
Als PD Dr. Ronny Grunert vom Universitätsklinikum Leipzig (UKL) die Mail an Apple-Chef Tim Cook abschickte, glaubte er selbst nicht so recht, dass er eine Antwort bekommen würde. Doch schon 14 Tage später war sie da – samt einer Einladung ins Apple-Hauptquartier in Kalifornien. Womit Grunert die Aufmerksamkeit in Cupertino gewann: eine chirurgische Navigationssoftware mittels Mixed Reality (MR), die bei schwierigen operativen Eingriffen am menschlichen Gehirn unterstützt.
An der arbeiten Ingenieur Grunert und sein medizinischer Entwicklungspartner Prof. Dirk Winkler seit etwa vier Jahren. Winkler ist stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie am UKL, und zusammen mit weiteren Mitgliedern ihrer Entwicklergruppe waren die beiden vor kurzem in Amerika, um den Apple-Experten ihr Projekt und den Prototyp vorzustellen.
„Vision Pro“ mit Leipziger Software
Letzterer kann mit allen derzeit verfügbaren 3D-Datenbrillen interagieren, teilt das UKL mit, auch mit der „Apple Vision Pro“, die es in Deutschland noch nicht gibt. In Cupertino bauten die Leipziger Neurochirurgen ihre Software in die Datenbrille ein und brachten auch ein Exemplar für die weitere Entwicklungsarbeit mit nach Leipzig.
Bei ihrem Besuch stellte die Gruppe die Software vor, nahm an einem Workshop mit Informatikern des Unternehmens teil und erhielt eine Führung über das Firmengelände. Der Kontakt nach Cupertino ist nun geknüpft, die Leipziger Software ist in eine „Vision Pro“ integriert, und demnächst steht ein weiteres (Online-)Treffen mit den Apple-Informatikern auf Arbeitsebene an. Wenn die Brille einmal auf den Markt kommt, sehen sich die Leipziger Neurochirurgen in einer vorteilhaften Ausgangsposition.

„Unser Hauptziel ist, unsere bereits entwickelte Software in verschiedene Hardware integrieren zu können“, erklärt Klinik-Direktor Prof. Erdem Güresir. Sein Fachbereich, die Neurochirurgie, sei prädestiniert, derartige Technologie zu nutzen: „Mit einer solchen Brille können wir Daten, aber auch Funktionen des Hirns einspielen. Wir können live unsere Operationsstrategie anpassen und haben sozusagen unsere ‚Landkarte‘ des Hirns direkt vor Augen.“
Weil es intuitiv funktioniert, wird es völlig normal werden, mit ihr zu operieren.
Die Datenbrille zeige einzelne Strukturen und ihre Position im Schädel an. Auch bei eingeführten Instrumenten gebe die Brille deren genaue Position sowie die umliegenden und teils funktionstragenden Strukturen an. Die Grundlage dafür bilden Aufnahmen mit Computertomographen und Magnetresonanztomographen, die über die Leipziger Softwarelösung ausgelesen und mit Hilfe der Brille durch das Gewebe hindurch „ins Gehirn“ projiziert werden. „Es ist für Chirurgen einfach toll, beide Hände frei und so etwas wie ein GPS-System für den Kopf zur Verfügung zu haben“, ergänzt Güresirs Stellvertreter Dirk Winkler.
Mit der Datenbrille aus Cupertino steht dem UKL-Team nun ein Modell der neuesten Generation zur Verfügung. Sie kann mit Gesten und Augenbewegungen präzise gesteuert werden, so Güresir: „Weil es intuitiv funktioniert, wird es vor allem für kommende Chirurgen-Generationen völlig normal werden, mit ihr zu operieren.“ Die Technologie unterstütze in hohem Maß bei einem Eingriff und nehme viel von der zum Teil heute noch notwendigen Vorarbeit der „Vermessung des Schädels“ ab.
Das neue Brillenmodell aus dem Hause Apple solle nun bald in Lehrveranstaltungen mit Studierenden eingesetzt werden, so Winkler. Bis dahin werde zum Beispiel noch die Menüführung an medizinische Erfordernisse und an die Vorgaben späterer Nutzer angepasst.






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