Herr Kilian, glauben Sie, dass auch in den anderen Bundesländern die Sozialversicherer klagen und vom Landessozialgericht Recht bekommen werden?
Eine Entscheidung des Bundessozialgerichts ist schon oft wegweisend gewesen. Daher werden die Sozialversicherer ihren Auftrag nun noch intensiver verfolgen, Beitragseinnahmen für die Sozialversicherungsgemeinschaft zu generieren. Insofern glaube ich, dass die Sozialversicherer die Festanstellung von Notärzten versuchen werden durchzusetzen. Ob es dazu immer einer Klage bedarf, wage ich zu bezweifeln.
Das Urteil scheint für die Notarztdienste eine verheerende Pattsituation zu erzeugen. Denn selbst, wenn sie den Ärzten eine Festanstellung anböten: Die meisten Mediziner würden vermutlich ablehnen, da sie ja bereits sozialversichert sind und die Arbeit für sie gerade wegen der bisher fehlenden Sozialversicherungsflicht so attraktiv war. Erschwerend kommt hinzu: Viele von Ihnen sind auf die Arbeit als Notarzt nicht existenziell angewiesen und würden ihre Tätigkeit als Notarzt im Zweifel einfach aufgeben. Sehen Sie einen Ausweg?
Bei den Honorarärzten in allgemeinen Krankenhäusern haben wir zwar noch keine vergleichbare bundesgerichtliche Entscheidung, aber zumindest die des Landes-Sozialgerichtes Baden-Württemberg vom 17.4.2013. In der Folge gab es eine Verschiebung der Vertragsform vom Dienstvertrag in die Arbeitnehmer-Überlassung. Allerdings haben sich die Angebote der Ärztevermittler an die „Honorarärzte“ wesentlich weiterentwickelt. Dabei muss man auf die Bedürfnisse der „Honorarärzte“ eingehen: die gewünschte Flexibilität, das Vergütungsniveau, die fachliche Selbständigkeit. Die Rechnung hatten die Krankenhäuser zu zahlen, die Dienstleistung wurde allein durch die Umsatzsteuer-Pflicht der Arbeitnehmer-Überlassung deutlich teurer. Wir bei Stegdoc und andere große Vermittlungsagenturen haben dafür Antworten gefunden.
Inwieweit sind Krankenhäuser davon betroffen?
Wenn auch Krankenhäuser Notarzteinsatzfahrzeugen häufig aus dem Haus heraus besetzen, so haben doch etliche ergänzend freiberufliche Ärzte eingesetzt. Das größere Problem liegt aber bei den vielen Rettungsstellen, die von anderen Organisationen betrieben werden. Denn Fakt ist: Der Notarztdienst auf Rettungswägen wird deutlich teurer.
Wie hat sich das Honorararztwesen in der letzten Zeit entwickelt? Offenbar haben viele Krankenhäuser davon Abstand genommen?
Ja – wir sehen eine Verschiebung von den freiberuflichen „Honorarärzten“ hin zur Arbeitnehmer-Überlassung. Waren im Juli 2015 noch 2/3 der Stunden bei STEGdoc von Honorarärzten geleistet worden, so waren es in diesem Juli nur noch die Hälfte. Aber eben auch noch die Hälfte – trotz der jahrelangen Diskussion um die Scheinselbständigkeit in diesem Bereich. Insgesamt ist der Bedarf an Dienstleistungen von Stegdoc auch im letzten Jahr gewachsen. Zahlen zum Gesamt-Markt liegen mir leider nicht vor.
Wirkt sich der Abschied von Honorararztwesen positiv auf Ihr Geschäft aus? Gibt es vermehrt Ärzte in Leiharbeit?
Ja – ganz klar. Wir können immer mehr Ärzte auch für Projekt-bezogene Einsätze per Arbeitnehmer-Überlassung gewinnen. Entscheidend ist hier, auf die individuelle Situation von Ärzten und Krankenhaus eingehen zu können. Die Arbeitnehmer-Überlassung und Kurzzeitanstellung bieten verschiedene Alternativen zu Dienstverträgen.


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