
Der Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gilt als ein wichtiger Motor, um die Patientenversorgung zu verbessern. Neue Versorgungsformen und Vorhaben werden durch ihn gefördert und wissenschaftlich untersucht. Doch das Ziel, bewährte Projekte in die Regelversorgung zu überführen, kann nur selten umgesetzt werden. Woran das liegt und welchen Stellenwert der Innovationsfonds in der Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung einnimmt, hat kma mit Dr. Stefanie Ettelt besprochen, die die Wirksamkeit der Förderung durch den Innovationsfonds untersucht hat.
Erachten Sie insgesamt die Förderung durch den Innovationsfonds als sinnvoll, um beispielsweise neue Versorgungsmodelle in die Regelversorgung zu implementieren?
Wir sind auf Grundlage der Evaluation zu dem Schluss gekommen, dass der Innovationsfonds grundsätzlich geeignet ist, die GKV-Versorgung weiterzuentwickeln und daher über seine aktuelle Laufzeit hinweg weitergeführt werden sollte. Im deutschen Gesundheitswesen ist der Innovationsfonds ein einzigartiges Instrument, um neue Versorgungsformen zu erproben und erforschen. Durch die Förderung können neue Modelle in der Praxis ausprobiert und damit wichtige Erfahrungswerte gesammelt werden. Gleichzeitig ist die wissenschaftliche Begleitung dieser Modelle eine Voraussetzung für die Förderung, das heißt es werden immer auch wissenschaftlich belastbare Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Maßnahmen erarbeitet. Beides sind wichtige Voraussetzungen für eine Weiterentwicklung. Allerdings bedeutet das nicht automatisch, dass alles, was erprobt wurde, in der Fläche auch umgesetzt werden kann oder sollte.
Dr. Stefanie Ettelt ist Projektleiterin im Bereich Gesundheit, Pflege und Inklusion der Prognos AG. Sie war Mitautorin des „Abschlussbericht über die wissenschaftliche Auswertung der Förderung durch den Innovationsfonds im Hinblick auf deren Eignung zur Weiterentwicklung der Versorgung“, der im März 2022 veröffentlicht wurde.
Können Sie das genauer ausführen?
Eine Überführung ist nur dann sinnvoll, wenn der Nachweis der Wirksamkeit auch erbracht werden kann. Das wirft schon einmal methodische Fragen auf, zum Beispiel dann, wenn es schwierig ist, Wirksamkeit zu messen. Aber grundsätzlich gilt, dass sich eine neue Maßnahme beweisen muss. Auf der Grundlage der Ergebnisse entscheidet der Innovationsausschuss dann, ob eine Überführung empfohlen werden kann. Damit gibt es zwar eine Empfehlung, aber das bedeutet nicht, dass die neue Maßnahme in der Praxis auch umgesetzt werden muss. An dieser Stelle endet jedoch das Mandat des Innovationsfonds.
Wie bindend ist die Empfehlung des G-BA? Wie wichtig ist es, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) direkt adressiert wird, um gegebenenfalls gesetzliche Rahmenbedingungen für neue Versorgungsmodelle zu schaffen?
Für eine positive Empfehlung gibt es unterschiedliche Adressaten. Die Art und Anzahl der Adressaten hängen vom Thema des Projekts beziehungsweise der Art der neuen Versorgungsform ab. Hierbei kann es sich etwa um Gremien des Gemeinsamen Bundesausschusses, die Bundesärztekammer, Fachgesellschaften und die Gesundheitsministerien der Länder handeln. Ob es dann zu einer Überführung kommt, hängt davon ab, inwieweit die entsprechenden Akteure die Rahmenbedingungen schaffen, dass die neue Maßnahme umgesetzt werden kann beziehungswiese muss. Hier geht es häufig um die Finanzierung, aber manchmal bedarf es auch einer Anpassung des entsprechenden Regelwerks wie Leitlinien, Regelungen des G-BA, Landesgesetze etc. Für manche Maßnahmen bedarf es auch eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen auf Bundesebene. In solchen Fällen sind Bundesministerien, häufig das BMG, dafür zuständig, sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Maßnahmen an die Grenzen dessen stoßen, was im Rahmen von SGB V bislang möglich ist.
Könnte zum Beispiel eine längere Projektförderphase die Etablierung neuer Versorgungsstrukturen vor Ort fördern?
So pauschal kann man das nicht sagen und das geht auch aus der Evaluation so nicht hervor. Hier muss man differenzieren. Wichtig ist bei dieser Frage die Unterscheidung zwischen dem Projekt und der neuen Versorgungsform. Ziel des Innovationsfonds ist es, die wirksamen Versorgungsansätze zu überführen, nicht aber die Verstetigung der Innovationsfondsprojekte, in denen diese erprobt wurden. Voraussetzung für eine Empfehlung und damit auch für eine Etablierung einer Versorgungsform ist erst einmal der Wirknachweis. Wenn dieser nicht erbracht werden kann, fehlt die Begründung für die Überführung. Das ist schwierig für diejenigen, die eine neue Maßnahme umgesetzt haben und an ihren Erfolg glauben, aber man kann ohne wissenschaftliche Grundlage eine Maßnahme nicht für die Regelversorgung empfehlen. Es kann aber Projekte geben, wo eine längere Laufzeit wünschenswert sein könnte.
Wann wäre das der Fall?
Zum Beispiel, wenn es länger dauert, eine Maßnahme zu etablieren, weil diese besonders komplex oder anspruchsvoll ist. Oder weil es methodische Probleme bei der Evaluation gibt. Wenn man zum Beispiel davon ausgehen kann, dass frühe Ergebnisse noch nicht die langfristig zu erzielenden Wirkungen widerspiegeln. Solche Fälle müsste man dann allerdings sehr gut begründen. Eine weitere Kategorie sind Projekte, für die ein Wirknachweis vorliegt, aber für die eine Änderung der Rahmenbedingungen notwendig ist, weil zum Beispiel eine neue Finanzierungsmöglichkeit geschaffen werden muss. Hier ist nicht immer absehbar, ob, wie und wann diese Bedingungen geschaffen werden, auch weil die Verantwortlichkeiten für eine Weiterführung bei unterschiedlichen Akteuren liegen können. Hier fehlt bislang ein Mechanismus, einen solchen Zeitraum zu überbrücken, es sei denn, es wird vor Ort zum Beispiel durch einen Selektivvertrag eine Lösung gefunden.
Der Eindruck entsteht, dass das Potenzial innovativer Ansätze und neuer Strukturen, die sich bewährt haben, nicht genutzt wird. Wie schätzen Sie das ein?
Bei der Weiterentwicklung der GKV durch den Innovationsfonds geht es in erster Linie um die Weiterentwicklung der Regelversorgung, die für alle gesetzlich Versicherten prinzipiell zugänglich sein sollte. Insofern können Selektivverträge eine Methode der Überbrückung darstellen. Aber das Ziel ist die Veränderung der Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, dass Maßnahmen in der Fläche umgesetzt werden können. Die Umsetzung ist allerdings zum Beispiel dann schwierig, wenn es einer Änderung der gesetzlichen Grundlagen bedarf.
Hinweis
Mehr zu diesem Thema ab 7.11. in der neuen kma Ausgabe. Den Artikel „Tradierte Strukturen bremsen neue Ideen aus“, ebenfalls von Aileen Hohnstein, finden Sie auf Seite 28ff.





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