
Laut dem Report blieben viele über 70-Jährige oft für eine spezielle Krankenhaus-Reha in der Klinik, obwohl sie dort ein höheres Pflegefall-Risiko haben als bei einer herkömmlichen Reha, teilte die Barmer unter Berufung auf ihren neuen Krankenhausreport mit. Die Behandlungsdauer richte sich dabei immer öfter nach den größten Erlösen der Krankenhäusern, nicht nach medizinischen Gesichtspunkten.
Die Zahl der über 70-jährigen Klinikpatienten mit jeweils mehreren Krankheiten stieg laut dem Report zwischen 2006 bis 2015 um 80 Prozent - von 1,1 auf 2 Millionen Personen. Es wurden auch immer mehr hochbetagte Patienten mit einer speziellen Klinik-Reka. Ihre Zahl stieg zwischen 2006 und 2015 von 79 600 auf 222 600. So eine „geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung“ (GFKB) koste beispielsweise nach einem Oberschenkelhalsbruch mit 14 Behandlungstagen 950 Euro mehr als eine klassische Reha, die im Schnitt pro Geriatrie-Patient 3500 Euro koste.
„Die GFKB im Akutkrankenhaus weist im Vergleich zur Versorgung in klassischen Reha-Einrichtungen einen geringeren Behandlungserfolg auf“, sagte Barmer-Chef Christoph Straub. So würden Patienten mit Oberschenkelhalsbruch - die Diagnose mit den meisten GFKB-Patienten - nach dieser Behandlung zu 47 Prozent pflegebedürftig. Mit einer normalen Reha seien es nur 40 Prozent.
Medizinisch nicht zu erklären seien auch die enormen regionalen Unterschiede bei der Klinik-Reha. So reiche der Anteil der Geriatrie-Patienten mit einer GFKB-Behandlung von 4,3 Prozent in Bayern bis zu 24,3 Prozent in Hamburg.
Individueller Bedarf statt ökonomischer Anreize
Die Zahl multimorbider und älterer Patientinnen und Patienten in den Krankenhäusern ist innerhalb von zehn Jahren um ca. 80 Prozent gestiegen und der Trend setzt sich fort. Das stellt Anforderungen an Kliniken und ihre Versorgungsstrukturen, mit denen sie bisher nicht adäquat umgehen, sagt der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) zum heute veröffentlichten Barmer-Krankenhausreport 2017.
Der Krankenhausreport hat in diesem Jahr Routinedaten im Hinblick auf die immer größer werdende Zahl geriatrischer Patienten untersucht. Schwerpunkt dabei: die Effizienz am Beispiel der rehabilitativen Versorgung, beispielsweise nach einer Oberschenkelhalsfraktur aufgrund eines Sturzes. Die Ergebnisse sind auffällig und lassen berechtigte Zweifel zu, ob ältere Patientinnen und Patienten für die Phase der Rehabilitation im Krankenhaus gut aufgehoben sind. Vielmehr führen finanzielle Fehlanreize dazu, dass ältere, multimorbide Menschen länger als nötig und kürzer als erforderlich im Krankenhaus gehalten werden, um die Vergütungspauschale mitzunehmen. Zudem sind die Ergebnisse hinsichtlich einer Abwendung von Pflegebedürftigkeit schlechter als bei der kostengünstigeren Behandlung in einer Reha-Einrichtung. Die große Zahl der Fälle und die damit verbundenen hohen Kosten sorgen für hohe Relevanz des Themas.
Unterstützung statt Vorwürfe
Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, erklärt zum heute veröffentlichten Report: „Wer über regionale Unterschiede und die damit verbundene Unterstellung finanzieller Vorteilsnahme seitens der Kliniken spekuliert, bewegt sich argumentativ auf sehr dünnem Eis. Die regionalen Unterschiede zeigen wieder einmal ganz klar, dass die Medizin nicht so eindeutig ist, wie es Krankenkassenverwaltungen gerne hätten. Die Situation der Menschen in ländlichen Regionen wie dem Bayerischen Wald ist nun einmal eine andere als in einer Großstadt wie Hamburg sowohl was das Angebot an Reha-Angeboten als auch an die Einbindung in familiäre Strukturen betrifft. Zudem ist die Ausweisung der geriatrischen Fachabteilungen natürlich in verschiedenen Ländern unterschiedlich und der Aufbau der geriatrischen Versorgung auch noch in Gange.
Statt wenig hilfreicher Vorwürfe brauchen die Krankenhäuser die Unterstützung der Krankenkassen und eine entsprechende Finanzierung, um der Versorgung hochbetagter, oft multimorbider und dementer Patienten, künftig noch besser gerecht werden zu können.“



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