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E-Health MonitorDigitalisierung bleibt eine Mammutaufgabe

Dem aktuellen E-Health Monitor zufolge wird die elektronische Patientenakte von weniger als ein Prozent der gesetzlich Versicherten genutzt. Dagegen steigt das Interesse an digitalen Gesundheitsanwendungen. Dennoch bleibt weiterhin viel zu tun, so das Fazit.

Digital Health
Production Perig/stock.adobe.com
Symbolfoto

Der aktuelle E-Health Monitor von McKinsey zeigt eine höhere Nutzung von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) und Telemedizin. Auch ein Großteil der Arztpraxen und Apotheken sind mittlerweile an die Telematikinfrastruktur angeschlossen. Abgehängt bleibt die elektronische Patientenakte, die von weniger als einem Prozent der Versicherten genutzt wird. „Es bleibt viel zu tun, man kann getrost von einer Mammutaufgabe sprechen“, resümiert Thomas Müller, Associate Partner bei Mc Kinsey und Herausgeber des E-Health Monitors, bei der Vorstellung der Ergebnisse. 

Schwerpunktmäßig beschäftigten sich die Autoren in diesem Jahr mit der elektronischen Patientenakte (ePA) und dem E-Rezept. Und das nicht ohne Grund: „Die ePA und das E-Rezept spielen eine Schlüsselrolle. Sie bilden das Fundament für die künftige digitale Gesundheitsversorgung in Deutschland“, sagt McKinsey-Partnerin und Herausgeberin der Studie Laura Richter. Die ePA steht seit Januar 2021 allen gesetzlich Versicherten zur Verfügung, sie besitzen die Datenhoheit und entscheiden, welche Leistungserbringer Zugriff auf hochgeladene Befunde, Therapiemaßnahmen oder Behandlungsberichte erhalten sollen. 

Nur wenig ePA-Nutzer

Gut aufgestellt ist dieses Fundament derzeit noch nicht: 0,7 Prozent der gesetzlich Versicherten nutzen derzeit die elektronische Patientenakte (ca. 560 000 Nutzer). Andere Länder wie Dänemark sind bei diesem Thema schon weiter: Dort nutzt ein Viertel der Bevölkerung jeden Monat die ePA. Auch das Nutzerverhalten selbst ist bei der ePA hierzulande noch zurückhaltend: bis September 2021 wurden 135 000 Dokumente hochgeladen. Dabei handelt es sich um Notfalldatensätze, Zahnarztbonushefte oder Mutterpässe. Beim Hochladen bleibt es oftmals. „Was bedenklich ist, ist dass die Dokumente in der ePA sehr selten von Leistungserbringern angefasst wurden“, sagt Tobias Silberzahn, Partner im McKinsey-Büro und einer der Studienherausgeber. Jedes 13. Dokument wurde überhaupt mal vom Leistungserbringer angefasst. „Das meiste wurde nur hochgeladen, was natürlich nicht der Sinn ist“, so Silberzahn weiter. 

Die Nutzung der Akte ist bislang freiwillig (Opt-in). Um die Nutzung zu skalieren, beschloss die Gesundheitsministerkonferenz im Juni 2022, ein Opt-out Verfahren zu prüfen. Dies wurde von der Gesellschafterversammlung der gematik Anfang November beschlossen. Mit der „Opt-out-ePA“ wird die Akte standartmäßig für die Versicherten eingerichtet. Wer aktiv widerspricht, bekommt keine Akte. 

Anstieg beim E-Rezept

Eine weitere wichtige Säule ist das E-Rezept. Hier ist ein Anstieg erkennbar: bisher wurden 655 000 E-Rezepte eingelöst. Im Juli waren es noch 44 000. „Hier haben wir eine schöne Entwicklung gesehen“, sagt Laura Richter. Dennoch macht diese Zahl nur einen Bruchteil der tatsächlich verordneten Rezepte aus – nämlich weniger als 0,1 Prozent der jährlichen Gesamtzahl der Rezepte (ca. 760 Millionen). „Aktuell ist das E-Rezept irrelevant, aber noch in der Erprobungsphase und muss sich im nächsten Jahr entwickeln“, so Richter. Der Start bleibt holprig, schließlich setzte die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe Anfang November die Einführung der elektronischen Verschreibung aus. Die gematik hält jedoch am Ziel der flächendeckenden Einführung für 2023 fest. 

Fast alle an TI angeschlossen

Fortschritte waren bei der Telematikinfrastruktur (TI) zu verzeichnen. 96 Prozent der Hausarztpraxen und 99 Prozent der Apotheken waren im zweiten Quartal dieses Jahres an die TI angeschlossen. Die TI bildet die technologische Basis und soll das Zusammenspiel von Patienten, Arztpraxen, Krankenhäusern, Apotheken und Kassen vereinfachen und verbessern. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch vier neue Gesetze und Verordnungen, die seit 2021 in Kraft getreten sind. Sie sollen günstigere Rahmenbedingungen für die Entwicklung der digitalen Versorgung und Pflege sowie für die TI-Interoperabilität schaffen. 

Dennoch beklagen 50 Prozent aller Praxen mindestens wöchentlich Fehler, davon ein Großteil nahezu täglich. Viele Praxen setzen weiterhin auf analoge Kommunikationswege. Nur bei 12 Prozent läuft sie digital ab – dies ist jedoch mehr als im Vorjahr, wo es vier Prozent waren. Die Ursache für den Anstieg ist die Verfügbarkeit und leichtere Nutzbarkeit von KIM- und TI-Messenger, was die digitale Kommunikation aus datenschutzrechtlicher Sicht möglich mache, erklärt Richter. „Das ist ein guter Schritt, aber auf niedrigem Niveau“, so ihr Fazit. Somit setzen 88 Prozent weiterhin auf Kommunikation per Brief oder Fax. 

Wunsch nach digitalen Angeboten

Die Patienten bremsen die digitalen Entwicklungen nicht aus – mehr als 50 Prozent wünschen sich mehr digitale Angebote, zum Beispiel im Bereich Online-Terminvereinbarung, digitaler Rezeptbestellung oder digitaler Befundmitteilung. Das Angebot davon steigt: Insgesamt bieten 61 Prozent der Hausarztpraxen digitale Services an, der Großteil entfiel mit 37 Prozent auf Videosprechstunden, 21 Prozent auf Online-Terminvereinbarung. Rund 3,5 Millionen Videosprechstunden wurden von Vertragsärzten abgerechnet, ein Anstieg von 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Offen bleibt, wie lange der Pandemie-Effekt noch anhält. Denn fast die Hälfte der Arztpraxen hat das Angebot im Zuge der Lockerung von Pandemiebeschränkungen reduziert“, sagt Richter. 

Positive Resonanz bei den DiGa

Stärker genutzt werden auch die digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA), bis Anfang November stieg die Anzahl auf 33 Anwendungen für zehn Therapiegebiete im DiGA-Verzeichnis. 2021 gab es insgesamt 45 000 DiGA-Verschreibungen, im Jahr 2022 waren es allein in der ersten Jahreshälfte 62 000. Wenn der Markt weiter wächst wie bisher, könnten bis Ende dieses Jahres 125 000 DiGa verordnet werden, was einem Wachstum von 177 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Die Nutzenden-Resonanz ist positiv: 63 Prozent meldeten einen positiven Versorgungseffekt, 86 Prozent würden bei einer erneuten Erkrankung wieder eine DiGa nutzen. 80 Prozent der 2021 publizierten E-Health-Studien belegen den positiven Nutzeneffekt der digitalen Anwendungen. 

Skepsis gibt es jedoch auf Seite der Ärzteschaft: Laut KBV-Umfrage zeigt sich jede zweite Arztpraxis offen für digitale Innovationen – dennoch hinterfragen auch zwei von drei niedergelassenen Ärzten (65 Prozent) das Kosten-Nutzenverhältnis der Digitalisierung. Und jeder zweite Arzt befürchtet, dass die Digitalisierung die Beziehung zu den Patienten verschlechtert. Mit 51 Prozent liegt dieser Wert sogar über dem Vorjahreswert. 

Enormes Potenzial

Das finanzielle Potenzial der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen ist groß: Es sind 42 Milliarden Euro pro Jahr. Ein Großteil davon entfällt mit acht Milliarden Euro auf die ePA und das E-Rezept, wobei die ePA mit rund sieben Milliarden Euro den größten Nutzen aufweist. Erschlossen wurden davon bisher jedoch nur 1,4 Milliarden Euro. Für vieles sei die ePA der „Enabler“, sagt Richter. Zum Beispiel für das Management chronischer Erkrankungen, medizinischer Chatbots oder digitaler Diagnosetools sind die Daten aus der ePA hilfreich, da sie in genau diese Lösungen reinfließen können. Um den Nutzen zu erhöhen, müssten Ärzte und andere Leistungserbringer mehr einbezogen werden und als Multiplikatoren dienen. Ein anderes Thema wäre stärkere Nutzenerlebnisse zu schaffen, was man dadurch erreiche, wenn man mehr in Journeys denkt: Was macht der Patient und was könnte dafür in der ePA vorhanden sein? Es gibt viele Lösungen – DiGA, ePA, Online-Terminvereinbarung. Diese könnte man mehr kombinieren, um die Nutzenerlebnisse für den Patienten attraktiver zu gestalten. 

Soll die Digitalisierung des Gesundheitssystems in Deutschland gelingen, müssen Bereitschaft und Fähigkeit zur Datennutzung und Datenübermittlung bei allen Akteuren gesteigert werden. Einzelne Lösungen zeigen bereits, dass eine breite Nutzung gelingen kann, etwa die Telekonsultation, Online-Terminbuchungen oder die Corona-Warn-App. „Am Ende entscheiden die Nutzer über den Erfolg der Digitalisierung. Akteure und Entscheider im Gesundheitswesen müssen sich der Erfolgsfaktoren bewusst sein: strikte Nutzerzentrierung, einfache Handhabung und Fokus auf das Nutzererlebnis aller Beteiligten, von Patienten über die Ärzteschaft bis zu den Apotheken“, sagt Tobias Silberzahn. 

Zum E-Health-Monitor

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