
Es ist die bisher größte Übernahme in der Geschichte des Unternehmens. Für 16,4 Milliarden Dollar (14 Milliarde Euro) will Siemens Healthineers den US-Konzerns Varian kaufen, wie der Medizintechnikkonzern am Sonntag in Erlangen mitteilte. Die Konzernmutter Siemens stellt eine Brückenfinanzierung bereit. Zudem plant Healthineers eine Kapitalerhöhung.
An der Börse kam die Nachricht zunächst sehr gut an, auch wenn die Übernahme die Ausgabe vieler neuer Aktien bedeutet. Aber Experten wie die Goldman-Sachs-Analystin Veronika Dubajova lobten den Deal als sinnvollen strategischen Schritt. Auf der Handelsplattform Tradegate zog der Kurs kurz nach 8 Uhr um knapp vier Prozent auf 45,63 Euro an. In den ersten Minuten des Tradegate-Handels war das Papier sogar um zehn Prozent bis auf knapp 48 Euro und damit über das Ende Mai erreichte Rekordhoch von 47,265 Euro gestiegen.
Zustimmung von Varian-Aktionären und Regulierungsbehörden erwartet
Mit Varian verbindet Healthineers seit 2012 eine strategische Partnerschaft. Der Vorstand des US-Konzerns stimmte dem Plan zu und empfiehlt den Anteilseignern, die Offerte anzunehmen. Die Übernahme soll voraussichtlich in der ersten Hälfte des Kalenderjahres 2021 abgeschlossen werden und steht unter Vorbehalt der Zustimmung der Regulierungsbehörden. Healthineers mache mit der Übernahme einen erheblichen Sprung nach vorne, sagte Konzernchef Bernd Montag. Den Preis nannte er in einer Telefonkonferenz "vernünftig". Varian verfüge über ein stabiles Geschäft und eine hohe Innovationskraft.
Die Varian-Aktionäre, die der Übernahme ebenfalls noch zustimmen müssen, sollen 177,50 Dollar je Aktie erhalten. Das ist in etwa ein Viertel mehr als die Anteile am Freitagabend gekostet hatten. Nimmt man den durchschnittlichen Kurs der vergangenen 30 Tage, liegt die Prämie Montag zufolge bei rund 42 Prozent. Varian setzte im vergangenen Geschäftsjahr rund 3,2 Milliarden Dollar um und erzielte dabei eine operative Marge von 17 Prozent.
Finanzierung mittels Brückenkredit und Eigenkapital
Durch den Zukauf sieht Healthineers Synergien beim operativen Ergebnis (Ebit) von mindestens 300 Millionen Euro pro Jahr im Geschäftsjahr 2025. In den Jahren darauf dürften diese nochmals "signifikant" steigen, sagte Finanzvorstand Jochen Schmitz. Innerhalb der ersten zwölf Monate nach Vollzug soll Varian zudem positiv zum bereinigten Ergebnis je Aktie beitragen.
Finanzieren will Healthineers die Übernahme in etwa zur Hälfte über Kredite und zur anderen Hälfte über neues Eigenkapital, das sich die Erlangener über die Ausgabe neuer Aktien beschaffen wollen. So stelle die Konzernmutter Siemens einen Brückenkredit von 15,2 Milliarden Euro bereit. Healthineers will diese bis zur zur Hälfte mit einer Kapitalerhöhung ersetzen. Dabei soll das Bezugsrecht der Aktionäre voraussichtlich ausgeschlossen werden. Gemessen am aktuellen Kurs müsste das Unternehmen zur Refinanzierung des halben Kredits rund 170 Millionen neue Aktien ausgeben; damit würde das Aktienkapital um 17 Prozent steigen.
Siemens bleibt langfristiger Mehrheitsaktionär an Healthineers
Siemens begrüßte die Übername. Durch die geplante Kapitalerhöhung wird der Anteil von Siemens an der Erlangener Tochter von 85 Prozent auf etwa 72 Prozent sinken, wie die Münchner ebenfalls am Sonntag mitteilten.
Die steigende Verschuldung will Healthineers möglichst schnell wieder senken. Die hohe Mittelgenerierung des fusionierten Geschäfts ermögliche einen raschen Abbau, zeigte sich Schmitz zuversichtlich. Die Akquisition werde Healthineers "entscheidend voranbringen", sagte Siemens-Chef Joe Kaeser. "Ein derartiger transformatorischer Schritt wäre in der Konglomeratsstruktur der alten Siemens AG nicht möglich gewesen", fügte er hinzu. Siemens werde dabei als langfristiger Mehrheitsaktionär an Healthineers beteiligt bleiben, hieß es von Kaesers Stellvertreter und designiertem Konzernchef Roland Busch.
Healthineers-Aktie aktuell im Mittelwertesegment MDax
Healthineers ist 2018 an die Börse gegangen. Dort kam das Unternehmen mit seinen 50 000 Mitarbeitern bisher gut an. Zuletzt kostete die Aktie knapp 44 Euro und lag damit nur knapp unter ihrem Rekordhoch von etwas mehr als 47 Euro von Ende Mai. Die Bewertung liegt derzeit bei rund 44 Milliarden Euro. Derzeit ist die Aktie im Mittelwertesegment MDax notiert. Durch den steigenden Streubesitz und das zu erwartende höhere Handelsvolumen winkt Healthineers auch die Aufnahme in den Dax. Dies sei nur "eine Frage der Zeit", sagte Montag. Und Schmitz erklärte, spätestens zur nächsten regulären Überprüfung des Index im kommenden Jahr durch die Deutsche Börse sei ein Aufstieg möglich.
Healthineers zog zudem die Veröffentlichung des Quartalsberichts um einen Tag auf Sonntag vor. Demnach rechnet das Unternehmen in den letzten drei Monaten des Geschäftsjahres 2019/2020 nach der zuletzt coronabedingten Schwäche wieder mit deutlich besseren Geschäften und wagt jetzt auch wieder eine Prognose für das gesamte Geschäftsjahr. Der neuen Prognose zufolge erwartet das Unternehmen im Ende September auslaufenden Geschäftsjahr 2020 mit einem stabilen Umsatz auf vergleichbarer Basis - also ohne Übernahme- und Währungseffekte. Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn je Aktie soll zwischen 1,54 und 1,62 (Vorjahr: 1,70) Euro liegen.





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