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Krankenhausreform„Wir werden alle verlieren, wenn wir das nicht angehen“

Flächenländer wie Niedersachsen fürchten um ihre Krankenhäuser. Der bisherige Entwurf zur Krankenhausreform hätte u.a. dort Lücken, so eine Stimme auf der NKG-Podiumsdiskussion. Geklärt werden müsse auch, wo die fehlenden Finazmittel für die Kliniken herkommen sollen.

NKG Podiumsdiskussion
Pucknat/NKG
An einer Podiumsdiskussion zur Zukunft der stationären Versorgung in Niedersachsen, zu der die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft eingeladen hatte, nahmen teil: Dr. Hans-Heinrich Aldag (NKG), Dr. Jürgen Peter (Vorstandsvorsitzender der AOK Niedersachsen), Eike Holsten (MdL CDU), Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi, Dr. Tanja Meyer (MdL Grüne), Claudia Schüßler (MdL SPD) und Helge Engelke (NKG).

Den Krankenhäusern in Deutschland fehlt es an Geld und an Planungssicherheit – in diesen Punkten waren sich die Beteiligten einer Podiumsdiskussion anlässlich der Jahrestagung der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG) einig. Über die Zukunft der stationären Versorgung in Niedersachsen, aber auch über die Krankenhausreform, diskutierten Dr. Andreas Philippi (Niedersächsischer Gesundheitsminister), Dr. Tanja Meyer (MdL, sozialpolitische Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen), Eike Holsten (MdL, CDU), Claudia Schüßler (MdL, sozialpolitische Sprecherin SPD), Dr. Jürgen Peter (Vorstandsvorsitzender der AOK Niedersachsen) und NKG-Verbandsdirektor Helge Engelke. 

Reform liegt hinter dem Zeitplan

„Die wirtschaftliche Lage der Kliniken in Niedersachsen ist dramatisch und schlechter als je zuvor“, sagte NKG-Vorstandsmitglied Dr. Hans-Heinrich Aldag zu Eröffnung. Die von Bund und Ländern angekündigte Krankenhausreform liegt noch deutlich hinter dem Zeitplan zurück und habe Defizite hinsichtlich Umsetzung, der Klärung der Auswirkungen und im wesentlichen der Planungsphilosophie. Vor allem aber fehlt es an Geld. NKG-Umfragen zeigen, dass 60 Prozent der Krankenhäuser in Niedersachsen ihre wirtschaftliche Existenz bis zum Wirksamwerden der Reform – voraussichtlich im Jahr 2029 – gefährdet sehen.

Auf dem Spiel steht eine elementare Säule unseres Gesundheitswesens.

Energiekrise, Betriebskostensteigerungen sowie hohe Tarifabschlüsse würden viele Kliniken in ihrer Existenz bedrohen.  „Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass Krankenhäuser mehr Geld für die Behandlung der Patienten ausgeben, als sie für deren die Versorgung erhalten“, so Aldag. Die Politik nehme diesen Zustand billigend in Kauf, Leidtragende seien die Mitarbeitenden in den Krankenhäusern, die sich seit Jahren im Dauerkrisenmodus befinden. „Es liegt in der Verantwortung der Politik, ein unkontrolliertes Krankenhaussterben und massive Einschränkungen in der Patientenversorgung abzuwenden. Insolvenzen von Krankenhäusern sind nur die sichtbare Spitze des Eisbergs. Auf dem Spiel steht eine elementare Säule unseres Gesundheitswesens. Es ist fünf nach zwölf!“, so Dr. Aldag weiter.

Aldag verwies auch auf die Planungshoheit der Länder: Die Planung der Strukturen sei originäre Aufgabe des Landes, die gerade auch unterschiedliche regionale Erfordernisse berücksichtigt und nicht durch Bundesvorgaben ausgehebelt werden dürfe. „Es besteht nicht so sehr Dissens in der Diagnose, wohl aber in wesentlichen Teilen der gebotenen Therapie“, sagte Dr. Aldag. 

Philippi setzt auf Landesbasisfallwert

Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi kündigte für Donnerstag ein Spitzengespräch mit Bund, weiteren Landesvertretern und Gesundheitsverbänden zur Klärung der finanziellen Mittel an. Dabei soll es vor allem um den Landesbasisfallwert gehen. Dieser sollte laut Protokollerklärung zum Transparenzgesetz aufgestockt werden – möglichst ab 1. Juli 2024, spätestens jedoch bis Anfang Januar. „Das wäre echtes, frisches Geld“, so Philippi. Allein für Niedersachsens Kliniken wären das 250 Millionen Euro zusätzlich. „Das Geld werde ich noch einmal einfordern“, versprach der Minister. „Das ist ein Versprechen, das muss man halten. Da kann man sich nicht hinter dem Finanzminister verstecken.“

Wir werden alle verlieren, wenn wir das nicht angehen.

Kritische Worte gab es auch für den Mitte März veröffentlichten Referentenentwurf zur Reform. Darüber, dass die Reform kommen muss, herrscht Einigkeit. „Die Krankenhausreform ist alternativlos. Wir werden alle verlieren, wenn wir das nicht angehen“, brachte es Dr. Jürgen Peter auf den Punkt. Laut dem Vorstandsvorsitzenden der AOK Niedersachsen seien jedoch Kardinalfehler begangen wurden, indem die Bundesländer nicht beteiligt wurden, denn Strukturpolitik der Krankenhäuser sei Ländersache. Der Entwurf sei sehr komplex und bürokratisch, jedoch müssten auch die Gegebenheiten vor Ort berücksichtigt werden. „Unsere Situation in einem Flächenland wie Niedersachsen ist ganz anders“, so Peter. „Das Gesetz muss einen Rahmen bilden, aber der muss elastisch bleiben, sodass wir handlungs- und gestaltungsfähig sind.“

Man spürt an jedem Satz im Gesetz, dass dort keine Praktiker eingebunden werden.

Helge Engelke bemängelte den fehlenden Praxisbezug. Es seien bundeszentral komplexe Regelungen in einer Behörde entwickelt wurden. „Man spürt an jedem Satz im Gesetz, dass dort keine Praktiker eingebunden werden.“ Das widerspreche auch seiner Berufserfahrung, dass man bei einer Formulierung des Gesetzes die Praxis außen vor lässt. Deutliche Worte fand auch Andreas Philippi: „Beim Gesetzentwurf merkt man halt, dass ein Professor als Bundesminister nicht gleich auch ein Arzt ist, der weiß, was da draußen passiert.“

Auswirkungen für einzelne Häuser noch offen

Für Claudia Schüßler enthielt der Entwurf noch viele Fragezeichen – etwa, was es eigentlich für das einzelne Krankenhaus bedeute. Nicht alles am Entwurf sei positiv, aber es sei notwendig mit ihm zu arbeiten, da sonst die Gefahr bestehe, dass es keine Veränderung gibt. „Der gute Ansatz ist, dass man die Versorgung von Menschen in den Fokus nimmt mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG)“, so die sozialpolitische Sprecherin der SPD.

Die schwierige Aufgabe sei nun zu schauen, was in Niedersachsen verändert werden muss. „Es ist wichtig, dass wir versuchen eine gute Lösung zu finden, weil die Krankenhäuser sonst auf dem kalten Weg sterben“, mahnt die Politikern. Ihr Wunsch ist, dass der Bund nachbessert und Klarheit schafft. Ein Strukturprozess könne nicht losgetreten werden, ohne zu wissen, welche Auswirkungen das Handeln hat. 

Das Ziel im Blick behalten

Lob gab es hingegen für die niedersächsische Enquetekommission zur Krankenhausplanung – auch wenn deren Arbeit schon einige Zeit zurück liegt. Was die Kommission anders machte: Alle Beteiligten wurden mit ins Boot geholt. „Auch weiterhin wollen sich niedersächsische Krankenhäuser aktiv an der Debatte über Ausgestaltung und Struktur beteiligen“, sagte Aldag. Auch Philippi betonte, dass man die Reform gemeinsam gestalten müsste: „Das können wir in Niedersachsen besonders gut“. Bei großen Reformprojekten gelte, best mögliche Kompromisse zu erzielen, ohne das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren. 

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