
Es kommt einer Radikalkur gleich: Mit dem erneuten Update des Klinik-Atlas werden von bisher 23 000 verschiedenen Eingriffen in seiner neuen Version vorerst 20 übrigbleiben. Nachdem es von allen Seiten Kritik hagelte, kündigte das BMG vor wenigen Tagen ein Update an, das nun am 20. oder 21. Juni kommen soll.
Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) sagte dazu am 19. Juni in der „Rheinischen Post“: „Wir unterziehen den Klinik-Atlas einem umfassenden Update, machen ihn für Patientinnen und Patienten sehr viel leichter verständlich.“ Statt wie bisher für 23 000 verschiedene Eingriffe solle die neue Version „zunächst für die 20 wichtigsten Eingriffe zeigen, wie gut welches Haus hier ist.“ Dazu sollten Gruppen von Krankheiten zusammengefasst werden.
Krebs, Gelenkersatz, Stent- und Bypass-OPs
Im Detail soll der Klinik-Atlas laut Lauterbach nun so funktionieren: „Geführt werden die Patienten auf der Startseite über größere Kacheln mit allgemeinen Begriffen wie zum Beispiel Krebs, Herz oder Knochen und Gelenke. Dahinter fächern wir dann einzelne Erkrankungen und Operationen auf wie Darmkrebs, Brustkrebs, Magenkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Bypass- und Stent-Operationen oder den Einsatz von künstlichen Knie- und Hüftgelenken.“
Der Klinik-Atlas ist seit Mitte Mai online abrufbar, musste nach kurzer Zeit einem Update unterzogen werden und in wenigen Tagen soll es nach Angaben des Ministers die neue Version geben.
Kritik an dem Portal gab es unter anderem von den Landesgesundheitsministern wegen der teils veralteten Datengrundlage. Lauterbach wies die Kritik erneut zurück. Zum großen Teil sei sie unberechtigt. „Die verwendeten Behandlungsdaten, hinter denen 16 Millionen Versicherte stehen, stimmen. Wären Daten falsch gewesen, hätte ich den Atlas vom Netz genommen", sagte er. Dennoch habe die Debatte gezeigt, dass der Atlas zu komplex für Laien sei.
Die Begründung, dass diese Änderungen notwendig seien, weil sein Atlas zu komplex für den Laien sei, ist mehr als erstaunlich.
Dazu Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG): „Die Begründung, dass diese Änderungen notwendig seien, weil sein Atlas zu komplex für den Laien sei, ist mehr als erstaunlich.“ Zielgruppe des Lauterbach-Atlas, so die DKG, seien doch immer die Bürgerinnen und Bürger, also Laien gewesen. „Wenn man feststellt, dass man dieses zentrale Ziel verfehlt hat, entstehen erhebliche Zweifel an der wissenschaftlichen und methodischen Kompetenz der verantwortlichen Entwickler des Lauterbach-Atlas.“
„Beta-Version an den Patientinnen und Patienten getestet“
„Der Minister hat hier eine völlig unzureichende Beta-Version an den Patientinnen und Patienten getestet“, sagte Gaß. „Wenn er jetzt behauptet, er würde den Atlas wie in der Softwarebranche üblich erst nach dem Start überarbeiten, verkennt er, dass es hier nicht um Spiele oder ein Office-Paket geht, sondern um eine Suchmaschine, die im Zweifel über die Gesundheit der Patientinnen und Patienten und über die wirtschaftliche Existenz von Krankenhäusern entscheidet.“ All dies hätte Lauterbach vermeiden können, wenn er auch diesen Atlas nicht in seiner konfrontativen Art im Alleingang durchgedrückt hätte. Die Krankenhäuser hätten das Verzeichnis gern vor dem Start auf Fehler überprüft, so Gaß.
Die DKG sei vor diesem Hintergrund erstaunt, mit welchem Selbstbewusstsein Lauterbach weiter in Sachen Klinik-Atlas auftritt und zum Beispiel die zahllosen Meldungen der Krankenhäuser über nachgewiesen falsche Darstellungen im Atlas als ‚unberechtigt‘ abtut. Sie erneuerte ihre Forderung, den Klinik-Atlas sofort abzuschalten und grundsätzlich so überarbeiten und von Fehlern zu befreien, dass ihn die Patientinnen und Patienten unbesorgt nutzen können. Die neue Version mit dann nur noch 20 von insgesamt 23 000 Behandlungen dürfte für die meisten Bürgerinnen und Bürger völlig wertlos sein, weil sie die für ihre Erkrankung notwendigen Informationen dort überhaupt nicht finden.
Bayern liefert 15 Vorschläge, Ideen fürs Pflichtenheft?
Vor kurzem hatte die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) am 17. Juni offenkundige Fehler, unverständliche Suchergebnisse und missverständliche Interpretationen des Klinik-Atlas bemängelt. Sie bot im Sinne der Qualitätstransparenz ausdrücklich ihre Unterstützung und lieferte dazu einen 15-Punkte-Katalog: Vorschläge, die vielleicht ihren Weg in das Pflichtenheft der Web-Agentur finden, die den Klinik-Atlas betreut.
15-Punkte-Vorschlag der Bayerischen Krankenhausgesellschaft zur Überarbeitung des Bundes-Klinik-Atlas:
- Kennzeichnung als Beta-Version, wenn der Bundes-Klinik-Atlas nicht bis zu einer umfassenden Überarbeitung vom Netz genommen wird.
- ICD-/OPS-Suche muss laienverständlicher werden, z. B. durch fehlerfreien Ausbau definierter Schlagwortsuche.
- Einführung zielgruppenbezogener Suche, die einfach verständlich für Patient:innen ist und einer speziellen Suche für Fachpersonal
- Transparent erkenn- und nachvollziehbarer Suchalgorithmus
- Definierte Schlagwortsuche und individuelle Suche müssen bei gleichen Begriffen zu denselben Ergebnissen kommen
- Individuelle Suche darf nicht nur ICD-Codes „nicht näher bezeichnet“ als Trefferbild ausweisen, z. B. bei Brustkrebs C50.9.
- Abstellung der Suchmöglichkeit nach psychiatrischen und psychosomatischen Diagnosen bis die entsprechenden Fachkliniken im Bundes-Klinik-Atlas enthalten sind
- Klarstellung, dass die Angabe des Pflegepersonalquotienten auf das Gesamthaus bezogen keine Aussagekraft für die Qualität der Versorgung in der jeweiligen Fachabteilung hat.
- Deutlicher Hinweis bei Darstellung des Pflegepersonalquotienten „als Tacho“, dass der technisch ermittelte „rote Bereich“ keinesfalls bedeutet, dass diese Kliniken nicht die gesetzlichen Pflegepersonaluntergrenzen einhalten würden.
- Risikoadjustierung beim Pflegepersonalquotienten als auch bei künftigen Qualitätsparametern nötig, damit Krankenhäuser mit besonders komplexen Versorgungen nicht benachteiligt werden.
- Differenzierung zwischen Kinder- und Erwachsenenmedizin, da Kinder im aktuellen System nicht transparent abgebildet sind.
- Die Abbildung von Zertifikaten im Bundes-Klinik-Atlas wird als verständliche Patient:innen-Information unterstützt, wobei Zertifikate auch die Qualifikation des Personals und spezielle Weiterbildungen widerspiegeln sollten.
- Datenvalidierung: Weitere Updates sollten zunächst stets den Kliniken zur Qualitätssicherung zugänglich sein, bevor eine Freischaltung erfolgt.
- Transparentes Fehlerberichtigungs- und Versionssystem
- Zur zeitnahen Anpassung veralteter Daten ist ein direkter Kommunikations-Kreislauf mit den Krankenhäusern zu etablieren. Zusätzliche Bürokratie und Sanktionsandrohungen sind zu vermeiden.






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