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Johannesstift DiakonieKlinik-„Alltag“ im Zeichen des Hackerangriffs

In den Häusern der Johannesstift Diakonie ist der Ausnahmezustand derzeit Alltag. Warum es nach dem folgenschweren Cyberangriff trotzdem irgendwie läuft und was die Ermittler wissen – ein Update.

In einem Raster aus blauen Ziffern und Buchstaben leuchtet der Begriff "Cyber Attack" rot auf.
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Symbolfoto

Prof. Dr. Lutz Fritsche klingt vorsichtig optimistisch: „Die Fortschritte sind täglich spürbar“, sagt der Vorstand Medizin der Johannesstift Diakonie. Knapp zehn Tage nach dem Cyberangriff auf das Gesundheits- und Sozialunternehmen laufen die Notfallkonzepte in den Einrichtungen in der Region Berlin und in Nordostdeutschland weiter stabil und nach und nach fahren die Systeme wieder hoch, teilt die Johannesstift Diakonie mit.

Den kriminellen Crypto-Überfall vom 13. Oktober schreiben die Ermittler einer „bekannten, seit Jahren operierenden internationalen Hacker-Gruppe“ zu. Aktuell laufe noch die forensische Untersuchung des Vorfalls, und das LKA ermittele, so die Diakonie. Sobald gesicherte Erkenntnisse vorlägen, werde die Öffentlichkeit informiert: „Wir bitten alle Akteure darum, sich nicht an Spekulationen zu beteiligen.“

Systeme fahren wieder hoch

Dass im Klinik-„Alltag“ auch die Notfallversorgung, die OPs und die Radiologien stabil laufen, sei unter anderem möglich, weil Untersuchungsergebnisse, beispielsweise von CT und MRT, auch bei einer Störung des IT-Betriebs direkt an den Medizingeräten lokal abrufbar seien, heißt es weiter. Überall seien dezentrale Übergangslösungen geschaffen worden. Teilweise werden die laufenden Behandlungen demnach auf Papier dokumentiert, und in der Materialwirtschaft werde zum Beispiel in Excel gearbeitet.

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Ab dieser Woche würden die Klinischen Informationssysteme in den Krankenhäusern wieder zur Verfügung gestellt – „ohne Datenverlust“, betont die Diakonie. Damit sei dann auch der IT-gestützte Regelbetrieb gewährleistet. „Darüber hinaus machen wir gute Fortschritte bei der Wiederherstellung der Server-Infrastruktur“, heißt es. Auch die anderen Systeme würden fortlaufend wieder hochgefahren.

„Unsere IT-Mitarbeitenden haben seit der vergangenen Woche und auch das gesamte Wochenende unter hohem Leistungs- und Zeitdruck und mit großem Engagement an der Lösung der Probleme gearbeitet“, erklärt Fritsche. Und Vorstandssprecher Andreas Mörsberger ergänzt: „Der Cyberangriff hat nicht nur unsere Teams in den Einrichtungen zusammengeschweißt. Es ist sehr positiv zu sehen, wie unsere Patienten, Kunden und ihre Angehörigen uns mit Verständnis für diese Situation begegnen.“

Für unsere tägliche Arbeit ist dies wie eine Zeitreise in die 80er-Jahre.

Wie die Folgen des Hackerangriffs das Klinikgeschehen bestimmen, macht Matthias Lauterbach deutlich. Vor allem hinsichtlich Wartezeiten bei Aufnahmeprozessen, in der Rettungsstelle oder bei Laboruntersuchungen gebe es gravierende Auswirkungen, sagt der Geschäftsführer des Evangelischen Krankenhauses Paul Gerhardt Stift in Lutherstadt Wittenberg.

„Für unsere tägliche Arbeit ist dies wie eine Zeitreise in die 80er-Jahre“, so Lauterbach. Sämtliche Dokumentation müsse wieder in Papierform erfolgen, was für die Teams eine enorme Mehrbelastung darstelle. Komme zum Beispiel ein Patient in die Rettungsstelle, müssten, statt die Versichertenkarte der Krankenkasse in wenigen Sekunden elektronisch einzulesen, alle Daten händisch erfasst werden.

Häuser können keine Rechnungen begleichen

Dafür sei der Personalausweis des Patienten notwendig – „was diesem natürlich vorab erklärt werden muss“, beschreibt Lauterbach. Allein dieser Aufnahmeprozess dauere so bis zu 15 Minuten, „denn alles, was vorher in den PC eingegeben wurde, muss nun handschriftlich, gut lesbar und mit allen relevanten Daten aufgeschrieben werden“.

Auch außerhalb der medizinischen und pflegerischen Versorgung bringe der Hackerangriff viele Herausforderungen mit sich, betont Lauterbach: Kostenträger und Lieferanten müssten informiert werden, dass das Krankenhaus derzeit weder Rechnungen empfangen noch begleichen könne, sämtliche Kommunikation nach außen sei nur per Telefon und Fax möglich, da kein Zugriff auf die Mailadressen bestehe, und auch das WLAN-Netzwerk des Krankenhauses stehe nicht zur Verfügung.

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