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AngiografiesystemeDas Navi für den Operationssaal

Nachdem Anfang des Jahres der erste Hybrid-OP des Uniklinikums Dresden den Betrieb aufgenommen hat, folgte im August ein zweiter Saal dieses Typs. Die Besonderheit ist das darin installierte roboter­geführte Röntgengerät. Die Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie will damit die Entwicklung navigierter Operationen vorantreiben.

Operationsroboter
Uniklinikum Dresden / Holger Ostermeyer
Die neue Angiografieanlage „Artis pheno“ ist in der Lage, Bildabgleiche auch während der OP zu liefern. Der C-Bogen mit einem freien Innendurchmesser von 95,5 Zentimetern lässt sich mithilfe eines Roboter­armes automatisch bewegen.

Dresden ist seit dem Jahr 2015 – neben Heidelberg – Standort des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT), eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums, des Universitätsklinikums Dresden, der Medizinischen Fakultät der TU Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf. Deren Ärzte und Wissenschaftler haben sich dem Ziel verschrieben, Krebspatienten eine maßgeschneiderte Diagnostik und Therapie auf dem neuesten Stand der Wissenschaft anzubieten.

Um diesem Vorsatz auch in Sachen Ausstattung gerecht zu werden, hat das Universitätsklinikum in Dresden im August bereits den zweiten hochmodernen Hybrid-OP in Betrieb genommen. Das besondere darin: Er beherbergt eine der weltweit modernsten Angiografieanlagen, mit der das OP-Team während den Operationen Röntgenkontrollen machen kann – und zwar robotergeführt.

Millimeterarbeit im OP

„Mit dem neuen Hybrid-OP stoßen wir die Tür zu einer neuen Epoche der Chirurgie weit auf. Die jetzt in Betrieb genommene High-End-Angiografieanlage ist dabei nur ein erster Schritt. Von ihr werden nicht ausschließlich Gefäßpatienten profitieren, sondern auch Krebskranke“, prognostiziert Prof. Jürgen Weitz, der Direktor der Klinik für Viszeral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie der Uniklinik Dresden. Deren Nutzen zeigt sich zum Beispiel, wenn es gilt, eine Aussackung (Aneurysma) der Hauptschlagader zu behandeln. „Zur Versorgung von Patienten mit einem lebensgefährlichen Aorten­aneurysma setzen wir oft mehrteiligeund gefensterte Spezialprothesen ein. Diese Eingriffe können durchaus sehr langwierig und komplex sein“, sagt Prof. Christian Reeps, Leiter der Gefäß- und Endovaskulären Chirurgie in Dresden.

Die Kunst bei diesen über spezielle Katheter in die Blutbahn eingeführten Prothesen ist, deren Seitenarme mit den Eingeweide- und Nierenarterien zur Deckung zu bringen, um sie dann im Bereich der erweiterten Arterie zu entfalten. Schließlich muss die Prothese nach der Implantation zu 100 Prozent dicht sein. „Es geht hier wirklich um Millimeter. Wenn die Prothese falsch sitzt, dann dichtet die entweder die Ausweitung an der Schlagader nicht richtig ab oder sie verschießt Arterien, die aus der Bauchschlagader abgehen – etwa die Nierenarterie – und dann funktioniert die Niere nicht mehr richtig“, beschreibt Weitz.

Organbewegungen exakt anzeigen

Gleiches gilt für die Krebschirurgie, genauer die translationale chirurgische Onkologie, eines der Schwerpunkte der Uniklinik Dresden. Wenn man den Tumor komplett entfernt, will man wichtige Strukturen für die Funktion – etwa Sexualfunktion, Harnblasensteuerung und Nerven – nicht kompromittieren. Gerade in der Tumorchirurgie ist das aber sehr schwierig, da etwa Organe wie die Leber sehr beweglich sind. „Wenn man anfängt zu operieren, fängt man auch an, die Organe zu bewegen. Man braucht daher praktisch immer wieder einen Abgleich mit den Aufnahmen, die man vorher mit CT oder MRT gemacht hat.

Was aber noch nicht so gut funktioniert, ist der Abgleich auf die tatsächliche Bewegung des Patienten auf dem OP-Tisch“, so der Direktor der Klinik für Viszeral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie. Um hier zielgenauer operieren zu können, bedarf es also eines Navigationssystems, dass die Bewegungen der Organe und jene des Chirurgen während der OP exakt anzeigen kann. „Wenn Sie heute mit dem Auto ein bestimmtes Ziel erreichen wollen, lassen sie sich von einem Navigationssystem leiten. Die Navigation in der Chirurgie im OP ist eines unserer Forschungsgebiete, daher war die Überlegung, hier ein Bildgebungssystem einzusetzen, dass diese Echtzeit-Navigation gewährleistet“, ergänzt Weitz.

C-Bogen mit Roboterarm

Hier kommt der Hybrid-OP ins Spiel, denn dessen neue Angiografieanlage „Artis pheno“ des Herstellers Siemens ist in der Lage, diese Abgleiche auch während der OP zu liefern. Im Gegensatz zu anderen Systemen, die manuell bedient werden mussten, kann sich der C-Bogen mithilfe eines Roboterarmes automatisch bewegen. Das System ist für den Einsatz in der minimal-invasiven Chirurgie, der interventionellen Radiologie sowie der interventionellen Kardiologie entwickelt. Es liefert laut Siemens durch die 2k-Aufnahmetechnik eine – im Vergleich zu vorherigen Systemen von Siemens Healthineers – insgesamt vierfach höhere Auflösung in der 2D-Bildgebung in allen Aufnahmeverfahren, bis zu 15 Prozent schnelleren Scanzeiten bei 3D-Aufnahmen und reduziert den Einsatz von iodhaltigem Kontrastmittel im Thorax und Abdomen bei 3D-Aufnahmen um bis zu 15 Prozent.

Automatische kollisionsfreie Präzision

Für dessen Beweglichkeit, die neben den schnelleren Scanzeiten und präziseren Aufnahmen den Vorteil des Systems ausmachen, sorgt ein Industrieroboterarm der Firma Kuka. „Bisher mussten Angiografieanlagen im OP auf einer Schiene immer hin und hergefahren werden, und so ein Röntgengerät wiegt über 1,5 Tonnen. Jetzt kann man sie scheinbar schwerelos durch den Raum bewegen, und zwar ohne dass der C-Bogen mit dem Tisch, anderen Geräten oder den am Patienten angeschlossenen Schläuchen und Instrumenten kollidiert“, so Weitz. Neben dieser Beweglichkeit bietet das Gerät auch entscheidende Vorteile in Sachen Präzision – etwa wenn es darum geht, bei minimalinvasiven Eingriffen die richtige Position zu treffen.

„Wenn Sie die Stent-Prothese einsetzen, muss deren Position während der OP auch mehrfach kontrolliert werden. Dafür muss der C-Bogen, der an diesem Roboterarm hängt, immer wieder die exakt gleiche Stelle treffen – und das macht Pheno automatisch“, ergänzt Weitz. Nachdem das OP-Team den C-Bogen einmal per Joystick an die richtige Position navigiert hat, ist diese gespeichert – wenn seine präzise Navigation benötigt wird, fährt das Gerät während des Eingriffes dorthin selbständig zurück. Diese Position des Isozentrums findet er auch, wenn der OP-Tisch sich automatisch nach oben oder unten kippt und kann so den fokussierten Körperbereich aus praktisch allen Richtungen darstellen.

Auch Unfallchirurgie und Neurochirurgie haben großes Interesse

Diese Vorteile der navigierten Operation eignen sich nicht nur in der Gefäßchirurgie, sondern werden in Dresden auch für weitere Einsatzgebiete erforscht. Denn laut Weitz hat auch die Unfallchirurgie und Neurochirurgie großes Interesse daran. Selbst Krebspatienten könnten davon profitieren. „Eines unserer Forschungsgebiete widmet sich der Frage, inwieweit sich das Gerät auch in der Tumorchirurgie einsetzen lässt, ob man während der OP exakter bestimmen kann, wo man gerade operiert, ob man sich in der richtigen Schicht befindet und ob man den Tumor komplett entfernt“, ergänzt Weitz. In Zukunft könne die neue Angiografieanlage sogar in Kombination mit Operationsrobotern wie DaVinci zum Einsatz kommen. Dementsprechend groß ist das Interesse – laut Weitz war sogar eine Gruppe aus China in Dresden, um sich über die Vorteile des Gerätes zu informieren.

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