
"Erst kommt der Patient und dann der Profit. Das muss sich endlich in das kollektive Gedächtnis einbrennen", sagte der Chef der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt am Dienstag beim digitalen Ärztetag. Ökonomisches Handeln sei auch im Gesundheitswesen eine Selbstverständlichkeit, dies müsse aber den Zielen der Medizin dienen und nicht umgekehrt.
"Wir sehen Kliniken und Praxen als Einrichtungen der Daseinsvorsorge und nicht als Industriebetriebe oder lukrative Renditeobjekte finanzstarker Fremdinvestoren", sagte Reinhardt. Bei Krankenhäusern seien Fehlanreize der Finanzierung über Fallpauschalen zu beheben. Im ambulanten Bereich müssten Beteiligungsmöglichkeiten begrenzt werden.
Zu eng getaktete Digitalisierung
Der Ärztepräsident unterstützte mehr Tempo bei digitalen Anwendungen im Gesundheitswesen. "Ich warne aber zugleich vor einer zu engen Taktung bei der Digitalisierung, die keine Zeit mehr dafür lässt, neue Anwendungen mit der dafür notwendigen Gründlichkeit auf ihre Praxistauglichkeit hin zu erproben." Etwa bei der elektronischen Patientenakte seien Fristen kaum zu halten - angesichts einer verspäteten Verfügbarkeit zugelassener Geräte und elektronischer Heilberufsausweise. Daher sollten Sanktionen für die Praxen gestrichen oder zumindest ausgesetzt werden.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigte mehr Tempo in der Digitalisierung. Dies sei gerade im sensiblen Gesundheitsbereich wichtig, um Angebote aus Deutschland mit deutschem und europäischem Datenschutz zu schaffen. Nach jahrelangem Stillstand könne von einer "überhasteten" Digitalisierung nicht die Rede sein. Spahn verwies darauf, dass es beim elektronischen Heilberufsausweis aktuell weniger Bestellungen von Ärzten gebe als produziert werde. Er machte zugleich deutlich, dass auf Sanktionen für Praxen verzichtet werden könne, wo Fristerfüllungen objektiv nicht möglich seien.
Lehren aus der Pandemie ziehen
Darüber hinaus nahm der Ärztetag die Organisation des Gesundheitswesens unter Pandemiebedingungen in den Blick. Auch an dieser Stelle hätten sich einige Defizite bemerkbar gemacht. Neben einer modernen technischen Ausstattung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, etwa zur effizienteren Kontaktnachverfolgung und zur besseren Koordination der Ämter untereinander sowie mit Praxen und Kliniken, werde dringend mehr Personal gebraucht. "Dafür ist eine tariflich gesicherte, arztspezifische Vergütung für die Ärztinnen und Ärzte in den Gesundheitsämtern grundlegend", sagte Reinhardt.
Notwendig seien laut Reinhardt zudem eine bundesweit abgestimmte Klinikplanung und mehr länderübergreifende Kooperationen. "Wir müssen den steigenden Personalbedarf sowie Reservekapazitäten für Notfälle viel stärker als bisher in der Krankenhausplanung und bei der Krankenhausfinanzierung berücksichtigen."





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