
Wie wurde die erste Welle der Pandemie bewältigt – und welche Lehren sollten daraus gezogen werden? Diese Fragen will eine aktuelle Untersuchung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, der Robert-Bosch-Stiftung und der Barmer Ersatzkasse beantworten. Die beauftragten Experten kommen in ihrem „Richtungspapier Corona“ zu Erkenntnissen, die aus Sicht des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands und des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands in wesentlichen Teilen geradewegs in eine völlig falsche Richtung zeigen.
„Die auf eine massive Strukturbereinigung gerichtete Kampagne gegen die Kliniken muss ein Ende finden“, heißt es in der Pressemitteilung der Verbände.
Die Zahlen, auf denen angeblich die Erkenntnisse beruhen, entsprechen in keiner Weise den Erfahrungen vieler Praktiker in den Krankenhäusern. Während man in vielen Krankenhäusern mit Sorge auf die immer weiter steigende Zahl stationär behandlungsbedürftiger Covid-19-Patienten blicke und aus den ersten Kliniken Hilferufe kämen, da ihre Intensivstationen nicht mehr aufnahmefähig seien, präsentierten Autoren ihre Analyse der ersten Pandemiewelle: Danach hätten große Kliniken die Hauptlast der Versorgung getragen. Beatmete Patienten seien in nur 350 Kliniken behandelt worden.
„Das stellt sich nach einer repräsentativen Rückmeldung unserer Mitglieder völlig anders dar“, so Priv. Doz. Dr. Michael A. Weber, Präsident des VLK. „Wir gehen von ganz anderen Zahlen aus und werden dabei auch von der aktuellen Mitteilung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) bestätigt, wonach aktuell ein Drittel der beatmeten Patienten in Häusern der Grund- und Regelversorgung behandelt wird.“
Dass der zweite Rettungsschirm der Regierung offensichtlich auf Empfehlung des Corona-Beirats, in dem einer der Autoren Mitglied ist, deutlich zu klein ausfiel, verwundere angesichts des „Richtungspapiers“ nun auch nicht mehr. Die Politik halte jetzt nur noch 400 Krankenhäuser der Notfallstufen 2 und 3 einer Unterstützung für wert. Viele Krankenhäuser, die auf ihren Isolierstationen ebenfalls viele COVID-19-Patienten behandeln, werden im Regen stehengelassen. Der Pflege- und Isolierbedarf ist bekanntlich für diese Patienten deutlich höher als für die meisten anderen. In der Praxis würden die meisten Covid-19-Patienten nicht in großen Kliniken, sondern auf Isolierstationen in Krankenhäusern aller Größen behandelt. Vor allem dafür würden auch Betten freigehalten.
Beide Verbände sehen in dem „Richtungspapier Corona“ der beiden Stiftungen und der Barmer Ersatzkasse aber trotz etlicher auch nachvollziehbarer Aussagen und Vorschläge auch eine Fortsetzung der immer neuen Versuche, die flächendeckende Krankenhausversorgung in Deutschland nachhaltig zu beschädigen und die Klinikversorgung auf wenige Großkrankenhäuser zu konzentrieren. Das haben andere Länder in Europa getan und sind damit deutlich schlechter durch die erste Pandemiewelle gekommen als Deutschland.
Strukturreformen werden von uns nicht abgelehnt – so beide Präsidenten – allerdings sinnvoll auf der Basis realer Zahlen, regionaler Notwendigkeiten, von den Ländern gemeinsam mit allen Beteiligten geplant und auch entsprechend finanziert. Die vorgeschlagene Angebotsverknappung schadet der Versorgung unserer Patienten.





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