Der Begriff Nudging, zu Deutsch „schubsen, anstoßen“, spielt mit der Beeinflussung menschlichen Verhaltens. Die Theorie geht davon aus, dass Menschen sich manchmal irrational verhalten und unkluge Entscheidungen treffen. Ein Nudge soll uns also dazu bewegen, rationale und kluge Entscheidung zu treffen. Das klingt erstmal nicht schlecht. Die Meinungen gehen weit auseinander. Nudging-Gegner sprechen von Manipulation. Durch subtile Informationen soll eine unterbewusste Verhaltensveränderung bewirkt werden.
Ich spreche mich als Befürworter dafür aus, Nudging nicht direkt zu verteufeln und die positiven Aspekte gewinnbringend für unser Gesundheitswesen einzusetzen. Beispiele für Nudging im Gesundheitswesen finden sich unter anderem in den Bereichen Organspende, Ernährung oder Bewegung – letzteres zunehmend auch durch digitale Lösungen.
Die Bewertung verschiedener Nudging-Ansätze
Die Widerspruchsregelung bei der Organspende ist ein kontroverses Thema aus dem Nudging-Kontext. Jens Spahn möchte mit der Einführung dieser minimalen Regelung die Zahl der potentiellen Organspender deutlich erhöhen. Ein kleines Detail, das er übersehen hat: Die langen Wartezeiten auf ein Spenderorgan hängen vor allem mit der schlechten Vergütung in den Krankenhäusern zusammen. Diesen Zusammenhang hat eine Studie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel nachgewiesen. Die überwiegend negativen Reaktionen auf Spahns Vorstoß haben gezeigt: Es braucht hier nicht unbedingt Nudging, sondern vor allem politischen Handlungswillen.
Ganz anders sieht das in den Bereichen Ernährung und Bewegung aus. Jeder kennt ihn, den inneren Schweinehund: Wir bewegen uns zu wenig und zu selten, wir essen das Falsche und davon auch noch zu viel. Ein Schubs in die richtige Richtung könnte unserem inneren Schweinehund auf die Sprünge helfen. Ein praktisches Beispiel für solche Schubser findet sich in Kantinen und Cafeterien. Anstelle von ungesunden Süßigkeiten werden gesunde Lebensmittel auf Augenhöhe oder direkt an der Kasse platziert. Ein subtiler aber gut gemeinter Eingriff in unsere persönliche Entscheidungsfreiheit.
Vorwurf der Manipulation
Auch Schubser zur körperlichen Aktivität finden sich an öffentlichen Orten sowie Arbeitsplätzen – zum Beispiel als Erinnerung an das Treppensteigen direkt neben dem Aufzug platziert. Eine digitale Variante dieser Schubser tragen heute übrigens immer mehr Leute direkt am Arm: Fitness-Tracker. Sie erinnern uns regelmäßig daran aufzustehen oder uns endlich mal wieder zu bewegen. Ich persönlich empfinde Nudges in diesen beiden Bereichen nicht als manipulatives Mittel, sondern als nützliche Unterstützung für ein gesundheitsbewusstes Verhalten.
Nudging kämpft weiterhin mit dem Vorwurf der Manipulation unseres Verhaltens. Vor dem Hintergrund stetig steigender Ausgaben für medizinische Behandlung, Pflege oder Arzneimittel sollte unsere Gesellschaft jedoch nicht die Augen vor Maßnahmen verschließen, die sich positiv auf die Erhaltung unserer Gesundheit auswirken können.

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