Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

Thrombose-VerdachtDeutschland stoppt Astrazeneca-Impfungen gegen Covid-19

Deutschland setzt die Anti-Corona-Impfungen mit dem Astrazeneca-Impfstoff vorerst vorsorglich aus. Ursächlich hierfür sind Meldungen von Blutgerinnseln im zeitlichen Zusammenhang mit einer Astrazeneca-Impfung, teilte das Bundesgesundheitsministerium heute in Berlin mit.

Impfstoff
Weyo/stock.adobe.com
Symbolfoto

Aufgrund der Empfehlung des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) hat das Bundesministerium für Gesundheit sich dazu entschieden, den Einsatz des Impfstoffes von Astrazeneca zu stoppen." Nach neuen Meldungen von Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung in Deutschland und Europa, hält das PEI weitere Untersuchungen für notwendig", so der Sprecher.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erläuterte auf der heutigen Pressekonferenz: „Bis jetzt gibt es sieben berichtete Fälle, die im Zusammenhang mit einer solche Hirnvenenthrombose stehen bei mittlerweile über 1,6 Millionen Impfungen in Deutschland. Es geht um ein sehr geringeres Risiko - aber falls es tatsächlich im Zusammenhang mit der Impfung stehen sollte, um ein überdurchschnittliches Risiko.»

Die Aussetzung betreffe nun auch alle Folgeimpfungen, sagte der Bundesminister. Nun ist die Europäische Arzneimittelbehörde EMA am Zug, denn dort wird an einer erneuerten Bewertung des Impfstoffs gearbeitet. Spahn setzt darauf, dass die EMA «idealerweise noch im Laufe dieser Woche zu ihrer Entscheidung» kommt. Falls der Impfstoff weiter zugelassen wird, sollten auch die Impfungen wieder anlaufen.

Einsatz auch in anderen europäischen Ländern vorrübergehend gestoppt

Zuvor hatten auch die Niederlande Impfungen mit dem Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns Astrazeneca für zwei Wochen ausgesetzt. Dies geschehe auf der Grundlage "neuer Informationen", hatte Gesundheitsminister Hugo de Jonge am späten Sonntagabend mitgeteilt. Dabei bezog er sich auf sechs Fälle möglicher Nebenwirkungen in Dänemark und Norwegen an diesem Wochenende.

Die EMA erklärte allerdings, dass es keine auffällige Häufung von Thrombosen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gebe. Der Nutzen der Verabreichung des Astrazeneca-Mittels sei größer als die Risiken.

Ausgesetzt worden waren die Impfungen mit dem Vakzin vorübergehend auch in Italien. Dort war eine geimpfte Lehrkraft in der Region Piemont gestorben. Man handle aus "extremer Vorsicht", bis man herausfinde, ob die Impfung mit dem Tod in Verbindung stehe, sagte der Gesundheitsbeauftragte der Region, Luigi Genesio Icardi, laut einer Mitteilung vom Sonntag. Am Abend waren die Impfungen wieder aufgenommen worden. Generell hält die italienische Regierung an der Impfung mit Astrazeneca fest.

Auch Großbritannien nutzt den Astrazeneca-Impfstoff weiter. "Wir prüfen die Berichte genau, aber angesichts der großen Anzahl verabreichter Dosen und der Häufigkeit, mit der Blutgerinnsel auf natürliche Weise auftreten können, deuten die verfügbaren Beweise nicht darauf hin, dass der Impfstoff die Ursache ist", sagte Phil Bryan von der britischen Aufsichtsbehörde für Arzneimittel (MHRA) einer Mitteilung zufolge.

Zuletzt hatte die irische Impfkommission sich für einen vorübergehenden Stopp der Impfungen mit dem Präparat ausgesprochen, das der britisch-schwedische Konzern Astrazeneca gemeinsam mit der Universität Oxford entwickelt hat. Es handele sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme.

Astrazeneca hatte nach einer Analyse von Impfdaten erneut Sorgen über die Sicherheit seines Corona-Impfstoffes zurückgewiesen. Eine sorgfältige Analyse der Sicherheitsdaten von mehr als 17 Millionen Geimpften in der EU und Großbritannien habe keine Belege für ein höheres Risiko für Lungenembolien, tiefen Venenthrombosen und Thrombozytopenie geliefert, wie der Konzern am Sonntag in London mitteilte. Damit bezieht sich das Unternehmen nun auf noch mehr Datensätze. Am Freitag hatte Astrazeneca sich bereits ebenso geäußert und dabei auf 10 Millionen Datensätze verwiesen.

Kritik aus Politik und Medizin

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hat den Impfstopp für das Präparat von Astrazeneca als «großen Fehler» bezeichnet. «Das schafft nur große Verunsicherung und Misstrauen in einer Situation, in der es auf jede Impfung ankommt», sagte Lauterbach der «Rheinischen Post». Besser sei eine Prüfung bei laufenden Impfungen. «Ich kenne keine Analysen, die ein Aussetzen rechtfertigen würden», sagte der SPD-Politiker und Epidemiologe. «Das Risiko einer Thrombose läge «in der Größenordnung von 1 zu 100 000 oder weniger» und scheine im Vergleich zu Ungeimpften nicht erhöht zu sein.

Im Gespräch mit «t-online» machte sich Lauterbach für einen sofortigen neuen Lockdown stark. «Wir müssen jetzt bundesweit die Notbremse ziehen und zurück in den Lockdown», sagte er dem Portal. «Es nützt nichts, jetzt zu warten, bis die Inzidenz überall über 100 liegt. Das exponentielle Wachstum ist zurück, wir wissen, dass die Zahlen weiter steigen werden.» Das Land müsse zurück zu den Regeln, die am 7. März galten - also vor den jüngsten Lockerungen.

Auch der Pandemiebeauftragte des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, Christoph Spinner, sieht das Aussetzen der Impfungen mit dem Astrazeneca-Produkt kritisch. «Der Impfstoff wurde nicht zurückgerufen - und er soll auch nicht vernichtet werden», sagt Spinner. Für einen konkreten Mechanismus, der zu den Hirnvenen-Thrombosen führen solle, gebe es derzeit keine Annahme. «Das Arzneimittel ist nach allem, was wir heute wissen, sicher.»

Es sei ein normaler Vorgang, dass nach Zulassung von Impfstoffen und Arzneimitteln mögliche Nebenwirkungen fortwährend untersucht würden. «Die Vorteile der Impfung überwiegen», betont der Mediziner, was derzeit auch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA in einem aktuellen Statement bekräftigt. «Übrigens verursacht auch eine schwere Covid-19-Erkrankung regelhaft thromboembolische Ereignisse - alleine deshalb ist eine Impfung absolut sinnvoll.»

In dieser Hinsicht verwies Spinner auch auf die aktuellen Empfänger der Impfungen: «Wir impfen derzeit prioritär Menschen mit Vorerkrankungen.» Diese Patienten hätten teils von vornherein ein gesteigertes Thromboembolie-Risiko. «Die Entscheidung, die Impfung auszusetzen, verursacht großen Schaden in das Vertrauen des Vakzins. Das lässt sich auch später nur noch schwer reparieren.»

Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen