krankenhäusern nicht bewusst, in welchem Umfeld sie sich bewegen und wen sie ansprechen wollen, was die Konkurrenz macht usw. Man hat „so ein Gefühl dafür“, strukturierte Daten mit passendem Maßnahmenplan liegen aber nicht vor. Außerdem kommt es nicht auf die Kanal-Frage an.

Kanäle bestimmt man am Schluss einer langen Kette, die mit der Strategie und der Zielgruppendefinition beginnt.

Klingt aufwendig und zeitintensiv. Ist es das wirklich wert?

Und wie es die Zeit wert ist. Erst, wenn ich meine Hausaufgaben gemacht habe, kommt der Rest. Klar ist aber: Ein abwechslungsreiches Kanalportfolio, das zudem in weiten Teilen digital ist, kann nicht schaden.

Dieser Artikel erschien im Rahmen des Topthemas "Corporate Influencer" in der aktuellen September-Ausgabe der Klinik Management aktuell

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