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ForschungsprojektWas mit 5G im Operationssaal möglich ist

Ein 5G-Projekt zeigt, dass durch Telechirurgie medizinische Ressourcen effizienter genutzt werden können. 5G bietet aber auch KI-gestützte Datenübertragung und -auswertung sowie weitere technische Raffinessen.

5G im OP
Fraunhofer IPA
Experimenteller und vernetzter Hybrid-OP des Fraunhofer IPA in Mannheim. 5G erlaubt den Datentransfer in Echtzeit.

Seit sich Ärzte und Ingenieure mit den Möglichkeiten der Telemedizin beschäftigen, gibt es die Überlegung, dass Chirurgen aus der Ferne operieren: Ein Spezialist, der sich an einer anderen Gesundheitseinrichtung befindet, unterstützt den Arzt vor Ort, indem er etwa einen OP-Roboter bedient. Unabhängig von einer Festnetzverbindung ist die Steuerung des Roboters erst mit dem Mobilfunk der fünften Generation (5G) verlässlich möglich.

Telechirurgie könnte angesichts knapper werdender Personalressourcen eine wirtschaftliche Option für viele deutsche Krankenhäuser darstellen. Im gerade abgeschlossenen Projekt 5G-OR (siehe Kasten) hat ein deutsch-französisches Konsortium unter Leitung des Fraunhofer Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA drei 5G-gestützte OPs mit intraoperativen Bildgebungssystemen an den Standorten Mannheim (Fraunhofer IPA), Berlin (Charité) und Straßburg (Institut Hospitalo-Universitaire, IHU) entwickelt.

Entwicklung an Phantomen und Präparaten

Den Mannheimer 5G Hybrid-OP betreibt der Forschungsbereich Gesundheitstechnologien und -prozesse des Fraunhofer IPA im Keller der ehemaligen Krankenhausapotheke auf dem Campus der Universitätsmedizin – heute ist im Gebäude ein Gründerzentrum für Start-ups aus der Medizintechnologiebranche untergebracht. Der Hybrid-OP verfügt über einen röntgentauglichen OP-Tisch samt Beleuchtung sowie ein Artis Zeego, ein modernes Angiografiesystem mit Robotertechnik für die Gefäßbildgebung. Den gesamten Raum haben die Fraunhofer-Forscher mit 5G ausgeleuchtet und mit Kameras und Mikrofonen ausgestattet. Im Kontrollraum nebenan können sie an Bildschirmen alle Aktivitäten im Hybrid-OP live verfolgen. Die Mannheimer Forscher arbeiten nicht an realen Patienten, sondern an Phantomen und Präparaten.

Vier Anwendungsfälle hat das Projektteam zusammen mit Medizinern, Forschern und Unternehmen identifiziert und entwickelt. Im ersten werden OP-Daten während eines chirurgischen Eingriffs kontinuierlich in Echtzeit erfasst und von einer künstlichen Intelligenz (KI) ausgewertet. Anästhesisten sollen die Patienten überwachen und Komplikationen so frühzeitig erkennen können. Die Patienten erhalten hierzu ein intelligentes Pflaster, dessen Sensoren während und nach der OP die Vitaldaten erfassen und via 5G an eine KI-Plattform übermitteln.

Das Pflaster tragen die Patienten auch nach der Entlassung zu Hause, wodurch eine verbesserte Nachsorge erreicht werden soll. Über 5G kann das Pflaster sowohl im Krankenhaus als auch zu Hause Daten senden. In einem weiteren Anwendungsfall analysiert eine KI während einer OP fortlaufend endoskopische Fotos und Videos sowie Daten der Instrumente, um mögliche Risiken im Vorfeld zu erkennen

Projektname: 5G-OR – Establishing the next generation of a 5G-enabled operating room ecosystem to improvepatient outcome (Aufbau der nächsten Generation eines 5G-fähigen Operationssaal-Ökosystems zur Verbesserung der Patientenversorgung)

Projektdauer: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2024

Projektpartner:

Deutschland: Fraunhofer IPA (Koordinator DE); Hochschule Reutlingen; Charité – Universitätsmedizin Berlin; SectorCon GmbH; Karl Storz SE & Co. KG

Frankreich: IHU-Strasbourg (Koordinator FR); b<>com Institute of Research and Technology; RDS (Rhythm Diagnostic Systems)

Fördergeber: Bundministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Projektträger: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Budget: Gesamtmittel: 2 720 724 Euro, Fördersumme: 2 063 187 Euro

Grenzüberschreitende Steuerung

Als dritte 5G-Anwendung haben die Forscher ein 5G-basiertes grenzüberschreitendes Telechirurgiesystem entwickelt und an einem Phantom erprobt. Ärzte am IHU in Straßburg wurden im Projekt in die Lage versetzt, mit einem kleinen Joystick ein robotisches Assistenzsystem grenzüberschreitend im rund 120 Kilometer entfernten Mannheim zu steuern. Über eine Software kann sie sowohl die Bewegung des Instruments im Hybrid-OP als auch die Aktivitäten der Mitarbeitenden sowie die gesamte Kommunikation im OP in Echtzeit verfolgen. Schließlich haben die Forscher zusammen mit der Hochschule Reutlingen auch einen mobilen Roboter entwickelt, der während eines Eingriffs 5G-Echtzeitdaten übermittelt bekommt und die benötigten OP-Materialien und Instrumente in den OP-Saal transportiert.

„Die Datenübertragung im OP mittels 5G bietet deutliche Vorteile gegenüber WLAN‘“, stellt der Projektleiter Johannes Horsch fest. Im Unterschied zu anderen kabellosen Datenübertragungen wie etwa WLAN sind die Frequenzbänder lizensiert. Mit einer 5G-Campuslizenz wird das Krankenhaus zum einzigen Nutzer des Mobilfunkfrequenzbands auf dem Klinikgelände. Störungen durch Patienten, die private Hotspots für Streaming-Angebote nutzen, lassen sich dadurch unterbinden. 5G bietet dadurch eine deutlich höhere Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit des Netzwerks. „Das 5G-Campusnetz hat den Vorteil, dass wir das Netz selbst verwalten können“, erklärt Horsch. 

5G erlaubt nicht nur eine Priorisierung einzelner Anwendungen, sondern auch Network Slicing. Das bedeutet, dass ein physisches Netzwerk in virtuelle Netzwerkpartitionen unterteilt werden kann – mit unterschiedlichen Eigenschaften für verschiedene Anwendungen. Davon profitieren zum Beispiel die Algorithmen bei der Echtzeit-Analyse von medizinischen Bildern. 5G ermöglicht eine stabile Verbindung ohne Unterbrechungen, selbst für hoch mobile Geräte. Bei einem Wechsel zwischen Funkzellen bleiben die Geräte durchgehend verbunden, was eine zuverlässige dauerhafte Verbindung ermöglicht und so Datenverlust verhindert.

Verzögerungsfreie Datenübertragung

Die robotergestützte Telechirurgie ist eine Echtzeitanwendung. Das bedeutet, dass die Datenübertragung weitgehend verzögerungsfrei erfolgen muss. Ein Maß für diese Verzögerung ist die Latenz – die Laufzeit eines Datenpakets vom Chirurgen zum OP-Roboter und wieder zurück. Die Steuerung eines Roboters bei einer Operation aus der Ferne durch einen erfahrenen und fähigen Arzt ist mit einer Latenz von maximal 100 Millisekunden möglich, was mit Hilfe von 5G problemlos realisiert werden kann. Lokal seien sogar 8 bis 15 Millisekunden möglich, so Horsch. Doch er verweist auch auf physikalische Grenzen, die durch die räumliche Distanz gegeben sind. Ein Chirurg möchte bei der Bedienung eines OP-Roboters genauso den Widerstand des menschlichen Gewebes wahrnehmen wie bei einem manuellen Eingriff. Dieses haptische Feedback ist bei der Telechirurgie äußerst anspruchsvoll, weil es für eine realistische Wahrnehmung eine Latenz von 1 Millisekunde erfordert. „KI-Modelle können in Zukunft den zeitlichen Versatz kompensieren“, erklärt Horsch.

Wie geht es nach Projektabschluss weiter mit den 5G-Hybrid-OPs? Die Charité und auch das Straßburger Klinikum nutzen die Technologie weiterhin in der Versorgung. In Mannheim wird der Hybrid-OP wie bereits im Projekt als Forschungsspielwiese verwendet, um an Phantomen oder Präparaten neue Anwendungen zu erforschen. Die Projektpartner, aber auch andere Unternehmen und Forschungseinrichtungen, können den Hybrid-OP zum Entwickeln, Testen und Validieren ihrer medizinischen 5G-Anwendungen nutzen.

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