
Der Bund und das Land Berlin fördern ab 2024 den neuen Standort des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) in der Hauptstadt. Es sind Krebstherapien der Zukunft, die in Berlin erdacht, hergestellt und angewendet werden, so die beteiligten Partner Charité, Berlin Institute of Health (BIH) und Max Delbrück Center. Teilweise sind die Therapien bereits im Einsatz: Immuntherapien oder auch hochkomplexe Gen- und Zelltherapien, die in die molekularen Prozesse an Krebs erkrankter Zellen eingreifen, sie gezielt verändern und damit im Idealfall Patient*innen nachhaltig heilen. Technologien und Therapien, die noch am Anfang stehen – doch schon jetzt mit großen Hoffnungen versehen sind.
Jährlich würden in Deutschland mehr als 510 000 Krebserkrankungen neu diagnostiziert werden. Der Einzugsbereich des NCT Berlin umfasse etwa ein Zehntel der Bevölkerung mit 8,6 Millionen Menschen in Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Die am 24. November in Heidelberg unterzeichnete Bund-Länder-Vereinbarung zum erweiterten NCT sei nicht nur für den Berliner Standort ein Meilenstein in der Entwicklung einer hochinnovativen Krebsversorgung. Ab 2024 beginne eine institutionelle Förderung, nach der Aufbauphase solle jeder neue NCT-Standort mit bis zu 14,5 Millionen Euro jährlich vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem jeweiligen Bundesland im Verhältnis 90 zu 10 finanziert werden.
Forscher werten Daten mittels KI aus
So könnten beispielsweise Forscher*innen Tumorgewebe oder Blut von Patient*innen mittels Einzelzell-Technologien in hoher Auflösung untersuchen. Sie würden unter anderem sehen können, welche Gene die einzelnen Zellen zu einem bestimmten Zeitpunkt der Erkrankung ablesen, und könnten geeignete therapeutische Angriffspunkte identifizieren. Die erkrankten Zellen dienten als Stellvertreter, als Avatar der Erkrankung der Patientin oder des Patienten – eine potenzielle Wirkung von Medikamenten ließe sich ohne unnötige Nebenwirkungen testen.
Mithilfe von künstlicher Intelligenz würden die Forscher*innen riesige entstandene Datenmengen auswerten. Ihr Ziel: vorhersagen, wie die Krankheit verlaufen und ob ein Tumor auf eine bestimmte Therapie ansprechen wird. Das Ergebnis ist eine auf die zellulären Eigenschaften der individuellen Krankheit zugeschnittene Behandlung. Man spricht auch von Präzisionsonkologie.
Je genauer man die Zellen eines Tumors versteht, desto gezielter kann man ihn bekämpfen.
„Je genauer man die Zellen eines Tumors versteht, desto gezielter kann man ihn bekämpfen“, sagt Prof. Nikolaus Rajewsky, Wissenschaftlicher Direktor des Berliner Instituts für Medizinische Systembiologie des Max Delbrück Centrums für Molekulare Medizin (MDC-BIMSB). „Wir wollen deshalb wegweisende Technologien wie die räumliche Einzelzellbiologie in den klinischen Alltag bringen.“ Den Grundstein hätten die Berliner Partner bereits 2020 mit vier gemeinsam rekrutierten Nachwuchsgruppen gelegt. „Im NCT Berlin vertiefen wir diese Zusammenarbeit – zum Nutzen der Krebspatient*innen.“
Meilenstein für Krebspatienten
Dieses Konzept einer zellbasierten Medizin benötige enge Interaktionen zwischen klinischer Medizin, Grundlagenwissenschaft – Molekularbiologie, Zellbiologie, Biochemie und Biophysik – und den Möglichkeiten der Mathematik, Bioinformatik, künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens. Eine weitere Voraussetzung seien kliniknahe, innovative Herstellungsverfahren für den Einsatz zellulärer Therapien. Genau daran würden Einzelzell-Forschende, Tumorimmunolog*innen, Bioinformatiker*innen und Mediziner*innen bereits in Berlin arbeiten. Im neuen NCT-Standort würden diese Schwerpunkte nun ihre Fortsetzung finden – beim Übertragen neuartiger Zelltherapien für Krebserkrankungen in die klinische Praxis.
Krebsforschung und Krebsbehandlung unter einem Dach zu vereinen, ist das übergeordnete Ziel aller Fachbereiche einer Universitätsmedizin.
„Krebsforschung und Krebsbehandlung unter einem Dach zu vereinen, ist das übergeordnete Ziel aller Fachbereiche einer Universitätsmedizin“, sagt Prof. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, zur einmaligen Chance des NCT Berlin für alle Beteiligten. „Hiervon profitieren Ärztinnen und Ärzte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber vor allem die Patientinnen und Patienten in Berlin und der näheren Umgebung.“
Drei bewährte Partner am NCT-Standort Berlin
Neuartige Behandlungen und eine enge Verbindung von klinischer und translationaler Krebsforschung – dafür würde das NCT Berlin als eine wesentliche Erweiterung des Charité Comprehensive Cancer Center stehen. Getragen durch die Kooperation dreier renommierter Institutionen: Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin Institute of Health in der Charité und Max Delbrück Center zusammen mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum, ist das NCT Berlin einer von bundesweit sechs Standorten des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen.
Personalisierte Krebstherapie in Berlin
An dem neuen Standort würden die Berliner Forschungsaktivitäten zur Einzelzellanalyse, zu Immuntherapien, Datenwissenschaft und Patient-Reported Outcome Measures (PROMs) noch weiter vertieft und frühe klinische Studien zum Nutzen von Patient*innen auf den Weg gebracht. „Nach dem großen Erfolg der Startphase ist die NCT-Erweiterung auf jetzt sechs Standorte im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs nicht nur eine großartige Chance für Berlin und die beteiligten Institutionen Charité, Max Delbrück Center und BIH“, findet Prof. Christof von Kalle, BIH-Chair für Klinisch-Translationale Wissenschaften und Direktor des Klinischen Studienzentrums, "sondern ebenso für die Entwicklung von patientenrelevanter Krebsforschung und -therapie national und international ein sehr wichtiger nächster Schritt.“
Nach Angaben der Kooperationspartner treibt das zur Helmholtz-Gemeinschaft gehörende Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin die eng mit der Klinik verzahnte Technologieentwicklung voran. Am BIH würden die Schwerpunkte Einzelzell-Technologien sowie Gen- und Zelltherapien ausgebaut. Und die Charité, Europas größtes Universitätsklinikum, trage mit ihrem Comprehensive Cancer Center zu einer umfassenden, interdisziplinären Versorgung von Krebspatient*innen auf der Basis ihrer klinisch-wissenschaftlichen Expertise in innovativer, personalisierter Krebsdiagnostik und -therapie bei.
Von der Technologie zur Behandlung der Krebspatienten
Die partnerschaftliche Zusammenarbeit im NCT Berlin würde es ermöglichen, hochinnovative Technologien bis zur medizinischen Anwendung weiterzuentwickeln. Erkenntnisse aus der klinischen Forschung würden wiederum in die Verbesserung von Behandlungskonzepten einfließen. So entstünden faszinierende Perspektiven für die Krebsmedizin, insbesondere, wenn es um die Fragen geht: Sprechen Tumorzellen auf eine Behandlung an? Oder: Wie lassen sich Resistenzmechanismen überwinden?
Das neue Zentrum wird zu einem wichtigen Akteur im Kampf gegen Krebs in der Region Berlin, Brandenburg und weit darüber hinaus.
„Das neue Zentrum wird zu einem wichtigen Akteur im Kampf gegen Krebs in der Region Berlin, Brandenburg und weit darüber hinaus“, so Prof. Ulrich Keilholz, Leiter des Charité Comprehensive Cancer Center (CCCC) und gemeinsam mit Charité-Prof. Angelika Eggert Co-Sprecher des NCT Berlin. „Jede Patientin und jeder Patient erhält im CCCC einen individuellen Behandlungsplan, der in einem interdisziplinären Team entwickelt wird.“ Darüber hinaus würden sie im NCT innovative Diagnostik und die Teilnahme an klinischen Studien ermöglichen. „Wir sind stolz darauf, im NCT Berlin dieser Entwicklung deutlich mehr Schwung zu geben und bedanken uns für die Unterstützung auf diesem Weg.“
Unterstützung des Berliner Senats entscheidend
Entscheidend für den Berliner Standort sei die Unterstützung des Senats bei der Finanzierung eines neuen NCT-Gebäudes am Charité Campus Virchow-Klinikum, in dem modernste Labore, eine Ambulanz für personalisierte Krebsmedizin und ein Informationszentrum für Krebspatient*innen entstehen werden. Um junge Talente in der Krebsforschung für Berlin zu gewinnen, würden etablierte Weiterbildungsmöglichkeiten wie das BIH Charité Clinician Scientist Programm bereitstehen, das einen Einstieg in die klinisch-wissenschaftliche Karriere ermöglicht. Über die Bedeutung des NCT-Standortes für Berlin sagt Dr. Ina Czyborra (SPD), Berliner Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege sowie Aufsichtsratsvorsitzende der Charité: „Mit dem Aufbau des Berliner NCT-Standortes wird ein wichtiges Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zur Weiterentwicklung der Wissenschaft und Forschung im Land Berlin umgesetzt und der Forschungs- und Gesundheitsstandort Berlin ein weiteres Stück vorangebracht.“
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT)
Das NCT ist eine langfristig angelegte Kooperation zwischen dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), exzellenten Partnern in der Universitätsmedizin und weiteren herausragenden Forschungspartnern an verschiedenen Standorten in Deutschland: Berlin, Dresden, Heidelberg, SüdWest (Tübingen/Stuttgart-Ulm), WERA (Würzburg mit den Partnern Erlangen, Regensburg und Augsburg) und West (Essen/Köln). Die NCT-Erweiterung auf sechs Standorte wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs vorangetrieben und nach internationaler Begutachtung durch die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen unterstützt.
Ziel des NCT ist es, klinisch-translationale Forschungsthemen in nahtloser Zusammenarbeit mit den bestehenden Comprehensive Cancer Center zu fördern, damit Innovationen in der Krebsforschung für die Patient*innen schneller und sicher in klinischen Studien verfügbar werden, um Tumorerkrankungen bei hoher Lebensqualität besser langfristig zu behandeln oder zu heilen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Patient*innen, die auch aktiv als Forschungspartner in die Planungen und Strukturen des NCT eingebunden sind, damit sie einen schnellen Zugang zu neuen klinischen Studien und innovativen Therapieansätzen erhalten.






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