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Zu hohe PrüfquotenErfolgreiche Widersprüche in MDK-Reformgesetz unberücksichtigt

Seit 2020 gilt das Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen, im Zuge dessen es zu Änderungen bei der Prüfung von stationären Abrechnungsfällen bei der GKV kam. Bei der Prüfquoten-Berechnung gibt es Unstimmigkeiten, da erfolgreiche MD-Gutachten-Widersprüche der Kliniken als irrelevant beurteilt werden.

Stethoskop auf Papierstapel
Lenetsnikolai/stock.adobe.com
Symbolfoto

Mit dem Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz), das im Januar 2020 in Kraft trat, wurden unter anderem umfangreiche Änderungen zur Prüfung von Abrechnungsfällen bei der stationären Behandlung von Patienten der Gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt.

Die Problemstellung laut Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses lautet: „Die im Auftrag der Krankenkassen durch die MDK durchgeführten Abrechnungsprüfungen führten zu einer Vielzahl von Streitigkeiten. Zudem entstehe durch die ineffiziente Ausgestaltung der Abrechnung von Krankenhausleistungen sowie der derzeitigen Form der Krankenhausrechnungsprüfung ein erheblicher Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten (Drucksache des Deutschen Bundestages 19/14871 vom 06.11.2019).“ Ob mit den gesetzlichen Änderungen weniger Streitigkeiten zwischen den Krankenkassen und den erbringenden Kliniken entstehen, die Ausgestaltung der Abrechnung von Krankenhausleistungen effizienter wird und der erhebliche Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten deutlich sinkt, darf bezweifelt werden.

Zum Hintergrund

Ein Aspekt der Änderungen sieht vor, dass ab dem Jahr 2022 die hausindividuellen Prüfquoten eines Quartals abhängig davon bestimmt werden, wie hoch der Anteil der Positivquote in Bezug auf die durchgeführten Rechnungsprüfungen des vorvergangenen Quartals ausfällt. Dabei werden die Prüffälle des MD, die unbeanstandet verbleiben (das bedeutet: das Gutachten führt zu keiner Rechnungsminderung), in Bezug zu allen vom MD im gleichen Quartal erstellten Gutachten gesetzt.

Die Höhe der Prüfquote bemisst sich dabei wie folgt:

Jahr 2021ab Jahr 2022

Anteil unbeanstandeter MD-
Prüfungen aus dem
vorvergangenen Quartal

entfällt

≥ 60%

< 60% bis 40%

< 40% bis 20%

< 20%

Prüfquote

12,5%

5%

10%

15%

offen

Zudem hängt auch die Höhe der Aufschlagszahlungen von der Höhe der Positivquote des vorvergangenen Quartals ab:

Aufschlagszahlungen

  • zusätzlich zur Rückzahlung der Differenz zwischen dem ursprünglichen und dem geminderten Rechnungsbetrag.
  • bei einem postivien Prüfergebnis: 40 bis 60% (25% Aufschlag)
  • bei einem positiven Prüfergebnis <40% oder beim Verdacht auf systematisch überhöhte Abrechnung (50% Aufschlag)
  • mindestens 300 Euro

Was ist das Problem dabei

Bei der Berechnung der Prüfquote, die aus dem Verhältnis der unbeanstandeten Fälle im Verhältnis zu allen Prüffällen eines Quartals errechnet wird, wird immer nur das erste MD-Gutachten zu einem Prüffall zur Beurteilung herangezogen.

Dies ist umso erstaunlicher, als die Kliniken ab 2022 keine Möglichkeit der Rechnungskorrektur mehr haben. Dann kommt also der MD, prüft und das erste Gutachten ist relevant für die festzulegende Prüfquote und die damit korrespondierenden Aufschlagszahlungen. Erfolgreich durchgeführte Widersprüche der Kliniken mit einer Wandlung eines beanstandeten zu einem nicht beanstandeten Gutachten sollen irrelevant sein. Gerade an der Schwelle zu einem Wert kleiner als 60 Prozent bzw. weniger als 40 Prozent unbeanstandeter Prüffälle wirkt sich dies sprunghaft auf die Prüfquoten und die Höhe der Aufschlagszahlungen des jeweiligen Klinikums aus.

Diese Regelung, dass weder Widersprüche, denen nachträglich durch substantiierte Einwendungen der Kliniken abgeholfen wird, nicht bei der Berechnung der Prüfquoten und der Höhe der Aufschlagszahlung Niederschlag finden, sind inhaltlich nicht zu rechtfertigen. Ebenso wenig werden erfolgreiche Klagen gegen rechtsgrundlos vorgenommene Kürzungen bei den  vorgenannten Quoten berücksichtigt. Wie kann dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Erfahrung der Vergangenheit zeigt, dass zahlreiche negative Erstgutachten nach substantiiertem Widerspruch fallen und dem Krankenhaus in Form eines positiven Widerspruchsgutachten durch den MD Recht gegeben wird?   Hier muss zwingend eine Korrektur vorgenommen werden.

Mögliche Verfahren zur Berücksichtigung der Wandlung von MD-Gutachten

Mutmaßlich wurde diese Regelung aus Gründen der Praktibilität eingeführt. Zur Ermittlung der oben genannten Prüfquoten und der Höhe der Aufschlagszahlungen übermitteln die Gesetzlichen Krankenkassen entsprechende Daten aus den Abrechnungsprüfungen nach §275 c SGB V an den GKV-Spitzenverband. Dabei haben die Krankenkassen die Daten im Zeitraum vom 15. bis zum letzten Tag des Monats zu übermitteln, der auf das abgeschlossen Quartal folgt. Um letztlich zu entscheiden, wie eine MD-Prüfung definitiv ausgeht, positiv ohne Erlösminderung oder negativ mit Erlösminderung, müssten Daten herangezogen werden, die nur MD-Gutachten in die Kalkulation einbeziehen, die im Konsens abgeschlossen wurden. Die Folge einer solchen Vorschrift wäre, dass die Kliniken nur positiven Gutachten zustimmen würden. Diese Idee scheidet also aus.

Die zweite Möglichkeit wäre, pauschale Korrekturfaktoren anzuwenden. Damit würden aber Kliniken mit schlechten Korrekturwerten systematisch besser gestellt als Häuser mit hohen Wandlungsquoten. Dieser Vorschlag scheidet also auch aus.

Der dritte Vorschlag würde individuelle und validierte Wandlungsquoten von Kliniken berücksichtigen und somit auch die individuelle Performance der Kliniken in Bezug auf die Verteidigung ihrer Abrechnungen berücksichtigen. Bis ein Datenmodell etabliert wäre, das eine praktikable und nachvollziehbare Berücksichtigung der Wandlung von MD-Gutachten erlaubt, könnten übergangsweise pauschale Annahmen zur den Wandlungshöhen der Gutachten zugrunde gelegt werden.

Wie sich schon an diesem einen Aspekt des MDK-Reformgesetzes zeigt, sind die Ziele, die in der Begründung des Gesetzes dargelegt wurden, nämlich das Rechnungsprüfungsverfahren für alle Beteiligten schlanker zu gestalten, mit den eingeführten Regelungen eher nicht zu erreichen.

Ein Anpassungsfaktor für die Kliniken, entweder pauschal oder besser hausindividuell, könnte ein Weg sein, diese Schieflage zu beseitigen. Ein Datenmodell aus den Wandlungsquoten der initialen Negativgutachten wäre eine konstruktive Lösung.

Ausblick

Die Streitigkeiten dürften in diesem neuen System der Abrechnungsprüfung eher noch zunehmen. Der zweite Punkt der effizienteren Abrechnung der Krankenhausleistungen wird so, da die Kassen durch die Art und Auswahl der zu prüfenden Leistungen es in der Hand haben, wie hoch die Positivquote der MD-Gutachten ist, ebenfalls nicht erreicht. Dass mit dem vorliegenden System der Steuerung der Abrechnungsprüfung der erhebliche Verwaltungsaufwand für beide Parteien eher gesteigert als abgebaut wird, kann hingegen als gesichert gelten.
Die zusätzlichen Erfordernisse im Rahmen des MDK-Reformgesetzes weisen regelhaft auf eine weitere Ressourcenbindung und Aufrüstung sowohl der Krankenhaus- als auch der Krankenkassenseite hin. Ob man sich dauerhaft einen Gefallen tut, ein kompliziertes und überreguliertes System durch immer neue Vorschriften zusätzlich zu überfrachten und so für die die betroffenen Patienten Ressourcen entzieht, mag Anlass für zukunftsbezogene Überlegungen hin zu einem generellen Systemwandel in der Struktur des Gesundheitssystems, mindestens aber der stationären Leistungserbringung sein.

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