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DGUÜbermäßiger Datenschutz gefährdet Versorgung Schwerstverletzter

Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) kritisiert verschärfte Datenschutzregelungen mit Blick auf die Schwerverletztenversorgung. Sie erschwerten die Qualitätssicherung und die wichtige Registerforschung.

Rettungsdienst
Christian Schwier/stock.adobe.com
Symbolfoto

Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie erschweren verschärfte Datenschutzregulierungen die Versorgung von Schwerverletzten. Das TraumaRegister DGU weise immer weniger Behandlungsverläufe von Schwerverletzten auf, obwohl sie behandelt wurden. Ursache dafür sei die 2018 in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Seitdem gebe es erhebliche formale und inhaltliche Unsicherheiten und Hürden, wenn Unfallchirurgen das Einverständnis der Patienten für die Aufnahme von Versorgungsdaten in das Register einholen wollten, um der Forderung zur externen Qualitätssicherung nachzukommen.

Die Einwilligungserklärung stelle bei schwerverletzten Patienten regelmäßig eine organisatorische und ethisch höchst schwierige bis unlösbare Herausforderung dar. Daher fordern Experten erneut eine gesetzliche Regelung, damit das Register auch ohne Einwilligungserklärung lückenlos weiter betrieben werden kann. „Seit über zwei Jahren setzen wir uns dafür ein, dass wir pseudonymisierte Daten rechtssicher verwenden dürfen. Datenschutz ist gut und richtig. Aber übertriebener Datenschutz macht unser seit fast 30 Jahren bestehendes TraumaRegister nun zunichte und gefährdet damit Menschenleben“, kritisiert DGU-Präsident Prof. Dr. Michael J. Raschke.

Qualitätssicherung in Akut- und Notfallmedizin unmöglich

Die TraumaRegister-Daten sind Kernstück der nationalen Qualitätssicherung in der Schwerverletztenversorgung. Doch die DSGVO mache Qualitätssicherung und Registerforschung zur Verbesserung der Schwerverletztenversorgung zunehmend unmöglich. Es bestehe die Gefahr, dass die Daten zukünftig nur noch eingeschränkt die Realität widerspiegeln können. Das zeigten auch aktuelle Zahlen: Knapp 30 000 neue Datensätze wurden pro Jahr im TraumaRegister DGU von den über 600 Traumazentren der Initiative TraumaNetzwerk DGU bisher angelegt. 2018 waren es 6 Prozent weniger, 2019 sank die Aufnahmequote schon um 17 Prozent.

„Das ist eine besorgniserregende Entwicklung, die wir unbedingt stoppen müssen. Auf der einen Seite gibt es die gesetzlich vorgeschriebene Pflicht zur Qualitätssicherung, auf der anderen Seite sind die rechtssicheren Voraussetzungen dafür in den Kliniken nicht gegeben“, macht DGU-Generalsekretär Prof. Dr. Dietmar Pennig auf das Problem aufmerksam. Der fehlende rechtssichere und gleichzeitig praktikable Umgang mit dem Datenschutz mache die Qualitätssicherung in allen Bereichen der Akut- und Notfallmedizin de facto unmöglich. Daher kritisieren die DGU-Experten, dass es hierzulande keine umfassende gesetzliche Regelung zur Förderung von Akut-Registern gibt.

Aus Daten lassen sich Überlebensvorteile ableiten

Bei dem Register handelt es sich um eine zentrale Datenbank, in die Kliniken über eine webbasierte Anwendung pseudonymisierte Behandlungsdaten von Schwerverletzten eingeben. Die Daten stammen aus den vier aufeinanderfolgenden Phasen Präklinik, Schockraum und OP, Intensivstation sowie Entlassung. Sie beinhalten detaillierte Informationen über Alter, Verletzungsmuster, andere Grunderkrankungen, präklinisches und klinisches Management, intensivmedizinischen Verlauf und wichtige Laborbefunde einschließlich Bluttransfusionsdaten. Weiterhin enthält das Register Daten zum Zustand des Patienten bei Entlassung.

Die Daten sind nach aktuellen Standards gesichert, ihre Entschlüsselung und die Rückverfolgung zum Patienten könnte nur das behandelnde Krankenhaus veranlassen. Das Schwerverletztenregister ermöglicht intensive Forschungsarbeiten. „Durch die Analyse der Daten können wir sehen, wo es in der Versorgung hakt und an welchen Stellen wir besser werden müssen. Mit Ergebnissen, die einen Überlebensvorteil aufzeigen, werden Diagnostik und Therapie kontinuierlich verbessert“, sagt Prof. Dr. Gerrit Matthes, Leiter der DGU-Sektion Notfall-, Intensivmedizin und Schwerverletztenversorgung (NIS).

Bisher mehr als 270 000 Behandlungsverläufe dokumentiert

Die Ergebnisse aus der Versorgung werden im jährlichen TraumaRegister DGU-Jahresbericht zusammengefasst und den Kliniken zur Verfügung gestellt. Das hilft den Ärzten, ihre eigenen Prozesse zu prüfen und – falls notwendig – Maßnahmen einzuleiten, um die Abläufe zu verbessern. Dafür ist es wichtig, auch die Daten von Patienten aufzunehmen, die so schwer verletzt waren, dass sie nicht mehr gerettet werden konnten.

Das TraumaRegister DGU sammelt und analysiert seit 1993 die Behandlungsverläufe von schwerverletzten Patienten. Seither sind mehr als 270 000 Behandlungsverläufe dokumentiert. Fast 400 Publikationen zu verschiedenen wissenschaftlichen Fragestellungen sind in den letzten 25 Jahren von forschenden Unfallchirurgen veröffentlicht worden.

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