
Elektronische Rezepte und digitale Gesundheitsakten sollen für Millionen Patientinnen und Patienten zum Alltag werden. Darauf zielen die Gesetzespläne von Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD). Das Bundeskabinett hat am 30. August die Entwürfe eines „Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ (Digital-Gesetz – DigiG) sowie eines „Gesetzes zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten“ (Gesundheitsdatennutzungsgesetz – GDNG) beschlossen.
Nach jahrelangen Verzögerungen und technischen Problemen soll die Digitalisierung im Gesundheitswesen damit in Fahrt kommen. Bis Anfang 2024 sollen E-Rezepte in allen Praxen zu haben sein. Als Kernprojekt sollen Anfang 2025 E-Patientenakten (ePA) für alle kommen – es sei denn, man lehnt das ab. Auch die Nutzung kombinierter Gesundheitsdaten für die Forschung soll erleichtert und deutlich vorangebracht werden.
Patienten sollen sich darauf verlassen können, dass ihre Gesundheitsdaten überall sicher genutzt werden.
Lauterbach sagte: „Damit starten wir sowohl im Versorgungsalltag wie in der Forschung eine Aufholjagd und bauen in Deutschland eine der modernsten medizinischen Digitalinfrastrukturen in Europa auf.“ Patienten sollten sich darauf verlassen können, dass ihre Gesundheitsdaten überall sicher genutzt werden, um sie besser zu versorgen. Der Minister hatte mehrfach klar gemacht, dass der Nachholbedarf groß ist: Bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems sei Deutschland leider „ein Entwicklungsland“. Dabei sei die Digitalisierung auch eine Antwort auf Herausforderungen wie Kostenexplosion, Fachkräftemangel und die Versorgung auf dem Land, erläuterte die FDP-Fachpolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus.
Lauterbach will besonders Anwendungen mit praktischem Nutzen für Patientinnen und Patienten beschleunigen. Die beiden Gesetze dazu kommen nun zu weiteren Beratungen in den Bundestag, ein Medizinforschungsgesetz zur umfassenden Beschleunigung von Klinischen Studien soll noch dieses Jahr folgen.
Mit diesen Reformen starten wir einen Fasttrack.
Mit diesen Reformen startet für Lauterbach ein „Fasttrack“. Krebsforschungs- und Demenzstudien sollen durchgeführt und andere wichtige Forschungsfragen in der Medizin beantwortet werden. „Mein Wunsch ist es, dass wir KI – am besten „Made in Germany“ – einsetzen, um in der Entwicklung von Arzneimitteln und Medizinprodukten wieder Spitze zu werden.“
Im Überblick:
E-Rezept auf breiter Front
Schon länger sind E-Rezepte anstelle der gewohnten rosa Zettel auch über eine spezielle App oder einen ausgedruckten QR-Code einzulösen. Doch ein Durchbruch in größerem Stil verzögerte sich mehrfach auch wegen technischer Probleme. Mehr Schub bringen soll nun ein weiterer, einfacherer Einlöseweg: Seit 1. Juli ist es in Apotheken möglich, dafür die Versichertenkarte der Krankenkasse in ein Lesegerät zu stecken. Per Digitalgesetz soll es nun vom 1. Januar 2024 an für Ärztinnen und Ärzte verpflichtend werden, Rezepte elektronisch auszustellen. Die Praxen sollen sich dafür schrittweise umstellen. Und eigentlich bestand die Pflicht zum E-Rezept für sie auch schon ab Anfang 2022.
Der einzige volldigitale Weg beim E-Rezept ist eine Einlösung per App.
In den Praxen sind aber noch nicht überall die Voraussetzungen dafür geschaffen. Dazu gehört ein Verbindungsgerät an die geschützte Datenautobahn des Gesundheitswesens. Die E-Rezepte werden auf einem zentralen Server gespeichert und beim Einstecken der Kassenkarte wird die Apotheke autorisiert, sie von dort abzurufen. „Der einzige volldigitale Weg beim E-Rezept ist eine Einlösung per App“, sagte der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas. Mit dem Digital-Gesetz könne die E-Rezept-App künftig auch in die Apps der Kassen integriert werden.
Kernelement ePA
Als wählbares Angebot sind E-Akten bereits 2021 eingeführt worden. Sie sollen ein persönlicher Datenspeicher sein und Patienten im Prinzip ein Leben lang bei allen Ärzten begleiten. Die gebündelten Daten sollen auch Wechselwirkungen von Arzneimitteln und unnötige Mehrfachuntersuchungen vermeiden. Das Problem ist nur, dass sich bisher nur etwa ein Prozent der 74 Millionen gesetzlich Versicherten für eine ePA entschieden hat. Erklärtes Beschleunigungsziel der Bundesregierung ist es, bereits bis 2025 auf 80 Prozent zu kommen.
Dafür will die Koalition auf das Prinzip „Opt-out“ umschwenken: Laut Gesetzentwurf sollen die Krankenkassen breit informieren und dann bis 15. Januar 2025 für alle gesetzlich Versicherten automatisch eine E-Akte einrichten – es sei denn, man widerspricht aktiv. Abrufbar sein soll die ePA dann mit bestimmten Identifikationsregeln über eine Kassen-App. Was Ärzte und Ärztinnen in die Akte einstellen und wer worauf zugreifen kann, soll man selbst festlegen können. Zuerst soll eine digitale Medikationsübersicht nutzbar sein, folgen sollen unter anderem Laborbefunde. Bei Kassenwechsel kann man die Daten mitnehmen.
Ausweitung der DiGA
Die digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) sollen durch das Digital-Gesetz tiefer in Versorgungsprozesse integriert werden. Das soll den Einsatz transparenter machen. Zukünftig sollen DiGA außerdem auf digitale Medizinprodukte (Risikoklasse IIb) wie zum Beispiel Telemonitoring ausgeweitet werden.
Digitalbeirat für Gematik
Der Gematik wird zukünftig ein Digitalbeirat zur Seite gestellt. Er wird unter anderem mit Vertretern des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sowie der Medizin und Ethik besetzt sein. Dieser soll zu Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit, der Datennutzung und der Anwenderfreundlichkeit beraten.
Leichtere Datenforschung
Ein weiteres Ziel ist es, die Forschung mithilfe von Gesundheitsdaten voranzubringen. Der Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland soll an die Weltspitze herangeführt werden. Dafür will Lauterbach mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz ermöglichen, an einer zentralen Zugangsstelle Daten aus verschiedenen Quellen zu verknüpfen – etwa aus Krebsregistern und von Krankenkassen. Dabei sollen die Daten verschlüsselt (pseudonymisiert) werden. Für Daten, die in der ePA gespeichert werden, ist wieder ein Opt-out-Verfahren geplant: Sie sollen also zunächst eine Einstellung für „Datenspenden“ zu Forschungszwecken des Forschungsdatenzentrums Gesundheit (FDZ) bekommen, der man aber widersprechen kann.
Lauterbach sieht ein großes Potenzial in Datenauswertungen, mit denen andere Länder in der Corona-Pandemie schnelle Erkenntnisse erzielen konnten. Generell könnten dann auch mit künstlicher Intelligenz über Abgleiche mit ähnlichen Fällen zum Beispiel Tumore in frühen Stadien besser erkannt werden.





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